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Das Aus einer Institution: Letzter Öffnungstag von Gassmann steht fest

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Von: Frank Zacharias

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Mit der Kladde an einem der letzten Tage am Standort in Meinerzhagen: Christine Gassmann-Berger bedauert die Schließung von Gassmann
Mit der Kladde an einem der letzten Tage am Standort in Meinerzhagen: Christine Gassmann-Berger bedauert die Schließung, sieht aber nach vielen Jahren der roten Zahlen an der Hauptstraße keine Alternative. Am Montag hat das Kaufhaus zum letzten Mal geöffnet. © Zacharias, Frank

Die Tage einer echten Institution Meinerzhagens sind gezählt: Das Kaufhaus Gassmann schließt – und zahlreiche Meinerzhagener trauern schon jetzt der Angebotsvielfalt hinterher.

Meinerzhagen – Ob Unterwäsche, Nähgarn oder Spielwaren: Im Haus an der Hauptstraße Nummer 17 gab es (fast) alles, was das Herz begehrte. Doch damit ist nach fast 53 Jahren Schluss. Am 20. März öffnet das Kaufhaus Gassmann zum letzten Mal seine Türen, nachdem der Warenbestand in den vergangenen Wochen mit Rabatten reduziert wurde.

Anlässlich des Abschieds aus Meinerzhagen sprach Frank Zacharias mit Inhaberin Christine Gassmann-Berger (68) über die Gründe der Schließung und ihre ganz persönlichen Wünsche für die Volmestadt.

Frau Gassmann-Berger, erinnern Sie sich noch an ihren ersten Kontakt mit Meinerzhagen?

Christine Gassmann-Berger: Meine Eltern hatten ja erst gegenüber von Pollmanns Eck einen kleineren Laden gemietet. Daran kann ich mich noch erinnern. Dieses Geschäft hatten wir, bis mein Vater die Möglichkeit hatte, das Grundstück zu erwerben, auf dem wir uns jetzt befinden. Das Warenhaus wurde dann 1969 eröffnet.

Wissen Sie noch, wie Ihr Vater aus Witten überhaupt auf Meinerzhagen als Standort kam?

Nein, nicht genau. Eine Möglichkeit wäre der Wintersport: Wir sind als Kinder häufig mit meinen Eltern ins Sauerland zum Skifahren gefahren. Es kann sein, dass er dadurch auf den Ort aufmerksam geworden ist.

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Gab es etwas, das Meinerzhagen als Gassmann-Standort zu etwas Besonderem machte?

Allerdings. Zum Beispiel verkauften wir hier im Winter immer gut Schlitten. Das war hier schon speziell, aber es ist ja auch unsere Stärke, dass wir uns je nach Standort auch auf die Kunden einstellen können.

Gab es Artikel, die hier generell besonders gut verkauft wurden?

Ganz klar Unterwäsche, Socken... Das hat man auch in den letzten Wochen gemerkt. Und natürlich sagen uns auch viele Kunden, dass sie uns vermissen werden, weil sie ihr Nähgarn nicht mehr kaufen können. Aber wir sagen dann auch ganz offen: Wer nur sein Nähgarn bei uns gekauft hat, die Kaffeemaschine aber im Internet, hilft einem Warenhaus wie unserem nicht.

Die von Ihnen genannte Stärke eines Warenhauses ist offenbar immer seltener gefragt. Man hört von vielen Kaufhausschließungen. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche?

Im Vergleich zu großen Schlachtschiffen haben wir natürlich noch eine gewisse Alleinstellung. Sei es über den persönlichen Kundenkontakt oder das besondere Angebot. Aber insgesamt wird die Lage des Einzelhandels immer schwieriger – nicht zuletzt durch den Online-Handel. Gerade in Meinerzhagen, wo man sonst vielleicht nicht so viel bekommt und man immer irgendwo hinfahren müsste, ist die Versuchung sicher sehr groß, im Internet zu bestellen. Das hat uns als Kaufhaus natürlich zunehmend Schwierigkeiten gemacht.

Blick ins Obergeschoss: Hier waren Haushalts- und Spielwaren zu finden.
Blick ins Obergeschoss: Hier waren Haushalts- und Spielwaren zu finden. © Zacharias, Frank

Gibt es aber vielleicht auch andere Gründe für den Niedergang des Einzelhandels in den Stadtzentren? Trifft auch die Händler eine Mitschuld?

Als Einzelhändler sollte man ja immer versuchen, den Kunden ihre Wünsche zu erfüllen. Tatsächlich sehe ich aber die immer geforderte Digitalisierung des Angebots nicht nur als Vorteil. Denn dann hätte ich ein zweites Standbein, das gepflegt werden muss. Das Problem ist aber allgemein, dass viele Innenstädte an Attraktivität verlieren, weil es immer weniger individuell geführte Geschäfte und immer mehr Handelsketten gibt. Um die Innenstädte attraktiv zu halten, ist der richtige Mix aus Gastronomie und Einzelhandel wichtig. Sich zu treffen, sehen und gesehen zu werden, ein Pläuschchen zu halten – das ist das, was den Unterschied zum Internet-Einkauf ausmacht.

