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Grausamer Tod von Luise: Fachleute warnen vor Aktionismus 

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Von: Frank Zacharias, Göran Isleib

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Die Anteilnahme ist groß: Kerzen und Blumen liegen in dem Wald zum Andenken an Luise.
Die Anteilnahme ist groß: Kerzen und Blumen liegen in dem Wald zum Andenken an Luise. © Oliver Berg

Nach dem tragischen Mord an Luise warnen Fachleute warnen vor Aktionismus. Dennoch mischt sich bei vielen Menschen nach der Tragödie Unbehagen ein.

Meinerzhagen/Kierspe – Es war eine Tragödie, die sich am vergangenen Wochenende bei Freudenberg abgespielt hat: Zwei Mädchen, zwölf und 13 Jahre alt, haben gestanden, die gleichaltrige Luise getötet zu haben. Zu den Gedanken an die trauernde Familie des Mädchens mischt sich seitdem bei vielen Menschen auch Unbehagen: Wie kann es sein, dass Jugendliche erst ab 14 Jahren selbst für solch brutale Taten strafrechtlich belangt werden können. Wie schwierig die Einordnung ist und welche Gründe es für die Strafunmündigkeit bis einschließlich 13 Jahren gibt, erläutern Ansgar Röhrbein vom Märkischen Kinderschutzzentrum und Michael Brück, Sozialpädagoge an der Gesamtschule Kierspe.

Kinderschutzbund

Der ganzen Tragik der Geschehnisse in Freudenberg ist sich auch Ansgar Röhrbein bewusst und unterstreicht sein Mitgefühl mit den Betroffenen. Eine Erklärung oder gar Diagnose der Tat und mutmaßlichen Täterinnen aus der Ferne verbiete sich, sagt der Leiter des Märkischen Kinderschutz-Zentrums. Aber er kennt auch die zahlreichen Faktoren, die die Kindheit und Jugend heute von der vor 20 oder 30 Jahren vor allem im digitalen Bereich unterscheidet. „Ich habe heute die Möglichkeit, jemanden zu diskreditieren, ohne ihm ins Gesicht schauen zu müssen“, sagt Röhrbein mit Blick auf WhatsApp oder andere Messenger-Dienste sowie vermeintlich soziale Netzwerke. Diese seien „ideal für schnelle aggressive Impulse“. Und es sei schnell, sozusagen aus dem Bauch heraus, „ein „Stein“ geworfen – „ohne Besonnenheit oder Abwägung, welche Folgen das für das Gegenüber haben könnte“, sagt der Diplom-Pädagoge.

Je nachdem, welche Konsequenzen die Kinder und Jugendlichen daraufhin erlebten, könnten aus der Aggressivität im Netz auch analoge Handlungen werden, deren Folgen insbesondere Kinder nicht absehen könnten.

Eine detaillierte Bewertung der Gesamtumstände und Verantwortlichkeiten könne nur nach intensiven Gesprächen mit psychologischen Fachkräften erfolgen, betont der Leiter des Kinderschutz-Zentrums. In der Diskussion um die Strafmündigkeit, die in Deutschland erst mit 14 Jahren beginnt, stellt er fest: „Wir haben zwei Facetten: Zum einen die körperliche Reife, die immer früher beginnt.“ So setze die Menarche, also erste Regelblutung, bei immer mehr Mädchen schon im Alter von zehn Jahren und früher ein. „Anderseits geht es aber auch um eine beginnende psychische Reife, die in jedem Fall eine Rolle spielt und die erst ab dem 14. Lebensjahr angenommen wird.“ Eine Diskussion in Bezug auf die Absenkung des Alters der Strafmündigkeit sei aus seiner Sicht nicht zielführend und bräuchte zuvor eine gute Daten- und Forschungslage.

In jedem Fall sollten die Erwachsenen mit gutem Beispiel vorangehen und anderen gegenüber Respekt erweisen, um einem gewissen – von der Fachwelt – wahrgenommenen „Verfall von Werten“ nicht nur bei jungen Menschen zu begegnen. „Das ist eine Aufgabe der Gesellschaft, der Familie und natürlich der Jugendhilfe. Wir brauchen Vorbilder, statt Feindbilder“, sagt Ansgar Röhrbein.

Sozialpädagoge GSK

„Ein schneller Reflex ist selten gut“, sagt Michael Brück zur Forderung einiger nach einem Herabsetzen der Strafmündigkeit. „Als die Strafmündigkeit seinerzeit auf ein Alter von 14 Jahren festgelegt wurde, wollte man einen klaren Schnitt ziehen. Demnach sind jüngere Kinder eben nicht in der Lage, ihr Tun entsprechend einzuschätzen“, gibt Brück zu bedenken. Es gehe dabei immer um die Fähigkeit, die eigene Schuld zu erkennen und einzuordnen. „Nach meinen Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern, kann ich sagen, dass Kinder in der Regel eben nicht dazu in der Lage sind.“ Man denke nur mal daran, was Kinder mit ihren Mobiltelefonen schon alles anstellten.

Michael Brück: „Ich glaube der Paragraf 19 des Strafgesetzbuches ist auch heute noch modern und hat genau in dieser Form seine Berechtigung.“ Auch wenn die Tat von Freudenberg als solche schrecklich ist, sollte man nicht gleich Schnappatmung bekommen und das Alter der Strafmündigkeit herabsetzen wollen. Für Michael Brück hat „hier vor allem die Erziehung versagt, da würde ich zunächst einmal suchen.“

Michael Brück findet es richtig, dass sich jetzt Fachleute des Jugendamtes um die beiden Täterinnen kümmern. „Es ist die Aufgabe der Jugendämter, einen offensichtlichen Mangel zu beheben.“

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