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Auf dem Sprung ins Nationalteam: Inklusion auch am Dartboard

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Von: Frank Zacharias

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Training in jeder freien Minute: Dafür hat sich Dario Gentilcore einen ausrangierten E-Dart-Automaten besorgt. Um beim Paradart erfolgreich zu sein, muss er allerdings mit Steeldarts werfen. Die passende Scheibe hängt in der Küche seiner Mutter Monika Hofmann.
Training in jeder freien Minute: Dafür hat sich Dario Gentilcore einen ausrangierten E-Dart-Automaten besorgt. Um beim Paradart erfolgreich zu sein, muss er allerdings mit Steeldarts werfen. Die passende Scheibe hängt in der Küche seiner Mutter Monika Hofmann. © F. Zacharias

Wenn Dario Gentilcore die Pfeile wirft, müssen sich seine Gegner warm anziehen: Der Dartsport ist für den Kiersper, Spitz- und Kampfname „Frikadelle“, weit mehr als ein Hobby.

Kierspe – Er ist seine Leidenschaft und das, was er am liebsten rund um die Uhr trainieren und perfektionieren würde. Und dass er jede freie Minute dafür nutzt, merken seine Gegner am Dartboard schnell. Was sie nicht so schnell bemerkten: Gentilcore kann sein Hobby nicht so mühelos ausüben wie andere.

Mit depressiven Phasen und einer diagnostizierten leichten Intelligenzminderung sowie weiteren gesundheitlichen Einschränkungen gilt der 34-Jährige als schwerbehindert. Das schränkt ihn ein – hält ihn aber nicht von Topleistungen am Dartboard ab. Und die könnten ihn im Oktober zur Weltmeisterschaft führen – als Mitglied des deutschen Paradart-Nationalteams.

In Großenkneten vor Oldenburg belegte Dario Gentilcore den zweiten Platz.
In Großenkneten vor Oldenburg belegte Dario Gentilcore den zweiten Platz. © Hofmann

Dass es überhaupt eine Wettkampfklasse für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen gibt, war auch Dario Gentilcore lange Zeit gar nicht bekannt. „Davon habe ich erst bei einem Turnier in Gevelsberg im vergangenen Jahr erfahren“, sagt der Kiersper. Für ihn war das Spiel mit und gegen Nichtbehinderte seit Jahren normal: Seit 17 Jahren wirft er die Darts aufs Brett, feierte mit dem Dartclub Sharpshooters aus Drolshagen vor drei Jahren sogar den Aufstieg in die E-Dart-Bundesliga – und spielte dabei die entscheidende Rolle: Mit einer Doppel-Vier zum Abschluss sicherte er seinem Team den Erfolg.

Eine Abgrenzung aufgrund seiner Einschränkungen war dabei nie ein Thema. Und doch war Gentilcore schnell begeistert, als er von der Möglichkeit hörte, in der sogenannten „Compri-Klasse“ des Paradartsports neue Herausforderungen zu finden. Sofort meldete er sich zur Turnierserie an, bei der er gleich oben mitspielte.

„Classics“ und „Compris“

„Compris“ werden dabei jene Dartsportler genannt, die keine körperliche Einschränkung haben, sondern – wie Gentilcore – andere Arten einer Schwerbehinderung aufweisen. „Frikadelle“, der den Spitznamen seit seiner Kindheit aufgrund seiner Vorliebe für die gebratenen Fleischklopse trägt, rangiert in der aktuellen Saison auf dem geteilten vierten Platz und hat damit beste Chancen, bis September unter den ersten zehn Spielern zu sein, die am Ende an der WM teilnehmen dürfen. Obwohl er für die Teilnahme am Paradart auf Steeldarts wechseln musste. Auf die aus Kneipen bekannten E-Dart-Automaten darf nur mit sogenannten Softdarts mit Kunststoffspitzen geworfen werden.

Die Frikadelle ist sein Markenzeichen – und ziert sogar die sogenannten Flyer der Darts von Dario Gentilcore.
Die Frikadelle ist sein Markenzeichen – und ziert sogar die sogenannten Flyer der Darts von Dario Gentilcore. © Zacharias, Frank

Den Stolz über das Erreichte merkt man dem 34-Jährigen an, aber auch seiner Mutter Monika Hofmann, die sich gerne mit jeder freien Sekunde für das Hobby ihres Sohnes einsetzt. Denn jeder Erfolg, jeder Pokal, hat auch eine Geschichte. Und die erzählt nicht von Leichtigkeit, sondern von mancher Hürde in Gentilcores Leben. Inklusion, weiß Hofmann, bedarf nämlich immer wieder ständiger Anstrengung.

„Ich darf gar nicht daran denken, wie wir um die Akzeptanz der Behinderung kämpfen mussten – um die Schule, um einen Arbeitsplatz“, sagt Hofmann. „Ohne meine Mutter könnte ich das alles nicht machen“, ist Dario Gentilcore dankbar für die vielen Fahrten, die Hofmann bis in den hohen Norden oder tiefen Süden Deutschlands übernimmt. Wenn sie ihn dann aber auf einem Podest aufs Board werfen sieht, vom Veranstalter mit Einlaufmusik begrüßt, dann entschädigt das für alles.

Gut gelaunte Gemeinschaft: Gruppenbild des jüngsten Paradart-Turniers im März in Großenkneten vor Oldenburg. Hier belegte Dario Gentilcore (rechts in Aktion) am Ende den zweiten Platz.
Gut gelaunte Gemeinschaft: Gruppenbild des jüngsten Paradart-Turniers im März in Großenkneten vor Oldenburg. © Hofmann

Und wer weiß? Vielleicht trägt „Frikadelle“ bald sogar das Nationaltrikot. Mit einem „Average“, also Punkteschnitt mit drei Pfeilen, von 55 bis 69 ist Dario Gentilcore auf dem besten Weg, die Farben Deutschlands bei der WM nahe Mainz zu vertreten. Vorher geht´s aber nach Spanien: Vom 22. Mai bis 3. Juni tritt der Kiersper beim Costa-Brava-Cup an.

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