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Lehrkräfte fehlen: Mangelverwaltung an den Schulen 

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Von: Birgitta Negel-Täuber

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Nicht nur zu wenige Männer, sondern generell zu wenige, klassisch ausgebildete Lehrer stehen den Schulen zur Verfügung.
Nicht nur zu wenige Männer, sondern generell zu wenige, klassisch ausgebildete Lehrer stehen den Schulen zur Verfügung. © Julian Stratenschulte

Wenn von Schule die Rede ist, kommt immer mal wieder eine Metapher aus der Landwirtschaft zum Einsatz: der „Schweinezyklus“. Gemeint ist ein permanentes Missverhältnis von Angebot und Nachfrage. Für das Schulsystem heißt das: Entweder gibt es zu viele Lehrer oder zu wenige, aber passen tut es nie.

Kierspe – Schon seit Jahren klagen die Schulen über Lehrermangel, deutschlandweit, und leider auch in Kierspe. Es gibt Lösungsvorschläge aus der Politik: größere Klassen, weniger Teilzeit und Lehrer, die über die Pensionsgrenze hinaus arbeiten.

Stefanie Fischer, Leiterin der Bismarck- und Servatiusschule hat dafür nur ein Wort: „Unmöglich!“ Denn auch an den Grundschulen ist der gesellschaftliche Wandel längst angekommen und macht die Arbeit für die Lehrer anregend, aber auch anstrengender. Fischer formuliert es positiv: „Kinder sind heute offener und selbstbewusster als früher.“ Sie seien aber auch problembelasteter durch schnelllebige Veränderungen.

So machten sich die Folgen der Schulschließung während der Pandemie immer noch bemerkbar. Auch das Verhältnis der Eltern zur Schule habe sich gewandelt. Kommt es zu Konflikten, würden sie sich zu Wort melden. Die Rektorin kann das nachvollziehen: „Eltern stehen hinter ihren Kindern.“ Elternarbeit nimmt deshalb heute einen größeren Raum im Lehreralltag ein, alles Argumente für mehr Lehrer, die es aber nicht gibt.

Und auch Rektorin Fischer muss an ihrer Schule den Mangel verwalten und tut dies mithilfe von Quereinsteigern. „Bei uns wird mittlerweile die Hälfte aller Lehrerstunden von Seiteneinsteigern gegeben“, sagt sie.

Dieser Sammelbegriff meint alle Lehrer, die nicht die vorgeschriebene Ausbildung mit Lehramtsstudium und anschließendem Referendariat durchlaufen haben. Quereinsteiger verfügen über die nötigen fachlichen Kenntnisse, dagegen fehlt die einschlägige pädagogische Qualifizierung. Die Lehramtsanwärterzeit ist wichtig, das sieht auch Stefanie Fischer so. Aber nicht nur die Rektorin, vor allem die Kinder der Bismarckschule haben Glück.

Denn die auf unvorhergesehenen Wegen in den Schuldienst gelangten Lehrer seien hoch motiviert und engagiert. Mithilfe ihrer erfahrenen Kolleginnen erarbeiteten sie sich das nötige Rüstzeug in Sachen Methodik und Didaktik, gewissermaßen berufsbegleitend und in Eigeninitiative.

Schwierig bleibe die Situation trotzdem, nicht zuletzt, weil Seiteneinsteiger nur befristet eingestellt werden. Unbefriedigend und prekär sind diese Arbeitsverhältnisse für die betroffenen Lehrer, schwierig in der Planung für die Rektorin. Und längst nicht immer reicht es. Dann müssen Doppelbesetzungen gestrichen werden, Förderunterricht und Kleingruppen fallen weg.

Spätestens an diesem Punkt stellt sich die Frage, warum nicht von vorneherein mehr für den Lehrernachwuchs getan wird. Denn lässt man Unwägbarkeiten wie Zuzug durch Flüchtlinge beiseite, lassen sich die Schülerzahlen sehr zuverlässig vorhersehen. Kinder, die in diesem Jahr geboren werden, kommen sechs Jahre später in die Schule. Es könnte so einfach sein.

Auch Stefanie Fischer, Rektorin der Bismarckschule, muss derzeit den Mangel an Lehrkräften verwalten.
Auch Stefanie Fischer, Rektorin der Bismarckschule, muss derzeit den Mangel an Lehrkräften verwalten. © Negel-Täuber

Trotzdem ist der „Numerus clausus“, also der benötigte Notendurchschnitt beim Abitur vergleichsweise hoch. Für Grundschul-Studenten in NRW liegt er aktuell bei 2,3. In Leipzig müssen Studienanfänger sogar einen Notendurchschnitt von 1,8 vorweisen. Das Studium hat sich, auch durch das Praxissemester, verlängert.

Das findet Fischer uneingeschränkt positiv. Die Studenten könnten zu diesem frühen Zeitpunkt noch einmal ihre Entscheidung für den Beruf überprüfen.

Quer durch alle Schularten kommt aber neben dem „Schweinezyklus“ noch eine weitere Redensart aus dem Landleben zum Tragen: „Jede Woche wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben.“ Für die Grundschule nennt Stefanie Fischer beispielhaft den Englischunterricht. Den findet sie „im Kern richtig“.

Aber wann denn nun? Ab der dritten Klasse? Oder doch schon ab der ersten? Der Einfluss von Interessengruppen wirkt ebenfalls auf das Bildungssystem, wie der Wechsel von G9 nach G8 und wieder zurück belegt.

Die Forderung nach einer Verkürzung der Regelschulzeit bis zum Abitur kam aus der Wirtschaft. Die sah für Deutschland Wettbewerbsnachteile: Lange Schul- und Studienzeiten, dazu Wehrpflicht oder Zivildienst sorgten dafür, dass Berufsanfänger in Deutschland mehrere Jahre älter waren als in anderen europäischen Ländern – die Schulzeit wurde verkürzt.

Aber dann fiel die Wehrpflicht weg und die Elternverbände brachten sich in Stellung. G8 bringe keine Vorteile, sondern nur zusätzlichen Stress. Die Politik knickte ein, es gab eine Rolle rückwärts. Auf den Doppeljahrgang von 2013 wird deshalb im Jahr 2026 die „Abi-Lücke“ folgen. Die Gesamtschulen sind davon übrigens nicht betroffen, sie hatten den Wechsel nicht mitgemacht.

Welche Veränderung und welche Lehrer wünscht Stefanie Fischer sich denn nun für ihre Schule? Ganz klar, mehr Männer. „Die sind gut fürs Team.“ Aber Männer werden wohl bis auf Weiteres Mangelware an Grundschulen bleiben.

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