1. come-on.de
  2. Volmetal
  3. Kierspe

Es ist viel zu warm: Meteorologe wertet Daten für Kierspe aus

Erstellt:

Von: Johannes Becker

Kommentare

Im ersten Halbjahr lagen die Durchschnittstemperaturen auch in Kierspe über dem langjährigen Mittelwert. Dazu kam dann auch noch ein deutlich unterdurchschnittlicher Niederschlag in den Monaten Mai und Juni.
Im ersten Halbjahr lagen die Durchschnittstemperaturen auch in Kierspe über dem langjährigen Mittelwert. Dazu kam dann auch noch ein deutlich unterdurchschnittlicher Niederschlag in den Monaten Mai und Juni. © Sven Hoppe

1975 fragte Rudi Carrell in einem Lied danach, „wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“. Er sehnte sich nach einem Sommer, „wie er früher einmal war“. Glaubt man den Klimaforschern, werden wir uns in Zukunft alle nach Sommern sehnen, wie sie früher einmal waren – Sommer mit Regentagen, wolkigem Himmel und gemäßigten Temperaturen. Doch auf solche Entwicklungen weist nichts hin. Wenn man sich das Wetter im ersten Halbjahr dieses Jahres in Kierspe anschaut, wird schnell deutlich – auch 2022 hat gute Chancen, sich in die viel zu warmen Jahre einzureihen.

Kierspe - Marc Thiessenhusen ist im Hauptberuf Lehrer. Doch er ist auch Meteorologe. Hobbymeteorologe, würde mancher sagen. Tatsächlich beobachtet er das Wetter in Kierspe aber schon fast zwei Jahrzehnte und führt akribisch Buch über Temperatur und Niederschlag. Seit Jahren muss er dazu nicht mehr handschriftlich Kladden füllen, sondern kann in seinen Laptop schauen, um zu sehen, an welchem Tag, in welcher Woche und in welchem Monat welches Wetter vorherrschte. Für die Meinerzhagener Zeitung hat er sich nun das erste Halbjahr 2022 noch mal angeschaut.

Was nasser als im langjährigen Mittel begann, wurde dann immer trockener – und auch wärmer.

„Im Januar fielen in Kierspe 151,4 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Damit war es nur etwas nasser als im langjährigen Mittel. Im Februar fielen dagegen 259 Liter Regen pro Quadratmeter. So viel Niederschlag in einem Monat gab es zuletzt im Dezember 2012 mit 263 Litern. Allein am 6. Februar fielen an einem Tag 44 Liter pro Quadratmeter auf die ohnehin schon sehr gesättigten Böden. Es folge ein deutlich zu trockener März mit 28,8 Litern Regen auf den Quadratmeter und ein ungewöhnlich feuchter April mit 107,4 Litern Niederschlag auf den Quadratmeter. Mit Beginn des Vollfrühlings und des Sommers wurde es deutlich zu trocken. Im Mai fielen nur 63 Prozent Regen der üblichen Menge, im Juni mit 28,6 Liter pro Quadratmeter sogar nur 33 Prozent der durchschnittlichen Summe. Im Juli stehen wir nach etwas mehr als der Hälfte des Monats bei 6,6 Litern Niederschlag, das entspricht sechs Prozent des Mittelwertes“, erklärt Thiessenhusen.

Weiter führt der Kiersper aus: „So fielen in Kierspe seit Jahresbeginn 637,4 Liter Niederschlag pro Quadratmeter – im langjährigen Mittel fielen von Januar bis Juli 683 Liter. Auf dem ersten Blick sieht das nach einer ausgeglichenen Niederschlagsbilanz aus – doch der Schein trügt: Seit Beginn der Vegetationsperiode ist es deutlich zu trocken, daran ändern auch die beiden sehr nassen Monate zu Beginn des Jahres nichts. Folglich sind bei uns nicht nur die Oberböden, sondern auch die tieferen Bodenschichten von einer starken Trockenheit betroffen. Die oberen Bodenschichten sind nahezu komplett ausgetrocknet. Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung bezeichnet die Feuchtigkeitssituation in den Kiersper Böden als extreme Dürre. Die Volme am Kiersper Messpunkt des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz wies am am 17. Juli noch einen Pegelstand von 6,5 Zentimetern auf – und liegt damit unter der mittleren Niedrigwassermarke.“

Die Temperaturen, so Thiessenhusen, hätten sich in diesem Jahr bisher deutlich über den langjährigen Mittelwerten seit Beginn seiner privaten Aufzeichnungen im Jahr 2005 bewegt. In den beiden Wintermonaten hätten die Temperaturen über dem Durchschnitt gelegen. „Im Januar lag die Durchschnittstemperatur in Kierspe bei 2 Grad Celsius und damit 1 Kelvin über dem Mittelwert. Es gab 18 Frosttage und keinen Eistag. Der Februar war mit 3,8 Grad Celsius deutlich milder als im langjährigen Stationsmittel (+2,3 Kelvin). Es gab lediglich neun Tage mit Luftfrost. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die bisherige Tiefsttemperatur in diesem Jahr nicht im Winter, sondern im Frühlingsmonat April mit -6,4 Grad Celsius gemessen wurde. Das zeigt aber auch, wie der Winter 2021/2022 abgelaufen ist: niederschlagsreich und deutlich zu mild. Es gab nur leichte Nachtfröste, was für Kierspe insgesamt ungewöhnlich ist. Im Februar gab es sogar vier Tage mit zweistelligen Höchsttemperaturen.

Auch der März war mit durchschnittlich 5,8 Grad Celsius milder als üblich (+1,6 K). Im März gab es bereits viele milde und von Sonnenschein geprägte Tage. Die klaren Nächte hatten aber auch 18 Nächte mit Frost zur Folge – genauso viele wie im Januar. Vom 22. bis 28. März gab es eine stabile Hochdruckwetterlage in Mitteleuropa und in Kierspe wurden an sieben Tagen nacheinander zwischen 18 und 19 Grad gemessen.

Es folge ein kühler April, der mit 7,6 Grad Celsius rund 1 Kelvin kälter als im Mittel war und der auch die kräftigsten Schneefalle bisher in diesem Jahr zur Folge hatte. Am 2. April lagen rund 13 Zentimeter Schnee. Am 18. April wurde mit 20,5 Grad erstmals die 20-Grad-Marke in diesem Jahr geknackt. Auf den kühleren April folgte ein milder Mai (+1,3 K). Bereits Anfang Mai blühten die Apfelbäume in Kierspe – damit wurde aus phänologischer Sicht der Vollfrühling eingeleitet. An 8. Mai wurde der letzte Luftfrost bisher gemessen mit -2,1 Grad Celsius. Mit 25,6°C war der 9. Mai der wärmste Tag des Monats und der einzige Sommertag. Der erste meteorologische Sommermonat Juni war mit 17,3 Grad Celsius wärmer als im Mittel der vergangenen Jahre (+1,5 K). Es gab insgesamt elf Sommertage mit einem Höchstwert von mehr als 25 Grad Celsius. An drei Tagen wurden sogar Hitzetage registriert (über 30 Grad Celsius). Der heißeste Tag war der 18. Juni mit 32,5 Grad Celsius“, führt Thiessenhusen aus.

Auch interessant

Kommentare