Zweiter zentraler Kritikpunkt ist, dass Brosch zudem einen Zusammenhang hergestellt hatte zwischen der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine und daraus hervorgehend dem Erfordernis, zu einem finanziellen Ausgleich über Steuererhöhungen zu kommen.
„Die Kosten müssen wir vorfinanzieren und irgendwann später bei den Bürgern natürlich wieder abholen“, hatte Brosch in einem Interview des ARD-Morgenmagazins die Frage nach möglichen Steuererhöhungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation beantwortet.
Dass er bei einer möglichen Anhebung der Steuern konkret die Grundsteuer B im Auge hat, hatte Brosch am vergangenen Donnerstag in einem Interview mit unserer Zeitung deutlich gemacht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne eine Erhöhung der Gewerbesteuer B zurechtkommen“, sagte er zwei Tage später in einem AA-Gespräch über den Zustand der städtischen Finanzen und die sich abzeichnenden Probleme, darunter auch die Ukraine-Krise.
Ebenfalls in die Kritik der UWG gerät Kämmerer Simon Thienel. Auch Thienel hatte, allerdings ohne direkten Bezug auf die Ukraine-Kosten, im Gespräch mit dem Allgemeinen Anzeiger am Samstag eine Anhebung der Grundsteuer befürwortet und auf eine ganze Reihe finanzieller Belastungen hingewiesen, denen sich Halver im kommenden und in den Folgejahren werde stellen müssen.
Es wäre guter demokratischer Stil gewesen, solche Vorschläge in den politischen Gremien zu diskutieren und nicht als Versuchsballon in der heimischen Presse abzusenden.
„Es wäre guter demokratischer Stil gewesen, solche Vorschläge in den politischen Gremien zu diskutieren und nicht als ,Versuchsballon’ in der heimischen Presse oder im ARD-Morgenmagazin abzusenden“, so Dr. Sabine Wallmann, und weiter: „Die Brücke zu schlagen vom Ukraine-Krieg und der damit verbundenen Welle von Geflüchteten hin zu notwendigen Steuererhöhungen ist aus Sicht der UWG wirklich ein ,No-go´: Erst lobe ich meine Bürger für Solidarität und Hilfsbereitschaft, die sich nicht nur in persönlicher, sondern auch in finanzieller Zuwendung ausdrückt, und dann sage ich ihnen, dass sie für Immobilien zukünftig mehr bezahlen müssen. ,Merkwürdig’ ist dafür nur die freundliche Beschreibung.“
Akribisch legt die Vorsitzende der UWG und auch des Finanzarbeitskreises im Gespräch dar, welche geringe Auswirkungen eine Anhebung der städtischen Steuer auf Haus- und Grundbesitz tatsächlich für den Haushalt der Stadt Halver hätte – und zugleich, wie verheerend eine solche „aus der Hüfte geschossene Ankündigung“ auf die Sorgen und Ängste der Menschen hätte, die bei Politik und auch Verwaltungen nach Antworten auf ihre existenziellen Fragen suchten.
Ihre Frage in Richtung Verwaltungsspitze: „Was bringt eine Grundsteuererhöhung nun der Stadt? Die Stadt Halver nimmt derzeit einen Betrag von circa 2,7 Millionen Euro an Grundsteuer B ein. 10 Prozent plus wären 270 000 Euro. mehr für die Stadt. Die Stadt hat heute Gesamteinnahmen pro Jahr von etwa 44 Millionen Euro. 270 000 sind davon etwa 0,6 Prozent. Können wir mit 0,6 Prozent mehr unseren städtischen Haushalt retten, oder kann man die nicht einfach einsparen? Muss man sich dieses Geld wirklich von den Bürgern und Unternehmen holen, die in Zeiten galoppierender Energiepreise und einer Inflation von derzeit 10 Prozent jeden Euro an Ausgaben unter die Lupe nehmen müssen?“
Nicht zuletzt treffe genau die Grundsteuer in unterschiedlichem Maße jeden Bürger und jedes Unternehmen. Von Vermietern werde sie über die Miete weitergereicht. Firmen müssten sie ebenso unabhängig von ihrer Finanzlage aufbringen, und zwar in einer Situation, die nicht nur von den allgemeinen und weltwirtschaftlichen Krisenlagen geplagt sei, sondern auch von der Infrastrukturkrise durch die Sperrung der Talbrücke Rahmede, die für Arbeitnehmer wie auch für Betriebe katastrophale Auswirkungen habe und auf Jahre hinaus haben werde.
Ebenso seien weder Bürgermeister noch Kämmerer bei ihren Überlegungen auf einem Sondereffekt eingegangen. Denn eine Anhebung der Grundsteuer zeichne sich ohnedies zum Jahr 2025 ab. Der Besitz von Haus und Grund werde mit der Grundsteuerreform automatisch teurer. Von einer Aufkommensneutralität sei inzwischen öffentlich keine Rede mehr. Halveraner würden damit in der Krisenzeit gleich zweimal hintereinander zur Kasse gebeten, so die Befürchtung der UWG. Und jede Steuer, insbesondere Substanzsteuern seien Inflationstreiber in einer Zeit, in der sich die Preisspirale ohnehin weiter drehen dürfte.