In der Awo-Kindertagesstätte steht das Telefon in diesen Tagen nur selten still, wie Leiterin Sabine Fernholz sagt. Immer wieder rufen Eltern an und melden ihre Kinder ab, weil sie sich erkältet haben oder auch Erzieherinnen, die sich krank melden. „Ganz viele sind erkältet“, sagt Sabine Fernholz. Das einzig Gute an der Situation, die vergangene Woche begann, ist, dass so viele Kinder krank sind, dass die übrigen Erzieherinnen reichen, um eine normale Betreuung zu gewährleisten. Eine Notbetreuung sei bis jetzt nicht nötig gewesen, sagt die Leitung und ist froh.
Auf Anfrage unserer Zeitung informierte Dr. Norbert Jacobs, Kommissarischer Pressesprecher der Märkischen Kliniken, über die aktuelle Situation auf der Lüdenscheider Kinderstation. „Auf der Intensivstation sind wir, vergleichbar mit anderen Kinderkliniken, ziemlich am Anschlag. Auch auf der Allgemeinstation ist die Situation angespannt. Wir können aber jedes stationär aufgenommene Kind adäquat versorgen“, so Jacobs. Betroffen seien vor allem Kinder von null bis zehn Jahren, vornehmlich aber Säuglinge und Kleinkinder. Die schwersten Krankheitsverläufe würden bei Säuglingen in den ersten sechs Monaten beobachtet. Die Frage nach einem Notfallplan beantwortet Jacobs wie folgt: „Wir nutzen alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen – also Kinderpflegefachkräfte, Räume und Gerätschaften – um unseren Kindern eine bestmögliche Versorgung zu bieten.“
Obwohl es keine Corona-Schutzverordnung mehr gibt, die vorschreibt, dass Kinder bei ersten Corona-Symptomen Zuhause bleiben sollten, agieren die Eltern sehr verantwortungsvoll und sensibel, wie Sabine Fernholz sagt. Klar, sagt sie auch, dass nicht alle Eltern, gerade die Alleinerziehenden, es schaffen, ihre kranken Kinder Zuhause zu betreuen, aber die meisten finden bisher Lösungen auch zum Ende des laufendes Jahres.
Ähnliches berichtet Petra Oetje-Weber aus der Evangelischen Kita am Inselweg. In ihrer Einrichtung geht es derzeit wieder bergauf. Mit Blick auf die vergangene Woche aber muss auch die Leiterin sagen, dass es sehr knapp war. Auch sie kam an einer Notbetreuung gerade so vorbei, weil die Erzieherinnen-Anzahl für die zu betreuenden Kinder reichte. Auch am Inselweg bleiben die meisten Kinder der Einrichtung direkt fern, wenn die Eltern Symptome feststellen. „Die Eltern sagen sofort Bescheid und sind sehr verständnisvoll“, sagen sie. Die Kita ist es indes auch. Wie Petra Oetje-Weber sagt, überrascht es niemanden, dass derzeit alle krank sind und sich die Kinder mit nahezu jedem Virus infizieren, das derzeit unterwegs ist. Nach zwei Jahren Pandemie muss sich das Immunsystem erst wieder aufbauen, weiß die Erzieherin. Ohnehin baut sich das Immunsystem der Kinder erst in der Kita wirklich auf. Jetzt, sagt sie, ist auch in Ordnung, wenn die Kinder nicht mit jedem Schnupfen Zuhause bleiben, wenn sie sonst fit sind. getreu den Motto: da muss man jetzt durch. Denn am Ende sei man froh, dass wieder alles ohne Beschränkungen in der Kita stattfinden kann. „Es ist wichtig, dass die Kinder wieder zu uns kommen“, sagt die Leiterin.
Die letzte Notgruppe gab es in der Evangelischen Kita in Valbert im Herbst, erzählt Simona Busch-Brock. Von zwölf Erzieherinnen waren nur noch vier da. Jetzt halten sich die kranken Kinder und Erzieherinnen die Waage, so dass man die Betreuung stemmen kann. Trotzdem: „Nach Corona sind alle so anfällig“, stellt auch die Leiterin fest, die mitten in der Corona-Pandemie die Leitung der Kita übernommen hat. Corona hat in den Kitas derzeit niemand. Stattdessen Husten, Schnupfen und auch Magen-Darm Erkrankungen. Infektionen mit dem RS-Virus sind jedoch nicht bekannt. Ja, man schafft auch diese Situationen. Mit Mitarbeitern, die flexibel sind und Dienste tauschen und Überstunden machen. „Ich weiß nicht, wann das Team das letzte Mal komplett war“, sagt die Leiterin.
Ob nun aber wirklich Corona-Maßnahmen die Immunsysteme der Kinder geschwächt haben? Ja, sagen Expertinnen und Experten. Laut Robert Koch-Institut (RKI) wurden vor der Pandemie pro Woche durchschnittlich 60 bis 70 Kinder zwischen ein und vier Jahren wegen schwerer Atemwegsinfekten in Kliniken eingewiesen. Aktuell sind es doppelt so viele.