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Unter Viehhaltern in Schalksmühle geht nach Wolfs-Angriff die Angst um 

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Von: Torben Niecke

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Ein Landwirt treibt Kühe auf einer Straße
Landwirt Olaf Schmermbeck bringt jeden Tag seine Tiere auf die Weide. Wegen der vermehrten Wolfssichtungen sieht er dies in Gefahr. © Torben Niecke

Seit dem bestätigten Nutztierriss durch einen Wolf auf einer Wiese am Stillebeul in Lüdenscheid geht bei den Tierhaltern im Märkischen Kreis die Angst um. Sie können ihre Schafe, Kälber und Fohlen nicht rund um die Uhr vor Angriffen des Raubtieres schützen, wie eine Umfrage unter Schalksmühler Landwirten zeigt.

Schalksmühle - Dietmar Trimpop, Landwirt im Nebenerwerb aus Altenhülscheid, sieht die aktuelle Wolfs-Situation kritisch. Er betreibt Mutterkuhhaltung, die Kälber bleiben also mit den Kühen auf der Wiese. „Da wird man schon ein bisschen ängstlich. Die Kälber sind dem Wolf schutzlos ausgeliefert“, sagt Trimpop. Der Landwirt hofft, dass seine Tiere vom Wolf verschont bleiben.

Von Maßnahmen wie Wolfschutzzäunen hält er dagegen nicht viel. „Sie sind einfach nicht umsetzbar, da sie im Einkauf trotz Förderung immer noch sehr teuer sind und man mit der Wartung einen unzumutbaren Mehraufwand hat“, berichtet der Altenhülscheider. Wenn der Wolf sich in der Region ausbreite, wisse er nicht, ob die Weidetierhaltung dann noch eine Zukunft habe.

Ähnlich sieht es auch Olaf Schmermbeck. Der Landwirt kommt ebenfalls aus Altenhülscheid und betreibt Milchviehhaltung. „Das ist echt eine schwierige Situation. Da kann man seine Tiere nicht mehr ohne reines Gewissen auf die Wiese lassen.“ Seiner Meinung nach passe der Wolf nicht hierhin. Die Landschaft im Sauerland sei mittlerweile zu dicht besiedelt. Vor drei Jahren fand der Landwirt ein totes Kalb auf einer seiner Wiesen, und bereits damals lag für ihn der Verdacht nahe, dass es sich um eine Wolfsattacke gehandelt hat.

Wollen wir erst reagieren, wenn der erste Wolf ein Kind reißt? Wie lange soll es dauern, ehe etwas gemacht wird? Wenn der Wolf lernt, dass von uns keine Gefahr für ihn ausgeht, nutzt er das auch aus

Olaf Schmerbeck, Landwirt

Auch wenn diese nie bestätigt wurde, fürchtet er, solche Funde in Zukunft öfter zu machen. Die Entschädigung bei einem Wolfsriss sei kein adäquater Ausgleich für die vielen Stunden Arbeit, die in die Aufzucht einer Kuh fließen. Schmermbeck sieht den aktuellen Vorfall in Lüdenscheid als Warnzeichen: „Wollen wir erst reagieren, wenn der erste Wolf ein Kind reißt? Wie lange soll es dauern, ehe etwas gemacht wird? Wenn der Wolf lernt, dass von uns keine Gefahr für ihn ausgeht, nutzt er das auch aus“, meint Landwirt Schmermbeck. Und nicht nur die Rinderhalter sind sich einig. Auch Detlef Hegemann sieht die Wolfssituation kritisch. Zusammen mit seiner Frau Jutta betreibt er einen Pferdehof an der Lauenscheider Mühle. „Als Züchter beschäftigen wir uns natürlich mit dem Thema Wolf. Dass der Wolf zurück ist, das können wir nicht ändern, aber wir wünschen uns auf jeden Fall mehr Kontrollen und Regelungen.“ Auch für ihn seien Wolfschutzzäune keine praktikable Lösung. Im Sauerland sei der Boden zu felsig, und man habe so viele kleine, verwinkelte Wiesen, dass es einfach nicht machbar sei, alle Flächen mit den Schutzzäunen zu bestücken.

