Jeder Mensch hat einen einzigartigen Individualgeruch.
Mantrailing ist nicht zu vergleichen mit einer Fährtensuche, wo Hunde einer Spur folgen, die auf dem Boden hinterlassen wurde. Ein Hund wie Buck folgt der Spur, die der vermisste Senior aus dem Bethanien ganz unbewusst in der Luft hinterlassen hatte.
„Jeder Mensch hat einen einzigartigen Individualgeruch“, sagt Anja Milk. Er setzt sich zusammen aus verbrauchter Atemluft, vielfältigen Körperausdünstungen und Gasen aus körpereigenen Stoffwechselvorgängen. Hinzu kommen ausgefallene Haare sowie Bakterien, die den menschlichen Körper besiedeln. Zu diesem Duftcocktail gesellen sich zusätzlich etwa 1 bis 1,5 Gramm winzige Hautschuppen, die jeder Mensch pro Tag verliert.
Man stelle sich vor, wie jemand Seifenblasen pustet. Die gläsernen Kugeln fliegen mit dem Wind durch die Luft in alle Richtungen. So ist das auch mit den Hautschüppchen von Menschen und ihrem Geruch, erklärt Milk.
Ein entsprechend trainierter Hund kann das jedoch differenzieren und folgt sogar nur der frischen Spur und vernachlässigt die alte. Wenn Anja Milk mit ihren Mensch-Hunde-Teams trainiert, bleibt der Hund, der suchen soll, im Auto, der Mensch versteckt sich in einem Umkreis von 500 Metern. Ein Gegenstand, der den Individualgeruch des Menschen trägt, wird aus einer Plastikdose herausgeholt und dann muss der Hund suchen. Buck findet jeden.
Und der Rüde trainiert nicht nur auf der Wiese oder im Wald, sondern auch im Seniorenheim Bethanien und im Waldfrieden. Denn Anja Milk ist Pflegerin im Bethanien und dachte sich schon immer, dass es sinnvoll sei, ihren Hund auch für diesen Fall vorzubereiten. Man weiß ja nie. „Ich bin seit 21 Jahren im Haus Bethanien, aber so etwas hatten wir hier noch nie“, berichtet Stefanie Thiemann, Einrichtungsleiterin im Seniorenzentrum an der Bachstraße. Aber an diesem Tag war eben alles anders. Eigentlich kommen in so einem Fall die Suchhunde der Polizei. Am Abend des 2. September aber kamen die Spürnasen nicht. Die Begründung: das Gebäude hat zu viele Aus- und Eingänge. Also kam Buck – mit offizieller Erlaubnis der Polizei. Er kennt sich aus im Haus Bethanien.
Nur die Sache mit dem Geruch war zu Beginn unklar. Der 84-jährige Bewohner hielt sich am Tag an vielen Stellen im Haus auf. Dinge wie Kamm, Zahnbürste und Schuhe fasste er aber nie alleine an. Am Kamm wäre sein Geruch, aber auch der der Pflegerin – zufällig war es sogar Anja Milk am Morgen des Verschwindens. Daher wusste sie, dass das Bett nicht frisch bezogen war und ließ Buck kurzerhand reinspringen und den Geruch des Vermissten aufnehmen.
Buck lief in den Gemeinschaftsraum, wo auch der Vermisste gegessen haben musste. Dann ging er zielgerichtet einen Flur entlang und blieb vor einer Tür stehen. Diese war jedoch verschlossen und kann von keinem Bewohner geöffnet werden. Für Anja Milk war klar, dass der Senior dort nicht sein kann. Doch sie täuschte sich. „Buck hat alles richtig gemacht.“ Der Mann lag im Flur hinter dieser Tür eine Etage tiefer. Hätten sie die Tür geöffnet, wäre Buck zu dem Mann gelaufen. Aber der menschliche Verstand setzte ein. „Dabei sage ich allen immer, dass sie ihrem Hund vertrauen sollen – und ich habe es nicht getan“, ärgert sich die 52-Jährige. Im Kopf hatte sie auch die Aussage von den Einsatzkräften, die sagten, das Haus sei abgesucht worden. Alle gingen davon aus, dass der Mann draußen sei. Bestätigt wurde die Vermutung auch noch von Zeugen, die den Mann im Rewe gesehen haben wollten. Aber nein, er lag im Kellergeschoss im Technikraum. Buck wusste das schon um 21.30 Uhr. Die Menschen aber suchten bis zwei Uhr in der Nacht. Zum Glück auch mit Erfolg.