„Zieht da wer neues ein?“, fragen sie sich, denn es sind Leute im Laden. Nein. Cengiz Büyükce räumt aus. Seit Februar 2022 steht der Bioladen leer, ein Jahr lang zahlte er noch Miete, ehe er nun aus dem Vertrag raus ist. „Nie wieder“ würde er in Meinerzhagen einen Handel eröffnen. In anderen Städten, wie in Wipperfürth, ist er hingegen voll dabei. Im Januar eröffnete eine Weinbar in seiner gekauften Immobilie und demnächst noch eine Tapasbar. Und den Bioladen Bedorf gibt es auch in Wipperfürth. Aber da, sagt er, macht er mindestens den fünffachen Umsatz als an der Hauptstraße in Meinerzhagen. Vier Jahre hat er es versucht, aber der Laden sei nicht angenommen worden. Die Meinerzhagener kaufen eher in anderen Städten ein. Das neue Kommerzielle Zentrum wird zumindest für die Einzelhändler im Stadtzentrum nichts bringen, ist er sicher.
Im Café gegenüber trifft man sich und tauscht den neuesten Klatsch und Tratsch aus. In aller Munde derzeit: das Kommerzielle Zentrum. „Das ist‘n Witz“, sagt eine Anwohnerin der Hauptstraße, die zum Klönen am Café stehen bleibt. „Die Innenstadt ist tot.“ Die Meinerzhagenerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, findet es schade, „dass nicht den Läden geholfen wird, die dicht machen“, wie sie sagt. Sie hatte auch schon die Überlegung, dass in einen Leerstand ein Jugendtreff kommt, damit wenigstens die Jugendlichen einen Ort für sich hätten. Die Entwicklung in der Stadt findet sie „einfach traurig“. Das Zentrum wird, wie es der Name erahnen lässt, alles zentralisieren. Belebt werde nichts, außer das Kommerzielle Zentrum selbst. Und ob man einen Supermarkt braucht? Ärzte, vielleicht einen HNO-Arzt, würde sie noch begrüßen.
Näher ran an den zukünftigen Standort des Kommerziellen Zentrums: Foto Heyder. Inhaber Marc Heyder sagt dazu lieber nichts, wie er sagt. Als Ratsmitglied (UWG) sitze er zwischen den Stühlen. Seine Mutter aber sieht das Kommerzielle Zentrum nicht als „Zugpferd für die Innenstadt“. Dass die Fußgängerzone oder die Hauptstraße davon partizipieren, sehe sie „beim besten Willen nicht“. Wer dort einkaufe, werde mit dem Einkaufswagen in die Tiefgarage gehen und dann nach Haus fahren. „Vom Hit haben wir auch nicht partizipiert“, sagt Dorette Heyder. Jeder Einzelhändler müsse selbst sehen, wie er zurecht komme. Die Stadt hat sich verändert und hört für sie am Drogeriemarkt Rossmann auf. Früher war das anders, das weiß sie noch sehr gut. Die 75-Jährige ist seit 50 Jahren im Einzelhandel tätig und hatte lange eine Parfümerie in der Stadt. „Ich liebe diese Stadt eigentlich“, sagt die Meinerzhagenerin. Die Kommunikation zum Projekt kritisiert sie.
Abdolrahman Ebrahim hat seine Schneiderei neben Gassmann. Auch dieser Laden reiht sich ein in die Liste der Leerstände der Stadt. „Zu vermieten“ steht an jedem Schaufenster des ehemaligen Kaufhauses. Größer wird nur das Kommerzielle Zentrum, das Einkaufen und Wohnen kombiniert, wie es auch bei Gassmann zukünftig der Fall sein soll (wir berichteten). Abdolrahman Ebrahim sagt noch seine Meinung, weiß aber, dass die Politiker ohnehin schon alles entschieden haben. Seine Meinung, sagt er, sei nur noch Kritik, kann aber nichts mehr ändern. „Mit einem Investor geht alles“, sagt der Schneider. „Mit fremdem Geld.“ Der Leerstand ist ein Virus geworden, nicht nur in Meinerzhagen, sagt er. „Man darf nicht Glück auf Unglück bauen.“ Andere Städte machten es besser. Austausch untereinander empfiehlt er der Politik und Stadtverwaltung. Meinerzhagen brauche ein Angebot, das Menschen aus dem Umkreis in die Stadt lockt.
Er träumt von einem Kino, aber wäre auch mit anderen Ideen vor allem für die Jugend zufrieden. Er ist der Meinung, das Kommerzielle Zentrum werde die Stadt nicht beleben. Im Gegenteil: „Wollen wir Rossmann kaputt machen?“ Was, wenn eine neue Drogerie in das neue Gebäude zieht und Rossmann schließt? Was ist dann mit den letzten Geschäften, die noch an der Hauptstraße sind? Zwei Mitarbeiterinnen der HC-Parfümerie Gottmann haben Samstag die Nachricht gehört. Eine weitere Drogerie neben Rossmann? Noch mehr Konkurrenz? Nein, sie glauben nicht an eine Belebung. „Ach, Quatsch!“, sagen sie. „Man sollte lieber etwas für die Fußgängerzone tun.“
Man sollte lieber etwas für die Fußgängerzone tun.
Möglichkeiten gibt es. In Wipperfürth etwa gebe es ein Innenstadtkonzept, das neue Geschäftsleute bei der Miete für einen Zeitraum unterstützt, weiß Cengiz Büyükce. Einen Großteil trägt für einen festen Zeitraum die Stadt, um dabei zu helfen, dass sich Geschäfte und Gastronomien ansiedeln. Davon hat auch Beate Malek gehört, die Inhaberin des Kaffeeklatschs an der oberen Hauptstraße. Ihr Café laufe gut, wie sie sagt. Seit acht Jahren schon.
Meinerzhagen, sagt sie, ist „eigentlich ein charmantes Städtchen“. Sie träumt von vielen kleinen Läden, von denen manche einen Kartenständer auf der Straße vor ihrem Laden stehen haben. Die Realität sind dreckige Bürgersteige und Leerstände. Sie findet, man sollte auch mal die Immobilienbesitzer in die Pflicht nehmen, dass sie ihre Gebäude renovieren, um sie auch für potenzielle Interessenten attraktiv zu machen..