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Die Haushaltsrede 2023 der SPD-Fraktion

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Für die SPD ergriff Rolf Puschkarsky in der Ratssitzung am 28. November das Wort.

„Heute beginne ich meine Haushaltsrede, oder wie man es immer bezeichnen möge, einmal in der Vergangenheit an. Am 31. Dezember 2019 wurde der Ausbruch einer neuen Lungenentzündung mit noch unbekannter Ursache in Wuhan in China bestätigt.

In Deutschland wurde der erste Fall einer Infektion am 27. Januar 2020 in Bayern offiziell bestätigt. Dieser und weitere Fälle konnten anfangs erfolgreich isoliert werden, sodass zunächst keine weitere Ausbreitung stattfand. Am 11. Februar 2020 schlug die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Namen COVID-19 für die Infektionskrankheit vor.

Es ist der 25. Februar 2020, als ein Mann aus dem Kreis Heinsberg die Diagnose bekommt: Corona, positiv. Weitere Fälle breiten sich aus, weil zu viele Menschen Kontakt hatten. Unsicherheit macht sich breit, was geschieht da um uns herum. Unterschiedliche Auffassungen und keine ausreichenden Informationen.

Am 13. März 2020 schließt die AWO in Meinerzhagen ihre Räume und beendet seine Programme. Andere Vereine und Institutionen folgen. Fragen kommen auf. Wie geht es weiter?

Ich – zunächst natürlich ahnungslos und optimistisch, wie andere auch: Das geht schnell vorüber, das ist wie eine Grippe, das werden wir schon schnell überwinden. War ja immer so - hat ja immer gut gegangen. Ist auch nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn. Was hat das für Folgen? Für das Gemeinwesen? Ist doch alles geregelt, der Haushalt 2020 steht und was kann schon passieren.

Am 22. März 2020 verhängt die Regierung den ersten Lockdown, der zunächst für zwei Wochen ausgelegt ist. Es sollten viele weitere Monate mit Kontaktbeschränkungen folgen. Ja, was kann schon passieren? Was sich kein Mensch hat denken können, ist passiert.

Ganze Bereiche des öffentlichen Lebens erstarren, sind hilflos und befinden sich an der Grenze. Menschen bangen um ihre Existenz, ihr Leben. Bald kommen die Nachrichten von den ersten Toten auch bei uns in Meinerzhagen. Das ist erschreckend und so völlig unvorstellbar.

Ein Virus hat die Welt, die scheinbar so unverwundbar ist, im Griff. Wir gewöhnen uns an das Alleinsein, die häusliche Quarantäne, die Masken, die Angst vor der Infektion. Wir schotten uns ab und hoffen. Hamsterkäufe-Panik-Ungewissheit folgen.

Warum diese Erinnerung am Anfang meiner Haushaltsrede für den Haushalt 2023? Zwei Jahre konnten wir nach Absprache die Reden nur in schriftlicher Form als Anhang an das Protokoll abliefern. Wer hat es gelesen, wer hat sie wahrgenommen, wer hat sich damit auseinandergesetzt? Wahrscheinlich die wenigsten, wahrscheinlich wird sich auch heute nur ein geringer Teil von Interessierten die Reden durchlesen und bewerten.

Was also bringen die Reden, die Gedanken, die Konsequenzen aus den Beratungen und Sitzungen? Ein Ritual, weil es eben dazu gehört? Oder die Auseinandersetzung mit den Fakten, die wir, wie in der Vergangenheit sowieso nur marginal beeinflussen können? Was also haben uns die letzten zwei Jahre gelehrt?

Ich habe verstanden, dass wir mit unseren Finanzen vorne und hinten nicht zurechtkommen. Ich habe gelernt, dass Vorhaben, die geplant waren, sich nicht haben umsetzen lassen. Alles ist teurer geworden, alles ist im Fluss, wir haben Menschen verloren, die bei uns gearbeitet haben, sie haben uns aus vielerlei Gründen verlassen und haben uns auch im Regen stehen lassen. Wir sind heute da wo wir sind – in vielen Handlungsfeldern handlungsunfähig, weil uns die Menschen fehlen, die unser Gemeinwesen mitgestalten können. Und uns fehlt das Geld, um in die Zukunft zu planen.

