„Bevor die eigentliche Arbeit begann, sind wir mit Ricardo Villacis durch den Ort gefahren, haben uns Gebäude wie den Wienhagener Turm oder die Margarethenkirche angeschaut, waren im Museum und haben ihm historische Fotos der Stadt gezeigt“, erinnert sich Reppel an die Vorbereitungen. Letztlich traf dann der Künstler die Entscheidung, was sich an den Bäumen wiederfinden sollte und an welcher Stelle.
Im Grunde gibt es nun zwei nebeneinanderstehende Kunstwerke. Während das linke Werk den Namen „Kiersper Blickpunkte“ trägt, dreht sich bei dem rechten –fast – alles um den Heimatdichter Fitz Linde. Dieser ist beim Dengeln seiner Sense abgebildet – mit dem Blick auf seine alte Arbeitsstelle, die Firma Dr. Deisting. Dort kamen ihm, so ist es in der Biografie nachzulesen, viele Ideen für seine Geschichten.
Über dem Heimatdichter findet sich eine Büchertreppe und fast ganz oben hat der Rabe seinen Platz gefunden.
Auf dem danebenliegenden Stamm ist der Rauk auch vertreten, dort als Teil des Kiersper Wappens, das sich ebenfalls fast ganz oben befindet, nur der – bislang – typische Fichtenwald ist noch ein bisschen weiter oben. Darunter dann das, was Kierspe ausmacht und ausgemacht hat: die Margarethenkirche, der Afrikaspaten, die Brennerei Rönsahl, die Schanhollen, ein Bakelittelefon, die Ölmühle und der Wienhagener Turm. Als eine eher neue Attraktion der mehr als 1000 Jahre alten Stadt ist die Fußballgolfanlage abgebildet, die ebenfalls auf Initiative des Stadtmarketingvereins entstanden ist.
Um an den mehr als sieben Meter hohen Bäumen mit den motorbetriebenen Sägen arbeiten zu können, musste erst einmal ein Gerüst aufgestellt werden. Die Firma Matschulat hatte das übernommen und war dem Stadtmarketing bei den Kosten sehr entgegengekommen. Doch auch mit diesem Rabatt wird es für den Kiersper Verein noch teuer genug, trotz der Unterstützung aus dem Leader-Programm, in dem das Kunstwerk als Kleinprojekt geführt wird. Wie viel letztlich zu bezahlen sein wird, weiß noch niemand in dem Verein, da noch keine Rechnungen vorliegen – „aber es wird wohl ein hoher vierstelliger Betrag werden“, vermutet Reppel
Da kamm es den Vereinsmitgliedern gerade recht, dass das Gerüst nach Abschluss der Arbeiten noch stand. Denn so konnte die erste konservierende Ölschicht ohne weiteren technischen Aufwand aufgebracht werden. Das Owatrol-Öl ist dreimal flüssiger als Wasser und zieht schnell ins Holz ein. Die Holztiefengrundierung soll ein Ergrauen des Holzes verhindern und auch Pilz- oder Algenbewuchs verhindern. Reppel: „Im kommenden Jahr muss erneut angestrichen werden. Ob das mit einer Leiter möglich ist oder wir einen Hubwagen leihen müssen, wissen wir noch nicht. Klar ist aber, dass das Öl jedes Jahr aufgetragen werden muss. Dafür werden dann auch immer wieder Kosten fällig.“
Doch daran will das Mitglied des Vereinsvorstands erst mal nicht denken, sondern sich vielmehr an dem neuen Blickfang nahe der Hauptverkehrsstraße erfreuen.
Ricardo Villacis ist in Ecuador aufgewachsen und lebt seit rund 25 Jahren in Süddeutschland, wo er anfangs als Holzschnitzer tätig war. Als er durch Zufall bei einem Aussteller die Kettensägekunst entdeckte. Mit dem Wissen, durch diese Art der Bearbeitung viel größere Werke schaffen zu können, verlegte er sich fortan auf diese Form der Bildhauerei. In naher Zukunft zieht Villacis vom Bodensee nach Thüringen, wo er sich – mit mittlerweile 69 Jahren – vor allem der künstlerischen Arbeit widmen will, für die bislang keine Zeit war. Auftragsarbeiten wird es dann nicht mehr geben. Somit könnte das Werk in Kierspe eines der letzten des Vizeweltmeisters in der Kettensägekunst sein.