„Wir wollen eine lebendige Stadt“

KIERSPE ▪ „Als wir vor einem Jahr den Neujahrsempfang der CDU feierten, habe ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich im Jahr darauf hier stehen würde“ - mit diesen Worten begrüßte der neue Stadtverbandsvorsitzende Holger Scheel zahlreiche Gäste im Ratssaal beim Neujahrsempfang.
„Doch nach dem überraschenden Ausscheiden Peter Schrades aus dem Amt des Stadtverbandsvorsitzenden, der sein Amt aus beruflichen Gründen niederlegte, stehe ich nun der CDU Kierspe vor und damit heute hier“, sagte Scheel. Ohne eine Spur von Aufregung führte der neue Vorsitzende in den Abend ein, dessen offizieller Start sich verzögerte, weil der Gastredner die Fahrtstrecke von Düsseldorf in die Volmestadt unterschätzt hatte.
Mit einem Rückblick auf den – aus seiner Sicht – unerfreulichen Wahlausgang der Landtagswahl begann Scheel dann auch mit gut 30-minütiger Verspätung sein Grußwort. „Mit 26,3 Prozent der Stimmen haben wir das mit Abstand schlechteste Wahlergebnis der Geschichte der CDU in NRW erzielt. Diese Niederlage gilt es gründlich zu analysieren. Machen wir uns nichts vor: mit nur 26 Prozent CDU-Stimmen ist die Bundestagswahl nicht zu gewinnen.“
Scheel ging im Anschluss auf das Thema „Innere Sicherheit“ ein, das er als Kernkompetenz der Christdemokraten bezeichnete – neben der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Als Beispiele für die akute Gefahr im Land nannte der Vorsitzende das gescheiterte Bombenattentat am Bonner Hauptbahnhof, die rechtsextremen Umtriebe von Kameradschaften und wies in diesem Zusammenhang eindringlich darauf hin, dass man nicht bis nach Mecklenburg-Vorpommern schauen müsste, um diese Umtriebe zu erkennen, sondern auch im Bereich Schwelm und Radevormwald entsprechende Gruppierungen ihr Unwesen trieben.
Zum Schluss dann noch der Hinweis auf die gestiegene Zahl der Wohnungseinbrüche, die ein Indiz darauf seien, dass auch im ländlichen Bereich die Organisierte Kriminalität auf dem Vormarsch sei.
Bei der Lösung dieses Problems müsse ein Weg gefunden werden, der sich auf dem schmalen Grad zwischen dem Schutz der Privatsphäre und einer effektiven Verbrechensbekämpfung bewege. Allerdings gab er auch zu bedenken: „In einem gefestigten Rechtsstaat wie unserem geht die Gefahr für die individuelle Freiheit nicht in erster Linie vom Staat aus, sondern von denen, die ihn bekämpfen wollen.“
Natürlich nutzte Scheel seine Redezeit auch dafür, Kritik an der rot-grünen Landesregierung zu üben – und ebenso an Politikern vor Ort: „Die jetzige Landesregierung hat unter dem maßgeblichen Einfluss ihres kleinen Koalitionspartners die Parole ausgegeben ,Sanierung vor Neubau’. Das hat für Kierspe unmittelbare Folgen: Der geplante Bau des Lausebergausfstieges ist mit Landesmitteln nicht mehr finanzierbar und in weite Ferne gerückt.“ Anschließend verwies er auf die Nachbarstädte Halver, Meinerzhagen, Marienheide und Hückeswagen, die alle in den vergangenen Jahren eine Umgehungsstraße oder andere entlastende Baumaßnahmen bekommen hätten. „Nur Kierspe hat hier ein Alleinstellungsmerkmal, auf das wir nicht Stolz sein müssen: Wir lassen den gesamten Schwerlastverkehr durch das Zentrum fahren und es gibt Ratsvertreter, die das ganz bewusst in Kauf nehmen, weil ihnen ihr eigenes Hemd näher ist als die Jacke der Gemeinschaft.
Nehmen wir die Grünen doch mal beim Wort: Sanierung vor Neubau. Es ist ja nicht so, als hätten wir vor Ort keinen Sanierungsbedarf. Wer jeden Tag von Kierspe über die L 528 nach Halver fährt, kann ein Lied davon singen. Die sogenannten Eierkurven harren seit Jahren der Sanierung. Wo bleibt hier das Engagement der Kiersper Grünen bei ihren Parteifreunden in Düsseldorf? Wenn der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt Kierspe mit der gleichen Energie, mit der er sonst zu allem und jedem seinen Senf dazu gibt, sich für die Sanierung der Kiersper Straßen einsetzen würde, wäre manchem Pendler mehr gedient als mit Zeitungsartikeln, in denen er sich brüstet, den Lausebergaufstieg als Ortsumgehung verhindert zu haben.“
Zum Schluss warnte der Vorsitzende noch einmal eindringlich: „Wer Wohnbaugebiete ablehnt, wer Entlastungsstraßen verhindert und wer sich einer vernünftigen Stadtentwicklung entzieht, der nimmt in Kauf, dass Kierspe beim demografischen Wandel verliert.
Die Konsequenz wird sein: Unternehmen wandern ab, Kiersper bauen in Meinerzhagen, Halver oder Wipperfürth. Weniger Menschen und weniger Unternehmen bedeuten weniger Steuereinnahmen, weniger Handel, weniger kulturelle und soziale Infrastruktur.
Wir als CDU wollen aber keine städtebauliche Grabesruhe. Wir wollen eine lebendige Stadt, die sich den Herausforderungen stellt. Und dafür möchten wir in der Kommunalpolitik die notwendigen Voraussetzungen schafften und die richtigen Weichen stellen.“ ▪ Johannes Becker