Der 79-Jährige verbindet nun ein nicht so schönes Erlebnis mit der Strecke. Er ist an dem Tag aus Neugier in Meinerzhagen ausgestiegen. „Mich hat der Bahnhof einfach mal interessiert, ich bin dort noch nie ausgestiegen. Habe das aber einfach mal spontan gemacht“, erzählt er. „Mit mir ist ein Mann im Rollstuhl ausgestiegen. Ein Bein war amputiert“, erzählt Treitz. „Wir sind zusammen zum Aufzug, um vom Gleis auf die Brücke zu gelangen. Doch der Aufzug funktionierte nicht.“ Das Problem: Es habe keine Möglichkeit für den Rollstuhlfahrer gegeben, den Bahnhof anderweitig zu verlassen. Um den Rollstuhl die steile Treppe zur rund sechs Meter hohen Brücke zu transportieren, dafür seien mehrere Helfer nötig gewesen.
Dann muss derjenige am Bahnhof übernachten. Im Winter kann das übel enden.
„Während der Mann auf Krücken die Stufen raufgegangen ist, habe ich versucht den Rollstuhl hochzutragen“, erinnert sich der Rentner. Der Rollstuhl habe allerdings rund 60 Kilogramm gewogen, „ich habe nur drei Stufen geschafft“, fügt er hinzu. Ein anderer Fahrgast habe dann seine Hilfe angeboten und den Rollstuhl nach oben befördert. Zudem fiel Treitz beim Treppensteigen auf, dass eine Stufe gefährlich kippelt. Und das sei eine weitere Unsicherheit auf dem Bahnhof, findet er. Es gebe weder eine Rampe noch einen anderen barrierefreien Notausgang für körperlich eingeschränkte Personen, kritisiert der Kiersper.
Stahlzäune umgeben das Bahnhofsgelände, machen außerdem eine Flucht über die Gleise im Falle einer extremen Notsituation unmöglich. Er beschreibt ein weiteres mögliches Szenario, das ebenfalls nicht gut für die Betroffenen enden könnte. Wenn ein Mensch im Rollstuhl oder in anderer Form körperlich eingeschränkt mit dem letzten Zug nachts hier ankomme, kein Handy dabei habe und sonst kein Mensch mehr am Gleis sei, der ihm helfen könne, was mache die Person dann. Und wenn dann der Aufzug nicht funktioniere, „dann muss derjenige am Bahnhof übernachten. Passiert das im Winter, dann kann das übel enden“, erklärt Treitz.
Das hat mich so geärgert, dass ich die Feuerwehr alarmiert habe.
Oben auf der Brücke angekommen, wartete das nächste Problem. Auch der Aufzug, der die Fahrgäste hinunter in Richtung Busbahnhof befördert, war ausgefallen. „Das hat mich so geärgert, dass ich die Feuerwehr alarmiert habe.“ Nach 15 Minuten habe man Sirenen gehört, doch die Wagen seien am Bahnhof vorbeigefahren. Dann habe man die Polizei gerufen. Nach rund 30 Minuten sei dann ein Krankenwagen gekommen. Helfer hätten den Rollstuhlfahrer hinunter getragen. Im Nachhinein hat der Rentner von den Krankenwagenfahrern erfahren, dass ein Feuer im Umspannwerk für den Ausfall beider Aufzüge verantwortlich gewesen sei.
Vonseiten der Stadt Meinerzhagen, die den Aufzug in Richtung Busbahnhof betreibt, heißt es, dass man in solchen Notfällen extra einen Zugang über die Brücke zur Straße Im Tempel geschaffen habe. „Die Stadt Meinerzhagen hat mit dem Aufzug zu dem Gleis nichts zu tun“, erklärt Christian Bösinghaus vom Gebäudemanagement. Wenn dort Probleme auftauchten, sei das ausschließlich die Angelegenheit der Deutschen Bahn. „Die Stadt hat für ihren Aufzug eigens Personal geschult, das sich bei Problemen darum kümmert“, erklärt Bösinghaus. Bei Störungen würden diese Mitarbeiter umgehend informiert, sie würden die Panne auch unmittelbar beheben, ergänzt er.
Die Stadt Meinerzhagen hat mit dem Aufzug zu dem Gleis nichts zu tun.
Auch bei der Deutschen Bahn sorge, erklärt ein Sprecher, ein Modul für eine Störungsmeldung im Falle eines Aufzugausfalles. „Wir bekommen sofort eine Meldung, wenn ein Aufzug an einem Bahnhof deutschlandweit ausfällt“, sagt der Pressesprecher. Von dem Zwischenfall am 10. Juli sei der Bahn jedoch nichts bekannt.
Im Gegenteil: „Der Aufzug in Meinerzhagen fährt eigentlich sehr zuverlässig. Uns ist über vermehrte Ausfälle nichts bekannt“, heißt es vonseiten der Bahn. In Notfällen verweist der Bahnsprecher auf unterschiedliche Notrufnummern. Es gebe die Mobilitätsservicenummer und die 3-S-Zentrale in Düsseldorf, „normalerweise hängt auch ein Plakat mit der Nummer der 3-S-Zentrale in einer Vitrine am Bahngleis“, heißt es weiter.
Manche Bahngleise verfügten auch über eine Notrufsäule. „In Meinerzhagen aber wohl eher nicht.“ Außerdem empfiehlt die Deutsche Bahn, sich zusätzlich vor Beginn einer Reise auf ihrer Homepage zu informieren, ob erforderliche Aufzüge auch in Betrieb seien. Dort würden Fahrgäste tagesaktuell über technische Defekte an den Gleisen informiert.
Bei Siegfried Treitz bleibt ein ungutes Gefühl, wenn er jetzt an den Bahnhof in Meinerzhagen denkt. Seine Fahrt in die Flitterwochen bleibt hingegen ungetrübt. „Da hatte ich noch keine Bahnhöfe im Kopf“, sagt Treitz und lächelt. Gearbeitet hat er zu dieser Zeit noch als Dreher und die Hochzeit stand im Mittelpunkt. Vor 57 Jahren habe der Bahnhof in Meinerzhagen sicherlich anders ausgesehen, ist sich der Rentner sicher. Genau wissen kann er es nicht, damals ist er nicht einfach mal aus Neugier ausgestiegen.