Und nun wird ein neues Kapitel aufgeschlagen in der Geschichte des jungen Unternehmens: Tiny Houses zum Wohnen sollen es sein. Zu dem Schritt haben sich Lisa und Timo Gelzhäuser entschlossen, weil sich die Anfragen nach bewohnbaren Minihäusern deutlich verstärkt hatten. „Es ist in der Tat so, dass die Leute ganz gezielt anfragen, weil sie bislang zum Beispiel 150 Quadratmeter bewohnen und sich nun verkleinern möchten“, erklärt Timo Gelzhäuser.
Ein erster Prototyp der neuen Häuschen steht inzwischen in Belkenscheid. Schicke azurgraue Holzfassade aus Lärchenholz, drinnen alles aus heimischer Fichte, große Fenster und ein Satteldach – all das zeichnet das kleine Gebäude aus. Aber so muss es natürlich nicht aussehen, denn die Geschwister legen großen Wert auf maximale Flexibilität. Satteldach, Pultdach, Flachdach (sogar mit Terrasse oder Dachgarten ist realisierbar) – alles ist möglich und bereits konstruiert. Ebenso verhält es sich mit der Größe, auch hier setzt das Duo, das von weiteren sechs Leuten unterstützt wird, auf Flexibilität. Mithilfe eines Online-Konfigurators können sich potenzielle zukünftige Hausbesitzer ihr ganz persönliches Häuschen zusammenstellen. Wo sollen die Fenster hin, wie breit soll die Tür sein? All das kann im Vorfeld geklärt werden.
Immer im Blick der Gelzhäuser-Geschwister: Alles soll so nachhaltig und ökologisch wie möglich sein. So stammt das Holz für den Prototyp aus dem Belkenscheider Wald. Und auch die Barrierefreiheit spielt inzwischen eine große Rolle. Im Prototypen muss man derzeit noch eine Schwelle übersteigen. Die soll demnächst aber verschwinden und die Einfahrt mit dem Rollstuhl somit möglich werden.
Auf dem etwa 20 Quadratmeter großen Grundmodul lässt sich direkt ein Flachdach realisieren oder auch eine zweite Etage aufstocken. Dann komme zum Beispiel ein Satteldach in Frage. Oben könnte Raum zum Schlafen sein. Für weitere oder auch eine ganz andere Planung ist man aber offen. Möglich ist eben, wie bereits erwähnt, auch ein Flachdach mit Dachgarten.
Nach einem guten Jahr Entwicklungszeit steht es nun, das „Organic Tiny House“, wie es offiziell heißt. Die Entwicklung wurde in Kooperation mit der Universität Dortmund vorangetrieben als ein teilfinanziertes Forschungsprojekt des NRW-Umweltministeriums. Im Mai dieses Jahres wurde Richtfest gefeiert, inzwischen kann das Häuschen in Belkenscheid besichtigt werden.
Lisa und Timo Gelzhäuser ist es dabei besonders wichtig, dass die Planung eines Tiny Houses ganz nach den individuellen finanziellen Möglichkeiten ausgerichtet werden kann. Wer eben kein schlüsselfertiges Gebäude finanzieren will, der verlässt sich beispielsweise aufs eigene handwerkliche Können und spart damit Geld. Und wer sich für das Thema Upcycling interessiert, ist bei den Geschwistern willkommen. „Warum sollte man einen guten alten Boden nicht einfach in ein neues Haus integrieren“, sagt Timo Gelzhäuser, „das spart Geld und vor allem Ressourcen.“ Gleiches gelte für Dach, Fassade, Fenster und weiteres mehr.
Im Fokus für den Grundaufbau mit Ständerwerk und Beplankung: Kalamitätsholz, das verwendet wird. Was für die nächsten zwei Jahre noch aus Belkenscheid stammt, wird in Zukunft auch zugekauft, immer möglichst regional. Das Holz des Prototypen des bewohnbaren Tiny-House stammt aus dem Belkenscheider Wald, der Boden ist aus Eiche gefertigt, die ebenfalls aus dem Sauerland stammt, von einem Forstbetrieb.
Ein einzelnes Hausmodul kann in einer maximalen Länge von 8 Metern und einer maximalen Breite von 3,5 Metern gebaut und transportiert werden. Wie lang und breit es dann tatsächlich werden soll, können die zukünftigen Besitzer selbst bestimmen. Das ist besonders interessant, wenn das neue Gebäude in eine Baulücke gesetzt oder ein schon vorhandenes Gebäude aufgestockt werden soll. Die Module werden komplett innerhalb von sechs Wochen bei einem Partnerbetrieb gefertigt, und zwar bei der Zimmerei Zultner in Hückeswagen. Durch die Fertigung in einer Halle spielt die Witterung keine Rolle. Die Firma Zultner verfügt über eine langjährige Erfahrung im Bau von Holzhäusern. Der Bau wird zudem überwacht. Die Wohnmodule werden per Lkw zum Zielort transportiert und innerhalb von einem Tag per Kran aufgebaut. Am nächsten Tag schon kann man einziehen. Im Nachhinein kann der Wohnraum durch das Andocken eines weiteren Moduls erweitert werden. Und wer plötzlich lieber woanders wohnen möchte? Auch das ist kein Problem. Die Module können auf einen Lkw geladen und einfach an einen neuen Standort transportiert werden.