Schäferei steht vor großen Problemen

Auch bei den Schäfern schlagen der Wolfsriss in Lüdenscheid und weitere Vorfälle in der Region hohe Wellen. Zwar gibt es in Schalksmühle keine ortsansässigen Schäfer. Allerdings zieht Maik Randolph vom Stiftungshof Iserlohn mit seinen Schafen Jahr für Jahr auch durch Schalksmühle. Und er hat große Sorgen. Für ihn sei es ein Trugschluss, dass der Wolf sich aufhalten lasse. Auch er habe seine Zäune um knapp zehn Zentimeter auf nun 1,08 Meter erhöht, aber ob dies wirklich etwas bringt, bezweifelt der Schäfer stark. Man fühlt sich besser, wenn man etwas gemacht hat. Ich habe ohnehin keine große Wahl. Nicht mit den Tieren umherzuziehen, geht gar nicht.“ Er sei auf das Geld seiner Beweidungsaufträge angewiesen, und auch das Futter von den zu beweidenden Flächen sei nötig, um seine Herde versorgen zu können. Eine Lösung könnten Herdenschutzhunde sein. Eine Thematik, mit der sich Maik Randolph zuletzt intensiv auseinandergesetzt hat.

Anders als Hütehunde, die den Schäfer beim Treiben der Schafe unterstützen und die Herde beisammen halten, werden diese Hunde darauf trainiert, zusammen mit den Schafen zu leben und so die Herde von innen heraus zu beschützen. Für Randolph sind sie eine Option, „wenn es nicht mehr anders geht“. Sie würden ein großes Mehr an Arbeit bedeuten, denn mit der Anschaffung sei nur der erste Schritt getan. Monatelanges Training für die Hunde und eine lange Eingewöhnungsphase wären notwendig. „Und von den Mehrkosten für den Unterhalt der Herde hat dann noch keiner gesprochen“, sagt Schäfer Randolph.

Landwirtschaftsverband bestätigt Sorgen der Landwirte

Die heimischen Landwirte sind mit ihren Sorgen nicht allein. Barbara Kruse, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Kreisverband Märkischer Kreis im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband e.V. (WLV), bestätigt, dass die Stimmungslage unter den Landwirten zum Thema Wolf schlecht ist. Sie betont, dass man den Wolf nicht per se ablehne, man aber sehr wohl für mehr Kontrolle sei. Für jede andere Tierart gebe es dementsprechende Regelungen und es sei genau geregelt, wie groß der Bestand seien dürfe. Nur eben für den Wolf nicht. „Bis jetzt handelt es sich in Schalksmühle und Umgebung nur um umherziehende Wölfe, aber sollten sich Wölfe fest ansiedeln, kann es vermehrt zu Problemen kommen“, sagt Kruse. Damit sind nicht nur Angriffe gemeint. Der Wolf müsse kein Tier verletzen oder gar töten, um eine Herde in Panik zu versetzen. Und: „Wenn Kühe in Panik geraten, hält sie kein normaler Weidezaun zurück“. Sachschäden und Gefährdungen im Straßenverkehr seien die Folge. Der Kruse sagt, es sei einfacher, den Wolf einzudämmen, als es für die Landwirte ist, all ihre Wiesen wolfssicher zu machen. Die Vorschläge des Naturschutzbundes wären für keinen Landwirt umzusetzen. Der Wolf und die moderne Landwirtschaft seien bei Fehlen jeglicher Regelungen nicht unter einen Hut zu bringen. Bereits unter der ehemaligen NRW-Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Ursula Heinen-Esser, habe es erste Ideen für eine Wolfsverordnung gegeben, aber unter der neuen Landesregierung sei diese nicht mehr weiterverfolgt worden.

 Wenn Kühe in Panik geraten, hält sie kein normaler Weidezaun zurück

Barbara Kruse, Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.

Auch unter den Jägern finden die Landwirte Unterstützer. So sieht Jan Philipp König, Vertreter der Jagdakademie König und selbst Jagdpächter in Schalksmühle, die Sorgen der Landwirte als angebracht. „Warum sollte der Wolf Rotwild jagen, wenn er sich am Hühnerstall oder auf der abgezäunten Weide viel leichter bedienen kann“, gibt er zu denken. Das Ziel der Hegeringe sei, dass der Wolf mit ins Jagdrecht übernommnen wird – nicht um ihn loszuwerden, sondern um ihn wie andere Tierarten auch regulieren zu können. „Der Wolf ist in Deutschland angekommen, und dabei bleibt es auch. Für die potenzielle Beute gibt es Jagd- und Schonzeiten, aber für den Wolf eben nicht“, sagt König. In seinen Augen ergibt das wenig Sinn und man könne auch schon nicht mehr davon sprechen, dass der Wolf in Deutschland stark bedroht wäre, da die Wolfspopulation in Deutschland mittlerweile größer sei als in vielen Ländern, in denen der Wolf nie weg war, sagt der Jagdpächter. Mit dem Unterschied, dass hier die Bevölkerungsdichte deutlich höher ist. Das gelte für Deutschland, aber auch für das ländliche Schalksmühle.

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