Am Beispiel des Händewaschens machte er deutlich, dass auch an banalen Dingen die Auswirkungen deutlich werden können. „Gleich zu Anfang der Pandemie haben sich Psychologen gefragt, ob das ständige Händewaschen nicht zu einem Waschzwang führen könnte. Aber genau das ist bei einigen Schülern passiert. Und wer in jeder Türklinke eine potenzielle Gefahr sieht und sich ständig waschen möchte, der kann sich nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren. Da muss man den Schüler oder die Schülerin wieder in den normalen Alltag begleiten“, erzählte Meyer einleitend.
In den Zeiten der Schulschließungen habe er sich vor allem auf die Gesamtschüler konzentriert, die die sogenannte „Studyhall“ besucht hätten. Das war damals die Arbeitsbibliothek, in der die Schüler am Distanzunterricht teilnahmen, die Probleme mit dieser Art des Lernens hatten. Das konnten technische Probleme sein, die aufgrund des bescheidenen Netzausbaus in Kierspe und Umgebung entstanden, aber auch Probleme, die sich aus dem fehlenden Kontakt zu Lehrern und Mitschülern entwickelten.
„Die Anzahl der psychischen Störungen hat rund um Corona zugenommen. Vor allem treten diese Störungen bei Schülern aus prekären Familienverhältnissen auf, die bereits vor der Pandemie auf sich alleine gestellt waren. Diesen fiel und fällt es besonders schwer, in die Schule zurückzufinden“, fasste Meyer das Ergebnis verschiedener Studien zu diesem Thema zusammen. Das sehe er auch in seiner täglichen Arbeit. Bislang habe er nur sehr selten erlebt, dass Erstklässler Probleme gehabt hätten. Doch alleine von dort habe er sieben Anfragen bekommen. „Die Schüler, die während der Vorschulzeit zu Hause bleiben mussten, fragen sich, wie sie die Schule schaffen sollen. Das ist neu für mich“, erzählte der Psychologe.
Ähnlich verhalte es sich mit den Schülern, die von der zehnten Klasse in die Oberstufe wechseln würden. „Es ist normal, dass diese Schüler nach dem Wechsel in ihren Notenniveau etwas absinken. Doch in einer Zeit, als die Schulen geschlossen waren, fehlte diesen Schülern der soziale Abgleich mit Gleichalterigen, denn diesen gibt es nicht im Online-Unterricht“, sagte Meyer.
Der Schulpsychologe machte aber auch deutlich, dass sich die Zahl der Schüler, die solche Probleme hätten, zwar vervielfacht habe, dies aber bei weitem kein Massenphänomen sei. „Es gab vor Corona einfach sehr wenige dieser Fälle“, fasste er im Ausschuss zusammen.
Auf die Frage, wie sich das auf seine Arbeit ausgeübt habe, teilte Meyer mit, dass die Arbeitsbelastung deutlich zugenommen habe, dies aber kompensierbar gewesen sei. „Der Einzelfall ist immer am wichtigsten.“
Nachgefragt wurde von den Ausschussmitgliedern auch zum Thema Long-Covid. „Das ist vor allem für die Schülerinnen und Schüler ein Problem, die sehr sportlich waren und nun plötzlich mit Einschränkungen durch gesundheitliche Probleme konfrontiert werden. Das sind ja auch Erfahrungen, die in diesem Alter vollkommen untypisch sind“, antwortete Meyer.
Ergänzt wurden diese Ausführungen von Johannes Heintges, Leiter der Kiersper Gesamtschule: „Auch wenn viele denken, Corona sei vorbei – an der Schule ist es das nicht. Wir haben aktuell sieben infizierte Schüler und viele Schüler, die bereits zum zweiten oder dritten Mal infiziert waren. Bei einigen sind die Folgen sehr deutlich sichtbar. Wir haben Schüler, die aufgrund von Long-Covid sehr müde sind. Es gibt sogar Schüler, die so erschöpft sind, dass sie unvermittelt im Unterricht einschlafen.“
Schulpsychologe Ralf Meyer schob dann noch einmal nach: „Bei dem verständlichen Wunsch vieler Menschen, Corona hinter sich zu lassen, muss man aber anerkennen, dass die Pandemie für viele Menschen noch immer ein beherrschendes Thema ist.“