In unseren Gesprächen haben wir zwar von der Kämmerin gehört, dass wir einen Überschuss in Höhe von fast 400 000,00 € im Haushalt 2023 verbuchen können, aber unter welchen Bedingungen? Helmut Klose hat es in der Einbringung des Haushaltes am
24. Oktober trefflich beschrieben. Es sind schlichtweg Taschenspielertricks, die uns zu einem ausgeglichenen Haushalt verhelfen.
NKF-Covid19-Ukraine-Isolierungsgesetz ist das Zauberwort. So und nur so, in der Ausgliederung der Zahlen können wir vermeiden, dass wir wieder in die Haushaltssicherung abrutschen.

Aber wer nun denkt, es wird alles gut, der irrt sich natürlich. Irgendwann müssen wir zahlen, so oder so. Vielleicht sollten wir in der Kämmerei doch einen weiteren Mitarbeiter einstellen, der die Taschenspielertricks souverän beherrscht und uns wie aus dem Nichts neue Gelder herbeizaubert. Ich kenne so jemanden, der hat seinerzeit bei der Sparkasse in Meinerzhagen gelernt und gearbeitet und ist heute nur noch in Sachen Zauberei unterwegs. Zumindest bei ihm scheint das zu klappen.

Die Kämmerin sagt: „Es ist nichts, wie es einmal war“, und meint damit natürlich, dass wir gar nicht abschätzen können, wie es sich weiterentwickelt. Sicher ist nur eines – wir werden in Zukunft weniger Geld zur Verfügung haben, aber mehr benötigen. Allein die Erhöhung der Kassenkredite bis 2026 sprechen eine deutliche Sprache.

Ich gehe heute nicht auf die Details des Haushaltsplanes im Einzelnen ein. Ich bin mir sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei gewissenhaft und ordentlich bei der Aufstellung des Haushaltsplanes für 2023 gearbeitet haben. Ich bin mir auch sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Fachbereiche ihre Dinge verantwortlich und angemessen eingebracht haben. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass nicht alles was z.B. im Bauprogramm steht, umgesetzt werden kann, allein schon von der Aufgabenmenge.

Und in diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas anmerken. Ich habe zu Beginn davon gesprochen, dass sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von uns verabschiedet haben und zu anderen Arbeitgebern gewechselt haben, die verkehrstechnisch besser zu erreichen sind als Meinerzhagen.

Und damit komme ich zu einem weiteren Problem. Die Sperrung der Rahmedetalbrücke, die Sperrung der Bahnlinie und die Umleitungen in unserem Bereich haben uns neben den vielen unsäglichen Einschränkungen und Belastungen der Pandemie jetzt noch den letzten Rest gegeben. Und ich rede nicht von der unzumutbaren Verkehrsbelastung um uns herum. Ich rede davon, dass sich Menschen heute nicht mehr zugehörig fühlen zu ihrer Arbeit und der Arbeitsstelle, zur Stadt.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass es nicht mehr so sein kann wie früher. Da lernte man in Meinerzhagen, da arbeitete man in Meinerzhagen, da kaufte man in Meinerzhagen, da lebte man in Meinerzhagen, da war man Meinerzhagener. Das hat sich geändert. Es ist heute so, dass man sich die Rosinen herauspickt, um möglichst gut dazustehen und wenn sich etwas verändert, dann ist man nicht bereit, die Veränderungen mitzutragen. Das ist ein Werteverlust, dem wir uns stellen müssen, der aber dem Gemeinwesen bis ins Mark Schaden zufügt.

Die Auswirkungen sehen wir heute hautnah. In sensiblen Bereichen unserer Verwaltung fehlen eben diese Menschen, die die Aufgabenbereiche wahrnehmen müssen. Und so, weil sie eben fehlen, müssen einige wenige das leisten, was eigentlich viele leisten müssten. Fazit: Wir treten auf der Stelle und finden trotz erheblicher Bemühungen keine Fachkräfte.

Ich bin eigentlich von Hause aus optimistisch eingestellt, sehe aber im Augenblick nur Pessimismus. Von daher möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die bei der Verwaltung das manchmal Unmögliche möglich machen und manchmal auch über ihre Kräfte hinaus tätig sind. Herzlichen Dank!

