Nach Messerattacke: Angeklagter muss in Psychiatrie

Halver - Der 34-jährige Ägypter, der am 24. Oktober 2014 in der Asylunterkunft am Bahnweg eine 42-jährige Frau aus Eritrea mit einem Messer attackierte, muss in eine geschlossene psychiatrische Klinik: Der Angeklagte habe zunächst „mit Tötungsvorsatz gehandelt“, stellte der Vorsitzende Richter Dr. Christian Voigt gestern in seiner Urteilsbegründung fest.
Weil der 34-Jährige die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hatte, sprach die Kammer ihn auch vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. „Die Einsicht in das Unrecht der Tat war nicht mehr vorhanden“, sagte der Vorsitzende. Die 6. große Strafkammer veranlasste allerdings die Fortdauer der Unterbringung in einer forensischen Klinik auf unbestimmte Zeit. „Der Angeklagte ist nach wie vor unbehandelt, und er verfügt nicht über eine hinreichende Krankheitseinsicht.“ Deshalb könne es das Gericht nicht wagen, die verhängte Maßregel zur Bewährung auszusetzen, wie es Verteidiger Frank Peter Rüggeberg beantragt hatte.
Er sah aufgrund des bizarren Aberglaubens seines Mandanten, der sich vom Opfer verhext sah, Anlass für ein Innehalten: „Pressen wir ihn hier in ein System, oder müssen wir seinen Kulturkreis beachten?“ Übersetzer aus dem Kulturkreis des 34-Jährigen hatten bestätigt, dass ein derartiger Aberglaube in Ägypten sehr verbreitet sei. Vom Aberglauben bis zur Bluttat ist es allerdings noch ein langer Weg. Vor allem der psychiatrische Gutachter Dr. Nikolaus Grünherz hatte vorgetragen, dass vom Angeklagten weiterhin eine Gefahr ausgehe. Ihm fehle völlig die Einsicht in seine Situation. „Wenn die Psychose nicht behandelt wird, kann das in Zukunft auch wieder auftreten.“ Es sei nicht auszuschließen, dass sich solche oder ähnliche Taten wiederholten.
Überlegungen, den 34-Jährigen auf Bewährung zu entlassen und ihm einen regelmäßigen Kontakt zu einer psychiatrischen Ambulanz zu verordnen, wies der Gutachter zurück: „Es kann sein, dass sich da etwas Neues entwickelt und wir das überhaupt nicht mitbekommen.“ Nikolaus Grünherz sah bei dem Angeklagten deutliche Hinweise, dass dieser an einem „bizarren Wahnerleben“ leide, das letztlich jenen „hochpsychotischen Schub“ zur Folge hatte, der in den Angriff auf das Opfer mündete.
Zweifel an paranoider Schizophrenie
Eine etwas andere Position hatte zuvor der letzte Zeuge des Verfahrens geäußert: Der Leiter der Klinik, in der der 34-Jährige derzeit untergebracht ist, bezeichnete die Diagnose paranoide Schizophrenie als nicht gesichert. Er verwies wie der Verteidiger darauf, dass der Glaube an Hexen und Verzauberung im Kulturkreis des Ägypters etwas ganz Normales sei und fügte hinzu: „Als überzeugter Atheist und Realist ist das für mich überhaupt nicht fassbar.“
In der Klinik habe der Patient keinerlei Auffälligkeiten außer einem „stark sexualisierten Verhalten“ gezeigt. Derzeit brauche der 34-Jährige keine starken Psychopharmaka, um ein relativ unauffälliges Leben zu führen. Es gebe nicht einmal Anhaltspunkte für eine schwere Depression bei ihm: „Das Interesse an Frauen ist eher untypisch für schwer depressive Menschen.“
Dr. Grünherz hielt dagegen: Es sei gut, dass die Klinik den Versuch unternommen habe, dem 34-Jährigen keine starken Psychopharmaka zu geben. Allerdings sei die Situation in der Klinik eine ganz andere als in der freien Wildbahn. Und so blieben ernste Zweifel, ob die in der Klinik wahrgenommene „Normalität“ des Angeklagten auch außerhalb ihrer Mauern Bestand hätte.