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Prozess gegen Kiersperin: Gutachter stellt Spielsucht fest

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Von: Thomas Krumm

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Glücksspiel und Suchtgefahr
Einer 47-jährigen Frau aus Kierspe wird Bilanzfälschung vorgeworfen. Hintergrund war offenbar eine Spielsucht. (Symbolfoto) © Klaus-Dietmar Gabbert

Neue Details im Strafverfahren gegen eine 47-jährige Unternehmerin aus Kierspe kamen jetzt vor dem Landgericht in Hagen zum Vorschein.

Kierspe – Nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen ihren Mann muss Kiersperin das Finale ihres Steuerstrafprozesses auf der Anklagebank allein bestreiten. Der psychiatrische Sachverständige Dr. Ulrich Kemper hatte die Angeklagte untersucht. Vor Gericht schilderte er die Symptome einer pathologischen Spielsucht. Diese soll die Angeklagte zum Griff in Kassen veranlasst haben, in denen sich Gelder für die Begleichung fälliger Umsatzsteuern befanden.

Das Unglück der Angeklagten begann offenbar mit einem Traum und paradoxerweise einem Gewinn: „Sie hat geträumt, dass sie 90.000 Euro gewonnen hätte.“ Einen Tag später gewann sie bei einem Online-Glücksspiel tatsächlich 60 000 Euro.“ Das schnelle Geld hatte fatale Folgen: Innerhalb von zwei bis drei Wochen war es bei nächtlichen Online-Poker-Spielen auf den Seiten von illegalen Glücksspielanbietern wieder verloren.

Vorwurf: Buchhaltung manipuliert

Um die Glücksspiele finanzieren zu können, habe die Angeklagte Rechnungen und Kontoauszüge manipuliert und ihre Buchhaltung entsprechend angepasst. Erst der Vorwurf angeblicher Schwarzarbeit, der auch gegen sie nicht mehr erhoben wird, führte zu einer Betriebsprüfung und einer Strafanzeige. Dabei sicherte der Zoll auch Dokumente, die die Manipulationen der Angeklagten belegen sollen.

Spielen als Flucht vor Druck

Was löste ihre Spielsucht aus? Der Sachverständige sieht die hohe Belastung durch Menschen in ihrer Umgebung, um die sie sich kümmern musste, als einen Grund. Dazu kam die Verantwortung für das Unternehmen. Das „Spielen“ sei für sie ein Mittel gewesen, um der Belastung vorübergehend zu entkommen. „Letztlich ist der ganze Betrieb durch das Glücksspiel zu Schaden gekommen.“

Die Auswirkungen des Befundes auf das Urteil werden sich wohl in Grenzen halten. Die einfache Diagnose „pathologisches Glücksspiel“ reiche für die Feststellung einer eingeschränkten oder aufgehobenen Steuerungsfähigkeit nicht aus, erklärte der Gutachter. Dafür müsse die Spielsucht „eine gewisse Schwere“ erreicht haben. Etwa eine fortschreitende Entwicklung, bei der immer mehr Zeit in das Zocken investiert wird, ein „Gezwungensein“, bei der „es keine Freude mehr macht zu spielen“, eine „starke seelische Angespanntheit und Nervosität“, wenn nicht gespielt wird.

Vieles davon sei bei der Angeklagten der Fall gewesen. Ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei dadurch aber nicht entscheidend beeinträchtigt gewesen. Dafür spreche auch ihr Vorgehen: „Ein lang anhaltendes Tatgeschehen, ein komplexer Tatablauf in Etappen, die Vorsorge gegen Entdeckung“ – kurz: „ein zeitaufwendiges, zielgerichtetes Handeln“ bei dem, was der Gutachter als „Beschaffungskriminalität“ bezeichnete. Trotz ihrer strafrechtlichen Verantwortung sei die 47-Jährige behandlungsbedürftig. Doch das müsse sie wollen.

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