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Mann aus Halver fliegt in die Türkei, um zu helfen 

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Von: Thilo Kortmann

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Ahmet Tümce schaut sich fassungslos die Bilder der zerstörten Heimatstadt, Antakya, seiner Eltern an. Am heutigen Samstag fliegt er in die Türkei.
Ahmet Tümce schaut sich fassungslos die Bilder der zerstörten Heimatstadt, Antakya, seiner Eltern an. Am heutigen Samstag fliegt er in die Türkei. © Thilo Kortmann

Das Erdbeben in der Türkei sorgt für Entsetzen weltweit. Auch Halveraner hat die Katastrophe hart getroffen.

Halver - Die nächste Hiobsbotschaft kam für die Familie Tümce am Freitagmorgen: Die Cousine und ihre drei kleinen Kinder fielen der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien zum Opfer.

„Wir sind alle total geschockt. So richtig fassen können wir das noch nicht“, erklärt Ahmet Tümce, während er im Büro seines Gebrauchtwagenhandels Hleytomobile an der Jägerstraße in Halver sitzt und fassungslos auf die Bilder der Zerstörung von Antakya, der Heimatstadt seiner Eltern, schaut.

Cousine und ihre drei Kinder sterben

Die Stadt liegt in der Nähe der syrischen Grenze, dort komme Hilfe erst sehr spät an, weiß Tümce. Unablässig klingelt sein Handy, „aber die Verbindung ist sehr schlecht, deshalb gibt es auch gerade nicht sehr viele und genaue Infos“. Besonders Ahmets Ehefrau, die in Antakya aufgewachsen ist, hat es schwer getroffen. Ihr gehe es, sagt er, momentan gar nicht gut. Viele ihrer Verwandten und Freunde seien dem Erdbeben zum Opfer gefallen.

„Wir haben dort unten so viele Freunde und Verwandte. Und wir wissen nicht, wie viele davon überhaupt noch am Leben sind“, sagt der 80-jährige Mahmut, Ahmets Vater, der zusammen mit Ehefrau Ganiye Tümce seit 52 Jahren in Halver lebt. Eigentlich wollten sie am Wochenende wieder für neun Monate, wie jedes Jahr, in ihre Heimat fliegen. „Daraus wird bestimmt jetzt 30 Jahre nichts“, sagt Ganiye Tümce. Beide haben Tränen in den Augen.

Dass so eine Katastrophe irgendwann passieren könnte in seiner Heimat, dass hat Ahmet schon immer geahnt, die Sorgen aber auch wie so viele seiner Landsleute immer verdrängt. Beim Hausbau werde dort oft improvisiert, schnell gebaut, ohne professionelle und fachmännische Unterstützung. „Das ist eine sehr arme Gegend. Die Menschen wohnen dicht gedrängt, die Etagen der Häuser wurden ohne die Mitarbeit von Statikern aufeinandergesetzt“, so der Familienvater. Er selber habe dort vor Kurzem eine Wohnung gekauft, „von der ist nichts mehr übrig geblieben“.

Mahmut und Ganiye Tümce, Ahmets Eltern, sind sehr betroffen von dem Unglück. 13 Menschen aus ihrer Verwandtschaft sind bislang gestorben.
Mahmut und Ganiye Tümce, Ahmets Eltern, sind sehr betroffen von dem Unglück. 13 Menschen aus ihrer Verwandtschaft sind bislang gestorben. © Thilo Kortmann

Die Nachrichten aus der Heimat hätten auch die Kinder von Ahmet Tümce, 13 und 17 Jahre alt, sehr mitgenommen. „Wir reden jetzt sehr viel miteinander. Aber es muss ja weitergehen“, sagt der 46-Jährige. Deshalb fliegt Ahmet Tümce auch mit seiner Ehefrau an diesem Samstag, 11. Februar, nach Antalya – um zu helfen, auch finanziell. Warum nicht nach Antakya, sondern in die Touristenhochburg Antalya? „Die Bettenburgen stehen gerade leer, es ist gerade keine Saison“, sagt Tümce, „der ursprüngliche Urlaubsort ist zum riesigen Flüchtlingscamp für die Erdbebenopfer geworden“, auch für die Familienmitglieder der Tümces. „Die sind dort gerade in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht.“ Als er das erzählt, kann er auch schon wieder etwas lächeln, „was soll man machen, jetzt ist Helfen angesagt“.