Aber Hand aufs Herz: Haben nicht auch Sie schon mal online eingekauft?

So gut wie nie. Alleine durch meinen Job achte ich schon darauf, im stationären Einzelhandel einzukaufen. Und ich muss sagen: Ich habe da auch keine Lust zu... Das ist nicht meins. Das einzige Mal, dass ich mir ein T-Shirt im Internet bestellt habe, war anlässlich der Hochzeit meines Sohnes in Südafrika. Hier war tiefster Winter und ich konnte kein T-Shirt finden...

Bei der Ankündigung, die Niederlassung in Meinerzhagen zu schließen, äußerten Sie auch Ihr Bedauern für die Mitarbeiterinnen. Wäre eine Weiterbeschäftigung im Stammhaus in Witten möglich gewesen?

Natürlich! Das hätten wir gemacht, aber das ist für die Mitarbeiter unrealistisch, weil einfach zu weit weg – erst recht durch die gesperrte Brücke. Wenn die Leute dann am Tag drei Stunden mit dem Auto unterwegs sind, um in Witten sechs Stunden zu arbeiten, macht das keinen Sinn. Und die Anbindung mit der Bahn nach Witten ist ebenfalls eine Katastrophe: Wir haben das mit einer Auszubildenden vor einigen Jahren mal ausprobiert, aber das war eine Himmelfahrt...

Wissen Sie um die Zukunft Ihrer Meinerzhagener Mitarbeiterinnen?

Zwei haben einen neuen Arbeitgeber, eine möchte umschulen, einige gehen in den Ruhestand. Aber insgesamt ist das für alle, glaube ich, auch eine sehr emotionale Angelegenheit. Wir waren jetzt seit mehr als 50 Jahren hier – da ist das schon sehr komisch für alle. Aber: Irgendwann muss man, wenn man merkt, es geht nicht mehr, einen Schlussstrich ziehen.

Haben Sie denn in den vergangenen Monaten auch Rückmeldungen von Kunden zur Schließung bekommen?

Oh ja. Ich wurde hier im Laden angesprochen oder auch angerufen. Jemand wollte sogar Geld sammeln, um Gassmann im Ort zu halten. Das fand ich sehr rührend. Aber: Es gab ja diverse Gründe, die zu diesem Entschluss geführt haben.

Welche waren das?

Wir haben hier leider jahrelang mit Verlust gearbeitet. Und zu der Entscheidung trug auch mein Alter bei: Meine beiden Kinder haben sich für etwas ganz anderes entschieden, sodass ich auch keinen Nachfolger in der Familie habe.

Was bedeutet das denn für die anderen Häuser in Witten und Essen-Überruhr?

Wenn es so weit ist, werde versuchen, die an einen Kollegen zu übergeben. Diese beiden Häuser werden mit Erfolg betrieben, sodass ich die Hoffnung habe, dass das gelingt. Insbesondere für die Mitarbeiter und Stammkunden würde ich mir natürlich wünschen, dass es an den anderen Standorten weitergeht. Auch da sind viele seit Jahrzehnten dabei. Und wenn man sieht, wie viele 30- oder sogar 40-jährige Jubiläen wir schon mit unseren Mitarbeitern feiern konnten, dann kann es mit uns als Arbeitgeber nicht so schlimm sein....(lacht)

Sie gehören seit den 1980er-Jahren der Geschäftsführung an, haben viele Wendepunkte im Einzelhandel erlebt. An welche können sie sich erinnern?

Der Handel lebt von einem ständigen Strukturwandel, wenn ich auch sagen muss, dass der Wandel, den wir jetzt haben, der extremste in meiner Laufbahn ist. Mal waren die Einkaufszentren auf der grünen Wiese der große Hit, dann wunderte man sich, dass die Innenstädte ausstarben. Dann kamen plötzlich Innenstadt-Center, von denen man sich erhofft hat, dass es lauter neue Geschäfte in der Innenstadt gibt. Das passierte natürlich nicht, sondern die Geschäfte ziehen nur um.

Das Thema dürfte künftig ja auch in Meinerzhagen interessant sein, wenn an der Stadthalle ein Einzelhandelszentrum entstehen soll...

Das wird so ähnlich sein wie an allen Standorten, die ich bislang kenne. Wenn dort so ein Zentrum eröffnet wird, bluten die anderen Straßen noch mehr aus, weil viele Geschäfte, die Räume gemietet haben, alle umziehen. Das erleben wir derzeit auch in Witten.

Jetzt endet das Kapitel Meinerzhagen für Gassmann. Was würden Sie sich in Zukunft für die Räume, die Sie jetzt verlassen, wünschen?

Die Kunden sagen immer: „Am liebsten so etwas wie Gassmann!“ Aber ganz klar ist der Bedarf an Textil- und Haushaltswarengeschäften groß. Davon gibt es einfach zu wenige in Meinerzhagen.

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