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Der „Rebell aus dem Sauerland“ blickt zurück

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Nach 32 Jahren scheidet Dieter Grafe (UWG) aus dem Kiersper Rat aus.
Nach 32 Jahren scheidet Dieter Grafe (UWG) aus dem Kiersper Rat aus. © Ruthmann, Det

Dieter Grafe (UWG) hat mit dem 15. September dieses Jahres sein Ratsmandat niedergelegt. Ganz aus der Politik zurückziehen will sich der 81-jährige Kiersper aber nicht.

Kierspe – Er gehört zweifellos zu den herausragenden Mitgliedern des Stadtrats in Kierspe, vielmehr muss man sagen, gehörte: Denn Dieter Grafe hat mit dem 15. September dieses Jahres sein Mandat niedergelegt. Schon vor der Kommunalwahl vor zwei Jahren sei abgesprochen worden, dass es mit Bärbel Balke eine sogenannte Huckepackkandidatin gibt, die nun seinen Platz im Rat einnimmt.

Aber ganz aus der Politik zurückziehen kommt für den heute 81-Jährigen nicht infrage. „Solange es meine Gesundheit zulässt, wird sich in meinem Bezirk nichts ändern“, erklärt Grafe, dass er auch weiterhin für die Menschen da sein werde. Ebenso will er – dann als sachkundiger Bürger – im Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Wirtschaftsförderung und in der Baugruppe (Arbeitsgruppe für Bauangelegenheiten) aktiv bleiben.

Keinen Tag das politische Engagement für Kierspe bereut

Denn: „Ich habe keinen Tag bereut, in der Politik zu sein“, betont Dieter Grafe, der laut eigener Aussage 1989 von Manfred Wieland „überredet worden war“, sodass er der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) beitrat. „Es ist interessant und man tut was für seine Mitmenschen!“ Von Anfang an war jedoch für Grafe klar, dass er politisch nur für Kierspe aktiv wird und sich auch keinem Fraktions- oder Koalitionszwang unterstellt. Und: „Ich werde nicht nach der Pfeife von Berlin oder Düsseldorf tanzen!“

Heute bereut Dieter Grafe nur, dass er nicht schon vor 1989 in die Kommunalpolitik gegangen ist, doch der eigene landwirtschaftliche Betrieb in Vornholt, der Turnverein Berkenbaum und letztlich die Landwirtschaftspolitik hätten dies sozusagen verhindert.

Es zeigt gleichzeitig, dass Dieter Grafe auch vorher schon politisch interessiert war, denn er gehörte dem Kompetenzteam des Deutschen Bauernverbandes an. Diese Aufgabe führte ihn häufig nach Münster, Düsseldorf, Berlin und Brüssel, wo er viele Minister, Bundeskanzler und andere hochrangige Politiker kennenlernte und mit ihnen diskutierte. Dabei handelte er sich durch seine Beharrlichkeit, seinen unermüdlichen und konsequenten Einsatz nicht nur ein, er sei ein unbequemer Mensch, sondern auch Spitznamen wie „Der Rebell aus dem Sauerland“ oder „Kampftruppe Lüdenscheid-Nord“.

Seit 33 Jahren in der UWG Kierspe aktiv

Der ehemalige Bürgermeister Jochen Timpe habe einmal zu ihm gesagt: „Ich dachte, da kommt ein liebes, kleines Bäuerlein in den Rat“. Und sein Nachfolger Frank Emde meinte: „Sie sind zwar ein schwieriger Mensch, aber Sie sind offen“. Diesem unbequemen Menschen war es auch egal, von wem ein Antrag oder eine Idee kam, was ihm letztlich im Rückblick das Urteil fällen lässt: „Ich finde die Politik, die im Rat und in den Ausschüssen gemacht wird, gut, denn sie ist für Kierspe.“

Nachdem Dieter Grafe vor 33 Jahren der UWG beitrat, kam er im März 1990 für Elmar Wegge in den Rat, dem er damit mehr als 32 Jahre angehörte. Darüber hinaus war der Kiersper 25 Jahre lang Fraktionsvorsitzender, eine Wahlperiode lang stellvertretender Bürgermeister, gehörte für zwei Legislaturperioden dem Kreistag des Märkischen Kreises an, wo er (für eine Periode) den Vorsitz im Ausschuss für Straßen und öffentliche Gebäude übernahm. Zudem zählte er ebenfalls zum Aufsichtsrat der GWS (Gesellschaft zur Wirtschafts- und Strukturförderung Märkischer Kreis). Als außergewöhnlich müssen jedoch die Wahlergebnisse von Dieter Grafe bezeichnet werden: Bei den letzten fünf von insgesamt sieben Wahlen, an denen er teilnahm, holte er jeweils das Direktmandat – gegen fünf Mitbewerber – und dies mit einem Stimmenanteil von durchschnittlich 52,15 Prozent.

Besuch des englischen Botschafters in Bonn war ein Highlight

Letztlich war dies eine der Grundlagen, dass Grafe die ersten Gespräche zur Stationierung eines Notarztwagens in Kierspe führte. Ebenso gelang es ihm, die Aktiven der Feuerwehrlöschgruppe Neuenhaus zu motivieren, viel Eigenleistung an der neu errichteten Fahrzeughalle zu investieren. Denn, erinnert sich Grafe, es gab einen Plan, nach dem 450 000 Euro für den Bau veranschlagt wurden – es standen jedoch nur 200 000 Euro im Etat zur Verfügung. Und als dann auch noch das Gerätehaus Vollme von der Stadt gekauft werden musste, waren es nur noch 80 000 Euro.

Letztlich hätten die Mitglieder der Löschgruppe so mit angepackt, dass die Fahrzeughalle für gut 125 000 Euro errichtet werden konnte. „Das ist das Erfreulichste, was ich in den 25 Jahren gemacht habe“, freut sich Dieter Grafe noch heute darüber. Als ein herausragendes Erlebnis bezeichnet Dieter Grafe den Besuch des englischen Botschafters in Bonn Anfang der 1990er-Jahre mit dem Bauernpräsidenten Constantin Freiherr von Heereman. Es ging um Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft – der Botschafter habe sich alles ruhig angehört und abschließend „im besten Deutsch“ gesagt: „Ich werde es seiner Majestät berichten.“

Dagegen bezeichnet es der Vornholter als Schildbürgerstreich, was in den vergangenen Jahren in Sachen Straßen und Beschilderung passiert ist und meint damit die Straße zwischen Mühlenschmidthausen und Antlenberg sowie die über den Bahnübergang Haus Rhade durchs Kierspetal. „So etwas habe ich den 30 Jahren nicht erlebt!“ Dabei half sein Leitmotiv nicht im gewünschten Maß: „Unten rütteln, damit es oben wackelt!“

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