Hilfe kommt mit Lkw: Nicht die letzte Fahrt in die Ukraine

„Die Menschen wirkten zermürbt und müde.“ So schildert Wolfgang Sikora seinen Eindruck nach seinem Besuch im ukrainischen Rachiv. Ein großer Teil der Hilfsgüter aus Meinerzhagen wurde am Wochenende hierher geliefert. Zurück kehrten die Helfer erneut mit ernüchternden Eindrücken und der Gewissheit, nicht das letzte Mal hierher gefahren zu sein.
Meinerzhagen – Dass der fünfte Konvoi etwas mehr als ein Jahr nach Beginn der Angriffe gegen die Ukraine noch großer sein würde, als die Hilfstransporte zuvor, hätte Initiator Thomas Arens zunächst kaum für möglich gehalten. Nur weil die Spenden- und Hilfsbereitschaft von Firmen ebenso wie von Privatpersonen nicht nachlasse, sei eine Hilfsaktion in diesem Rahmen möglich, betont er und richtet daher seinen Dank an alle Unterstützer.
Helfer in Rumänien bringen Spenden in die Ukraine
Inzwischen haben Thomas Arens und seine Helfer enge Kontakte in den rumänischen Ort Baia Mare in Rumänien. Die Mitglieder der Gemeinde Centrul Crestin iBelieve haben hier, wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, ein Hilfszentrum aufgebaut. Sie helfen den hier ankommenden Flüchtlingen und bringen Spenden über die Grenze in die Ukraine.
Auf die Frage aus Deutschland, was am dringendsten benötigt wird, lautete die Antwort kurz und knapp: „Alles!“.
Um die Helfer in Rumänien bei ihrer Arbeit zu entlasten, konzentrierte sich die Hilfslieferung dieses Mal vor allem auf fertig gepackte Lebensmittelpakete. Seitens der Bevölkerung seien hier 170 fertig gepackte Pakete gespendet worden, weitere 360 wurden von Arens und seinen Helfern zusammengestellt. „Dass uns die Firma Bender und Wirth hierfür ihre Räume zur Verfügung gestellt hat, dafür sind wir enorm dankbar“, berichtet Arens.
Fahrt der ungeahnten Schwierigkeiten
Beladen mit Lebensmitteln, Kindernahrung, Decken, Generatoren – alleine acht spendeten Lars und Stefanie Jansen, die auch den Konvoi begleiteten – , Medikamente im Wert von 3000 Euro, Kleidung und Spielsachen machten sich die insgesamt sechs Fahrzeuge am vergangenen Wochenende auf den Weg. Das Fahrerteam neben Thomas Arens dieses Mal Eyleen Jung, Fred Menge, Marc Schulte, Pascal Freyer, Wolfgang Sikora, Sven Grüber, Michael Schröder, Bernd Kayser, Markus Hoppe sowie Lars und Stefanie Jansen.
Dass die fünfte Fahrt zugleich zur abenteuerlichsten Tour wurde, ist unter anderem einem defekten Lkw – wie sich herausstellte „nur“ eine lockere Schraube – und der Bürokratie zu verdanken. Weil lediglich die Kopie eines Fahrzeugscheins vorlag, hätte man den Schengenraum fast nicht verlassen dürfen. Auch die Rückreise verlief später angesichts weiterer ungeahnter bürokratischer Hürden an der ukrainischen Grenze nicht reibungslos. „Eyleen erwies sich hier als unsere Chefdiplomatin“, so die Helfer.
In Baia Mare wurde zum einen das sich an neuer Stelle befindliche Hilfszentrum angesteuert, zum anderen zwei weitere Ladestellen, von wo aus die Hilfsgüter in die ukrainische Frontregion bei Bachmut und nach Rachiv gebracht werden sollten. Weitere Hilfsgüter sollten bis Kiew gebracht werden.
Bereits im November brachten Wolfgang Sikora, Fred Menge und Eyleen Jung die Hilfsgüter direkt nach Rachiv. Jetzt fuhren sie mit zwei Fahrzeugen erneut in die Ukraine. Vor Ort in Rachiv erlebten sie, dass sich die Situation verändert hatte: „Es sind noch mehr Flüchtlinge geworden, die hierher, in den ländlich gelegenen Ort kommen“, berichtet Eyleen Jung. Etwa 250 bis 300 Menschen würden wöchentlich nach Rachiv kommen. Manche bleiben, für andere geht es weiter. Die Flüchtlinge, die in Rachiv – ein Ort, etwa so groß wie Valbert – bleiben, würden in den meisten Fällen privat aufgenommen. Dass viele von ihnen Redebedarf haben, sei ihr bei der Verteilung der Lebensmittelpakete aufgefallen, erzählt Eyleen Jung. Eine Frau habe ihr ein Video ihrer Kinder gezeigt, wie sie ihren Vater nach einem Jahr zum ersten Mal wieder in die Arme schließen konnten. „Eine andere Frau fiel mir auf, weil sie so glücklich aussah. Warum, entdeckte ich dann: Ihr Mann hatte Heimaturlaub und war nach Rachiv gekommen, um sie zu besuchen.“ Der Fronturlaub ihrer Männer sei ein Grund, warum viele Frauen die Ukraine nicht verlassen. „Manche fahren dann für diese Zeit auch nach Hause.“
Ungewissheit und Sorge
Die Ungewissheit und die Sorge teilen alle. Viele seien hin- und hergerissen, wissen nicht, was sie machen sollen, schildert Wolfgang Sikora seine Eindrücke. Eine Gewissheit hätten alle: „Keiner glaubt, dass der Krieg nächste Woche zu Ende sein wird.“ Diese Stimmung sei auch beim Verteilen der Lebensmittel zu spüren gewesen. „Sie waren fertig.“
Auffallend sei zudem gewesen, dass sich viele unbegleitete Kinder in Rachiv aufhalten. Nur ein Beispiel: Der Pfarrer der dortigen Gemeinde hatte im November zwei Kinder aufgenommen, mittlerweile seien es vier. Auffallend sei zudem die große Anzahl weiblicher Soldaten gewesen.
„Es bringt einen auf den Boden zurück“, so beschreiben Marc Schulte, Sven Grüber und Pascal Freyer ihre Eindrücke. Sie begleiteten den Hilfskonvoi aus Meinerzhagen zum ersten Mal. Nicht nur, dass man sich angesichts der örtlichen Strukturen um Jahrhunderte zurückversetzt gefühlt habe – „uns wurde klar, wie nah der Krieg ist.“ Durch die wechselnden Fahrer ergebe sich ein Vorteil, meint Thomas Arens: „Die Aktion wird so zum Schneeballsystem und immer präsenter.“ Eine erneute Fahrt wird daher schon jetzt für Mitte Juli geplant. Eine Pause kommt für die Helfer nicht in Frage: „Der Krieg macht auch keine Pause.“
Spenden
Spenden können an die katholische Kirchengemeinde oder das Lions-Hilfswerk gerichtet werden. Wer die nächste Aktion unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende auf das Konto: Lions-Hilfswerk e.V., IBAN DE80458516650000075713, BIC WELADED1KMZ, Sparkasse Kierspe-Meinerzhagen. Auch auf das Konto der katholischen Kirchengemeinde kann eingezahlt werden. Konto der Pfarrei St. Maria Immaculata mit der IBAN: DE 61 3606 0295 0016 9100 15, Stichwort „Ukraine-Spende“.