Geholfen hat Ahmet Tümce auch schon unmittelbar nach der Katastrophe. Gemeinsam mit Zehra und Özgür Tosun hat er bei der Hilfsaktion in Halver mitgemacht (wir berichteten). Auch im Lager von Bullstyle-Tattoo an der Frankfurter Straße, dort, wo die Spenden gesammelt werden, hat der 46-Jährige mitgeholfen. „Unglaublich, wie sehr sich Zehra und Özgür Tosun engagieren. Großen Dank an die beiden“, sagt Tümce. Am Montag ist er mitgefahren zum Sammelplatz für Spenden an der Hohen Steinert in Lüdenscheid und erst am Donnerstagabend war er beim Transport der Spenden nach Dortmund dabei, Die Anteilnahme sei von allen Nationalitäten so groß, „das beeindruckt mich sehr und hat mich verändert“, sagt er. Auch die vielen anderen Aktionen, die momentan in Halver stattfinden würden, seien sehr beeindruckend.

Aktionen in Halver

Ayse Akyol, Inhaberin von Hairstyle & Beauty an der Bahnhofstraße, hat am Freitag spontan eine Hilfsaktion ins Leben gerufen, bei der alle Einnahmen aus den Haarschnitten an die Erdbebenopfer in der Türkei gehen. Darüber hinaus hat sie eine Spendenbox in ihrem Laden aufgestellt, um langfristig zu helfen. Auch wenn ihre Familie nicht unmittelbar von dem Unglück betroffen ist, möchte die Friseurin unbedingt unterstützen. Unabhängig von der Nationalität: „Schon für die Flüchtlinge des Ukrainekrieges habe ich gesammelt, doch jetzt erst habe ich so viele Stammkunden, dass ich so eine Aktion wie heute durchführen kann“, sagt Akyol, die vor zwei Jahren den Laden eröffnet hat.

Die Bilder der zerstörten Stadt versetzten die Tümces in Schockzustand. Noch immer sind viele Menschen  verschüttet.
Die Bilder der zerstörten Stadt versetzten die Tümces in Schockzustand. Noch immer sind viele Menschen verschüttet. © Thilo Kortmann

Zeitgleich engagierten sich Schüler der Humboldtschule am Alten Markt für die Erdbebenopfer. An einem Waffel- und Crêpes-Stand verkauften sie Leckereien für den guten Zweck. Die Aktion, die unter dem Motto „Keine Armut“ eigentlich Teil des Schulprojektes Freiday war und deren Einnahmen ursprünglich für die Tafel gedacht waren, wandelten die Schüler aus eigener Initiative kurzerhand in eine Hilfe für die Türkei und Syrien um.

Weil ich jetzt erst so richtig spüre, wie wichtig es ist, selber auch mit anzupacken und nicht nur finanziell zu helfen, weil ich selber direkt betroffen bin.

Ahmet Tümce hat sich verändert durch die Katastrophe

Diese große Hilfsbereitschaft in Halver, in Deutschland und der ganzen Welt hat bei Ahmet Tümce zu einem Umdenken geführt, wie er sagt. Es habe ihn verändert. „Weil ich jetzt erst so richtig spüre, wie wichtig es ist, selber auch mit anzupacken und nicht nur finanziell zu helfen, weil ich selber direkt betroffen bin.“ Geld zu spenden sei auch sehr wichtig, aber viel wichtiger sei die Tatkraft. Das habe er jetzt erkannt. Denken müsse er gerade auch an die schlimme Hochwasserkatastrophe in Deutschland, bei der er nur gespendet habe. Wenn das nächste Mal wieder so etwas passieren würde, weiß der Halveraner jetzt, würde er auch umgehend mit anpacken, „in Oberbrügge oder ich würde auch ins Ahrtal fahren, um vor Ort zu helfen“.

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