1. come-on.de
  2. Volmetal
  3. Kierspe

Chancen für mehr erneuerbare Energie - Reaktionen in Kierspe

Erstellt:

Von: Frank Zacharias, Florian Hesse

Kommentare

Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein
Das Land NRW will die Ausgangslage für erneuerbare Energien deutlich verbessern. © Marcus Brandt/dpa

17 Seiten stark ist der Erlass der NRW-Klima- und Energieministerin Mona Neubaur. Am vergangenen Mittwoch erlangte er Rechtskraft und hat das Zeug, die Kommunen im Land nachhaltig zu beschäftigen.

Kierspe – Es geht um weitreichende Erleichterungen beim Ausbau erneuerbarer Energien. Was das konkret für Kierspe bedeutet, ist noch nicht abzuschätzen – grundsätzlich wird der Erlass von vielen Fraktionen jedoch begrüßt. Dabei zielen die Kernpunkte auch auf Themen, die in Kierspe bereits zur Diskussion stehen. Zusammengefasst heißt es vonseiten der Landesregierung:

Windenergie

Kalamitätsflächen, das heißt, Wald-Ausfallflächen durch Sturm oder Baumkrankheiten und Nadelwälder stehen nun landesplanerisch regelmäßig für die Windenergienutzung zur Verfügung. Das gilt unter anderem aber nicht in waldarmen Gemeinden, auf Naturschutz-Flächen sowie in Laub- beziehungsweise Laubmischwald.

Freiflächen-PV-Anlagen

Deutlich vergrößert werden die planerisch möglichen Flächen entlang von Bundesfernstraßen und überregionalen Schienenwegen in Verbindung mit vorhandenen baulichen Nutzungen wie Wirtschaftsgebäuden oder landwirtschaftlichen Bauten. Auch in den in den Regionalplänen dargestellten „Bereichen für industrielle Nutzungen“ sind künftig ergänzend zu den Wirtschaftsgebäuden auch Freiflächen-Solarenergieanlagen möglich.

Agri-Fotovoltaik

Die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Energieerzeugung wird erleichtert.

Biogasanlagen

Angemessene räumliche Erweiterungen vorhandener Betriebsstandorte sind möglich.

„Mit dem Erlass schaffen wir sofort Freiräume für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen und kommen auf dem Weg in die klimaneutrale Zukunft voran“, wirbt die Ministerin für die Möglichkeiten, die damit geschaffen würden.

Parallel arbeite man mit Hochdruck an der Änderung des Landesentwicklungsplans, um das Zwei-Prozent-Flächenziel des Bundes für die Windenergie schnellstmöglich umzusetzen. Der für die Behörden verbindliche Erlass solle als Handlungsleitfaden in der Übergangszeit dienen, bis das parallel laufende Änderungsverfahren für den Landesentwicklungsplan für den Ausbau der Erneuerbaren Energien umgesetzt sei.

CDU: Flächen einzeln prüfen

Kerstin Rothstein, Fraktionsvorsitzende der Kiersper CDU, sieht den Erlass positiv, biete er doch neue Möglichkeiten, etwa die Vielzahl an Kalamitätsflächen in den Wäldern für Windkraft zu nutzen. „Allerdings müssen da ja auch die Eigentümer mitspielen. Am Ende müssen die entscheiden, ob sie nicht lieber wieder neu pflanzen wollen.“ Dass der Stadtrat nun aber ebenfalls die Freiheit hätte, städtische Flächen für die Nutzbarmachung der Windenergie freizugeben, ist Rothstein ebenfalls bewusst. „Etwa am Wienhagen kämen da Flächen infrage“, sagt die CDU-Ratsfrau. Dabei müsste jede einzelne Fläche jedoch gesondert geprüft werden.

SPD: Mehr Chancen für Fotovoltaik

Grundsätzlich für mehr eneuerbare Energien in Kierspe spricht sich auch Christian Reppel, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, aus. „Die Frage ist doch aber zunächst: Wollen wir in Kierspe generell, dass etwas gemacht wird. Ich habe aber den Eindruck, dass im Rat eine Aufbruchsstimmung herrscht, nachdem jahrelang eher eine Verhinderungspolitik gemacht wurde.“ Dabei sei es sicher einfacher, Flächen-Fotovoltaikanlagen zu realisieren, als auf Windkraft zu setzen. „Fotovoltaik polarisiert nicht so.“ Windkraftanlagen hätten für Reppel eine größere Chance, wenn die Bürger direkt beteiligt würden. Etwa in Form günstigeren Stroms. „Diese Beteiligung ist wichtig, um die direkt Betroffenen von eventuellen Einbußen hinsichtlich der Aussicht profitieren zu lassen“, so Reppel, der etwa am Wienhagen oder im Bereich Herlinghausen potenzielle Baugebiete für Windenergieanlagen sieht. Ob der jüngste Erlass der Landesregierung diese Projekte aber wirklich erleichtert, sei fraglich: Dazu sei noch zu vieles zu unkonkret – etwa hinsichtlich des zu beachtenden Artenschutzes. Dass der Erlass zum erhofften Schwung für neue Projekte führt, bezweifelt Christian Reppel.