Lisa und Timo Gelhäuser denken weiter, aber stets regional. So stammen die Dächer für die Häuser aus Meinerzhagen, die zugekauften Fenster aus Altenkirchen , die notwendigen Stahlbauteile aus Kierspe und jedwedes zugekaufte Holz aus dem Sauerland. Dass die Häuser baugenehmigungskonform entwickelt werden, ist dabei nur logisch. Alle Häuser besitzen eine eigene Dokumentation mit einer entsprechenden Materialdatenbank. Was für den Moment eher vernachlässigbar scheint, wird für kommenden Generationen interessant: Das komplette Gebäude wird nur verschraubt (es wird bis auf Fenster und Türen nichts verleimt) und besteht zu annähernd 100 Prozent aus ökologisch sinnvollen Materialien. Im Klartext: Hat das Haus ausgedient, kann das Material durch sogenanntes Urban Mining in die Kreislaufwirtschaft zurückfließen. „Cradle to cradle, von der Wiege zur Wiege“, wie Lisa und Timo Gelzhäuser betonen.
Im Einsatz in Belkenscheid ist seit kurzer Zeit ein Roboter, der die Holzteile für die Wände mit den entsprechenden Sägeschnitten und Bohrungen versieht. „Wir hoffen mit dem Gerät deutlich schneller werden zu können“, blicken Lisa und Timo Gelzhäuser in die Zukunft. Ihr eigenes Sägewerk fertigt aus den Bäumen die entsprechenden Bretter und Balken, die selbstverständlich CE-zertifiziert werden, um überhaupt im Bau eingesetzt werden zu dürfen.
Dass die Tiny-House-Bauer bereits viel Erfahrung gemacht haben, zeigt ein Beispiel aus Baden-Württemberg. Dort wurde ein Waldkindergarten realisiert, der annähernd autark ist in der Ver- und Entsorgung.
Neben dem Bau der neuen Organic Tiny Houses und der bislang schon im Angebot befindlichen Tiny Houses für den Garten, haben sich die Geschwister weitere Nischen erarbeitet. So gibt es aus Belkenscheid Hochbeete, Saunen, Hundehütten, Paketboxen und mehr.
Das Team hatte 2021 das Glück, den Zuschlag für die Projektförderung der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen zu erhalten. Begleitet wurde das Team durch das Forschungszentrum Jülich. Im Projektzeitraum von Juni 2021 bis Mai 2022 wurde gemeinsam das Organic Tiny House (OTH) entwickelt: Ziel war es, Organic Tiny Houses aus nachwachsenden Rohstoffen anzufertigen, die in Modulbauweise gebaut werden und zur individuellen Anpassung der Gebäudemaße, Dachform und weiterer Details online konfigurierbar sind. Dies wurde in Zusammenarbeit mit der IT-Firma Camalot und dem Institut für Baumechanik, Statik und Dynamik der TU Dortmund realisiert. Das Projekt war überaus erfolgreich, der angestrebte Prototyp des Organic Tiny House wurde in enger Zusammenarbeit mit der Zimmerei Zultner in Hückeswagen gebaut. In Absprache mit dem Belkenscheider Team und der TU Dortmund wurden die Organic Tiny Houses in Hückeswagen baulich weiter optimiert und ein als Prototyp im Gelzhäuser Forst bei Kierspe aufgestellt. Quelle: www.gelzhaeuser-forst.de
Momentan spielt auch etwas anderes eine große Rolle, denn das Unternehmen soll auch für die zukünftigen Generationen gesichert werden. So experimentiert man mit der so wichtigen Wiederaufforstung. Da müsse man viel lernen und ausprobieren, berichten Lisa und Timo Gelzhäuser. Ganz im Sinne ihrer ökologischen Ausrichtung setzen sie auf einen umweltgerechten Einzelschutz (Verbissschutz). „Wir haben beispielsweise mit Vollholz und mit Weide experimentiert“, berichtet Timo Gelzhäuser. „Wir nutzen die Kunststoffhüllen bisher gar nicht.“ Man möchte nicht, wie es bisher Standard ist, Wuchshüllen aus Kunststoff einsetzen. Das Problem dabei: Der Kunststoff verbleibt oft im Wald und zerfällt zu Microplastik.