Zurück zum Haushalt 2023 und das kann ich mir nun wirklich nicht ersparen, obwohl ich gerne in diesem Jahr darauf verzichtet hätte. Unsere Abgaben an den Kreis. 38 Prozent unserer Einnahmen gehen an den Kreis und im nächsten Jahr ca. 1,6 Millionen Euro mehr als noch in 2022.

Nun bin ich ja schon des Öfteren belehrt worden, dass der Kreis natürlich Aufgaben für uns als Kommune übernimmt. Das weiß ich natürlich und ich bin ja auch dankbar dafür, dass wir bestimmte Dinge nicht übernehmen müssen. Was mir aber nach wie vor sauer aufstößt ist, dass gerade der Kreis, der seit Jahren Gelder von Kommunen einfordert, diese dann hortet.

Achtung, das, was jetzt kommt, ist wahrscheinlich Ironie. Besonders in diesem Jahr habe ich den Eindruck, dass der Kreiskämmerer und der Landrat den Karnevalsschlager von Bernd Stelter „Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär“ wörtlich genommen haben.

Sie haben vielleicht noch nicht verstanden, dass drei Haare auf der Brust noch keinen Bären ausmachen, verhalten sich aber so. Sie stampfen munter durch den kommunalen Finanzwald und legen sich auf Kosten der Gemeinden Vorräte an und bauen damit neue Unterschlüpfe, die in der Größe schon beachtlich sind.

Das alles bezahlen wir natürlich mit und gehen selber auf durchgelatschten Schuhsohlen durch unsere Gemeinde. Und damit nicht genug – wir müssen auch noch die Versäumnisse der letzten Jahre der MVG und der Märkischen Kliniken und vielen anderen mehr bezahlen. Das sind noch mal über 1 Million Euro für die MKD, die uns im Haushalt fehlen.

Herzlichen Dank, ihr Möchtegernbären!

Das alles ärgert, aber es ärgert auch noch anderes. Es ärgert, dass wir aus unseren Haushaltsmitteln Zäune um Schulen bauen müssen, um Dumpfbacken davon abzuhalten, Dinge dort zu zerstören, dass unsere Schulen und Spielplätze vor eben diesen Ignoranten geschützt werden. Es ärgert, dass wir dieses Geld nicht in die Pflege des Stadtbildes oder in sinnvolle Projekte der Kinder- und Jugendhilfe bzw. Seniorenhilfe einbringen können. Es ärgert, wenn wir sehen, wie mit viel Geld erstellte Regionaleprojekte, wie z.B. die Villa im Park immer wieder zerstört werden. Es ärgert, wenn Spielgeräte, die für unsere Kinder aufgebaut werden, zerstört und beschmiert werden.

Es ärgert, wenn der Otto-Fuchs-Platz regelmäßig vollgesaut wird. Es ärgert, wenn Menschen einfach wegschauen, wenn zugeschlagen wird. Es ärgert, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, unsere Leistungen zu erbringen. Es ärgert, wenn wir regional abgeschnitten werden und es ärgert, wenn man keinen Fortschritt sieht bei dem überregionalen Straßenbau, der Bahn und der Infrastruktur.

Und trotz allem Ärger bin ich dankbar für viele schöne Dinge, die wir auch hier in Meinerzhagen haben und die wir trotz allem Unbill mit unserem Haushalt bewerkstelligen können. Dass wir es hier lebenswert haben, dass die Natur sich wieder erholt, dass wir Menschen um uns haben, denen wir vertrauen können und dass wir bis jetzt gut durch die Pandemie gekommen sind.

Also lassen Sie uns gemeinsam den Blick nach vorne richten. Meinerzhagen im Blick haben und nicht müde werden, auch das Gute im Menschen sehen. Es ist nicht alles mit Geld und einem Haushaltsplan zu machen und trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass wir auch durch diese Krise kommen.

Die Fraktion der SPD im Rat der Stadt Meinerzhagen stimmt dem Haushaltsplan für das Jahr 2023 zu und bedankt sich noch einmal ausdrücklich für das gute und vertrauensvolle Verhältnis zur Verwaltung.

Ihnen allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.“

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