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Erst der Krieg, dann Hirntumor bei Kind: Familie durchlebt nach Flucht schwere Zeit

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Von: Simone Benninghaus

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Tengeiz und Iryna Tchelishvili und ihre Töchter Zlata und Milana leben seit neun Monaten in Deutschland.
Tengeiz und Iryna Tchelishvili und ihre beiden Töchter Zlata (links) und Milana leben seit neun Monaten in Deutschland. Die Familie erlebte auch hier durch die Erkrankung ihrer Tochter keine einfache Zeit. © Benninghaus, Simone

In ihrem Heimatland herrscht Krieg. Nach Deutschland geflüchtet erkrankte ihre Tochter schwer. Tengeiz und Iryna Tchelishvili durchlebten zuletzt harte Monate.

Meinerzhagen – Viele Wünsche begleiten den Wechsel in ein neues Jahr. Wenn man Tengeiz Tchelishvili nach seinem Wunsch fragt, kann man die Antwort in seinen Augen ablesen. Dass der Krieg endet. Natürlich. Das ist sein Wunsch. Ob er sich erfüllen wird? Niemand weiß es.

„Wir hätten nicht gedacht, dass es so lange dauern würde“, sagt Tengeiz Ehefrau Iryna. Seit März ist die Familie mit den beiden achtjährigen Töchtern in Deutschland – Dank der Hilfe des Meinerzhageners Viktor Rogalsky. Die Familie war zuerst in Marienheide untergebracht worden und lebt mittlerweile in Meinerzhagen. Die Sorgen sind in Deutschland aber nicht weniger geworden. Hinter Tengeiz und Iryna liegt eine schwere Zeit. Die kleine Milana hatte einen Gehirntumor.

Dramatische Stunden nach Beginn des Kriegs

Dass die Achtjährige krank war, wussten die Eltern bereits vor ihrer Flucht. Nur eine Diagnose gab es noch nicht. Es sei zunächst an Epilepsie gedacht worden.

Als der Krieg ausbrach, erlebte die Familie dramatische Stunden. So etwa, als sie am dritten Kriegstag um ihr Leben rannte, um bei einem Luftalarm schnell den schützenden Bunker zu erreichen. Dem Georgier Tengeiz Tchelishvili war klar, dass er mit seiner Frau und den Kindern das Land verlassen musste. „Sie mussten schleunigst raus“, erinnert sich auch Viktor Rogalsky, den ein gemeinsamer Bekannter bat, der Familie zu helfen. Dank einer humanitären Organisation in Gießen sei die Flucht schließlich geglückt, und nach der letzten von mehreren Etappen nahm Viktor Rogalsky die Familie in Deutschland in Empfang.

Unterstützung seitens der Gemeinde

Rogalsky ist Mitglied der Freien Evangeliums Christen Gemeinde (FECG) mit Sitz an der Beethovenstraße, und hier fanden Tengeiz und Iryna, wie zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine, nicht nur eine religiöse Heimat, sondern auch viel Unterstützung.

Große Ängste um die kleine Milana

Vor dem Krieg war die Familie in Sicherheit. Die Angst um Milana aber blieb. In Deutschland diagnostizierten die Ärzte einen Gehirntumor – nicht bösartig zum Glück. Milana wurde in der Uniklinik in Köln operiert. „Wir hatten große Ängste“, erzählt ihre Mutter und ist zugleich dankbar für die Unterstützung durch Mitglieder der Gemeinde, die Fahrdienste übernahmen und beim Übersetzen halfen. Ein schwer erkranktes Kind, eine Behandlung in einem fremden Land, in dem man sich nicht verständigen kann – keine einfache Zeit. Und zuhause – Krieg.

„Sie wird es schaffen“

Milana ist mittlerweile auf dem Weg der Genesung. Sie besucht wie ihre Schwester die erste Klasse der Grundschule Auf der Wahr, hat dazu noch Therapie-Termine. „Sie braucht noch Hilfe, sie ist noch nicht wie normale Kinder“, sagt Iryna Tchelisshvili. „Aber sie ist auf einem guten Weg. Sie wird es schaffen.“ Auch Zlata helfe ihrer Schwester. „Sie sind eben Zwillinge“, lächelt ihre Mutter.

„Es ist einfach traurig“

Im August reisten die Eltern mit den beiden Töchtern nach Kiew. Irynas Vater war verstorben. Insbesondere für die Kinder sei es nicht nur wegen des Verlusts des Großvaters eine traurige Erfahrung gewesen. „Sie hatten die Ukraine so in Erinnerung, wie sie sie vor dem Krieg kannten“, berichtet Iryna Tchelishvili. Glückliche, fröhliche Kinder seien Milana und Zlata in Kiew gewesen. „Jetzt mussten sie feststellen, dass nichts mehr so war wie vorher.“ Sirenen und Explosionen hinterließen auch nach der Rückkehr Ängste. „Als wir wieder in Deutschland waren, hat es ungefähr einen Monat gedauert, bis die Mädchen wieder ruhig geschlafen haben“, erzählt ihre Mutter. Auch sie erlebte das Land, in dem sie geboren wurde und aufgewachsen ist, nicht mehr als das Land, das sie kannte. „Es ist einfach traurig“, sagt sie. Irynas Mutter kam nach dem Tod des Ehemannes mit nach Deutschland. Ihr ältester Neffe und ihr Schwager seien noch in Kiew, eine Schwester sei zurückgekehrt zu ihrem Mann. Die Bedingungen seien schwierig, auch wegen der Temperaturen. Strom gebe es nicht immer, daher mitunter auch keine Internetverbindung. Der Kontakt sei schwierig.

„Mama, ich kann schon Deutsch verstehen“

Die Ukraine bleibe ihr Zuhause, „aber jetzt müssen wir uns hier zurechtfinden“, meint das Ehepaar. Ob sie eines Tages zurückkehren können in ihre Heimat – Tengeiz und Iryna wissen es nicht.

Tengeiz Tchelishvili ist Pastor. In der Freien Evangeliums Christen Gemeinde an der Beethovenstraße betreut er den Kreis Ukrainer, der sich wöchentlich im Jugendcafé Kostbar zum Austausch trifft. Einen Deutschkurs besuchen zu können, das ist ein Wunsch, doch aktuell seien alle Plätze belegt. Für Mai gebe es eine Option, berichtet Iryna Tchelishvili. Ihre Töchter lernten dafür in der Schule. „Mama, ich kann Deutsch schon verstehen, ich kann es nur noch nicht sprechen“ – das erzähle ihr ihre Tochter Zlata.

Dass ihre Tochter Milana wieder vollkommen gesund wird, das ist ihr größter Wunsch, sagt Iryna Tchelishvili. „Dafür bete ich.“ In der Ukraine wäre die Erkrankung vermutlich nicht so glimpflich verlaufen, glaubt auch Viktor Rogalsky. „Wir hätten das nicht bewältigen können, dafür werden wir immer dankbar sein“, sagt Iryna Tchelishvili. Ihr Ehemann fährt fort: „Was Deutschland unternimmt, um den geflüchteten Menschen zu helfen, dafür können wir nur dankbar sein. Das werden wir nie vergessen.“

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