Frieden für immer für die deutschen Lande...

KIERSPE ▪ „Frieden für immer für die deutschen Lande – lasst uns knüpfen gutnachbarliche Bande“. Etwas holprig gereimt und Ausdruck eines, auch nach mehr 30 Jahren Trennung, nicht normalisierten Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten steht dieser Spruch des stellvertretenden Vorsitzenden der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands in Meißen, Ludig Rade, im goldenen Buch der Stadt Kierspe. Zu einem privaten Besuch weilte der Politiker Ende der 80er Jahre in Kierspe und durfte sich in das Buch eintragen.
Und da dieses erst 1986 von der Verwaltung gekauft wurde, ist der Eintrag des Ostdeutschen einer der ersten, der sich in dem hunderte Seiten starken Werk findet. Bestellt hatte die Stadt Kierspe das Buch in Italien. Mit schweren Einbänden und in Leder gebunden liegt es seitdem immer wieder auf dem Tisch im Trauzimmer, damit sich Besucher der Stadt dort eintragen können.
Mit den Jahren ist so ein kleines Stück Geschichte dokumentiert worden. Unter anderem eben deutsch-deutsche Geschichte. Denn nicht nur der Blockparteien-Funktionär durfte sich in dem Buch verewigen, sondern auch die Gäste der Feier zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 im PZ. An erster Stelle steht der Gastredner Pfarrer Herwig Schworn, der damals in der Partnergemeinde der Rönsahler Kirchengemeinde im brandenburgischen Fahrland tätig war. Danach folgen drei Seiten Unterschriften der Teilnehmer.
Überhaupt wird das Buch gerne genutzt, um an besondere Ereignisse in der Stadt zu erinnern. So auch an die 1000-Jahr-Feier im Haus Rhade. Auch diesen Anlass nutzten die Besucher der offiziellen Feier, um ihre Anwesenheit mit einer Unterschrift zu dokumentieren.
Die allererste Unterschrift de in dem Buch wurde von dem Leitenden Regierungsdirektor der Bezirksregierung Arnsberg Ulrich Koppe geleistet. Gleich dahinter kommt eine Widmung von Dieter Knipping, der aus Anlass der Einweihung des neuen Rathauses sein früheres und nun vollständig umgebautes Firmengebäude in Augenschein nahm. Die Kosten des Umbaus sind nur zwei Seiten weiter genau aufgeschlüsselt. Sie gehören zu dem Eintrag, der aus Anlass des Besuches des Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr Christoph Zobel in das Buch geschrieben wurde.
Wer sich in dem Buch verewigen darf, wird im Rathaus entschieden. Meist geht dem Eintrag die Anfrage eines Vereins oder einer Partei voraus. So war es auch bei dem populärsten Eintrag den das Buch zu bieten hat – zumindestens sehen es so viele Schüler, die bei ihren Rathaus-Besichtigungen immer mal wieder einen Blick in das goldene Buch werfen. 2006 war der ehemalige Schalke-Manager Rudi Assauer auf Einladung des Schalke-Fanclubs zu Gast. Und der Wahl-Gelsenkirchener freute sich ganz offensichtlich, dass er sich eintragen durfte. „Das ist das erste Mal, dass ich mich in ein goldenes Buch eintrage“, teilte er damals der Meinerzhagener Zeitung mit. Dass die Schüler diesen Eintrag besonders würdigen, mag auch daran liegen, dass viele Besucher, die dort ihren Spuren hinterlassen haben, den jungen Gästen des Rathauses heute nichts mehr sagen. Denn wer kann sich heute noch an Josef Arentz erinnern, der als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag 1997 in Kierspe zu Gast war und später in die RWE-Affäre verstrickt war.
Besser erinnern sich da zumindest Ältere an Friedrich Merz, der als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Kierspe zu Besuch war. Bekanntester Politiker, der sich in das Buch eingetragen hat, dürfte Ministerpräsident Peer Steinbrück sein, der am 20. März 2004 in Kierspe zu Gast war. Allerdings braucht der Leser Vorstellungskraft, denn ein Bild des späteren Bundesfinanzministers fehlt in dem Buch.
Der bislang letzte Eintrag stammt von Norbert Lammert, der als Bundestagspräsident das zweithöchste Amt im Staat begleitet. Er war im vergangenen Jahr im Zuge seiner CDU-Wahlkampfhilfe in Kierspe zu Gast und durfte mit dem Stift hinter dem Buch im Trauzimmer Platz nehmen. Eine Ehre, die ihm, als er aus dem gleichen Grund in Meinerzhagen zu Besuch war, in der Nachbarstadt nicht zuteil wurde. ▪ Johannes Becker