UWG: Erlass handwerklich prüfen

Für Clemens Wieland, Fraktionsvorsitzender der UWG, ist der Erlasse nicht nur „der richtige Weg“, sondern auch ein längst überfälliger. „Wichtig wird nun sein, dass er handwerklich geprüft wird und auch die daraus folgenden Verordnungen und Richtlinien angepasst werden“, sagt Wieland. Die planungsrechtlichen Hürden für Investoren seien zuletzt „katastrophal“ gewesen. Ob es nun um Windkraft oder Fotovoltaik-Flächenanlagen gehe, die verstärkt gebaut werden, müsse man abwarten. Hilfreich sei dabei eben auch die Analyse der Verwaltung, die vom Rat mit einer entsprechenden Bestandsaufnahme beauftragt wurde. Wieland erinnert daran, dass es die UWG war, die einen Antrag der Grünen-Fraktion um die Öffnung für sämtliche regenerativen Energien ergänzt habe. „Kierspe kann hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Das muss aber nicht mit Windkraft sein, sondern kann auch mit Fotovoltaik oder Wasserkraft gelingen.“ Zumal der UWG-Fraktionschef weiter sprichwörtlich mit Gegenwind rechnet, wenn es um den Bau neuer Windenergieanlagen geht. Der Fotovoltaik schreibt er weitaus größere Akzeptanz in der Bevölkerung zu, „gerade auch entlang der Autobahn, die ja ohnehin schon zu einer Zerfaserung der Landschaft geführt hat“. Ganz konkret könne sich die UWG dabei letztlich auch die Gründung einer Genossenschaft vorstellen, an der sich die Bürger beteiligen können, um ihren persönlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten – und am Ende auch finanziell zu profitieren.

Grüne: Der richtige Zeitpunkt

Dass die Grünen die neuen Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energien begrüßen, versteht sich fast von selbst. Und so hält auch Detlef Jungmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Kierspe, den Vorstoß aus Düsseldorf für einen richtigen Schritt. „Der Zeitpunkt ist genau der richtige“, sagt Jungmann mit Blick auf die vielerorts gerodeten Waldflächen, „jetzt, da der Eingriff in die Natur längst nicht mehr so gewaltig ist, wie er es vor der Borkenkäferplage gewesen wäre.“ Jungmann sieht dabei auch Chancen für großflächige Fotovoltaikanlagen, die eine Ergänzung zur Windkraft sein könnten. „Wir brauchen Strom. Und der ist mir aus diesen Quellen lieber als von Atom- oder Kohlekraftwerken.“ Dabei gebe es – bis auf den privaten Garten hinter dem Haus – für ihn keine Flächen, die man für den Bau von Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen ausschließen sollte. „Wir haben uns als Grüne ja damals ganz bewusst gegen eine Vorrangzone entschieden, da wir diese Offenheit wollten.“

FDP: Abstände berücksichtigen

Positiv steht auch Armin Jung von der FDP in Kierspe dem Erlass gegenüber. Mehr Alternativen für die Nutzung regenerativer Energien sollten allerdings immer auch unter Berücksichtigung der Abstände zur Wohnbebauung betrachtet werden, sagt der Liberale, der daher auch der Fotovoltaik besondere Chancen geben will, schließlich habe man mit der Anlage auf dem Dach der Felderhof-Sporthalle bereits eine Erfolgsgeschichte geschrieben. „Bei der Windenergie ist die Ablehnung der Bürger auf jeden Fall immer noch größer“, sagt Jung, „so lange die Windkraftanlage weit genug weg ist, ist alles in Ordnung.“

FWG: Lieber Atomkraft als Erneuerbare

Rundum Zustimmung also aus der Kiersper Politik? Nicht ganz. Peter Christian Schröder von der FWG zeigt sich „ganz und gar nicht begeistert“ von einem Ausbau regenerativer Energien. Vor allem nicht auf Kalamitätsflächen. „Wir müssen doch nicht noch mehr Flächen versiegeln!“, zürnt Schröder und fordert statt Wind- oder Sonnenenergie-Nutzung „lieber vernünftige Energiepolitik“. „Man kann da nicht nur auf regenerative Energie setzen! Wir werden ohne die Fossilen nicht auskommen.“ Sonst, sagt Peter Christian Schröder, stünde man von jetzt auf gleich ohne Strom da. „Wo soll man denn die Masse an Seltenen Erden hernehmen, die für die Nutzung von Wind- oder Sonnenkraft benötigt und auch noch superdreckig abgebaut werden?“ Viel lieber würde der FWG-Ratsherr wieder mehr Atommeiler ans Netz bringen. Mit allzu viel Gegenwehr aus der Bürgerschaft würde er selbst im Fall eines Neubaus in Kierspe nicht rechnen. „Ein Atomkraftwerk in Kierspe? Von mir aus gerne! Dann wären die Schulden in unserem Haushalt vergessen.“ Das Problem: Die Volme führe zur Kühlung des Reaktors dann wohl doch zu wenig Wasser.

Auch interessant

Kommentare