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„Existenzgefährdend“: Unternehmen aus Halver spüren die Krise 

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Von: Thilo Kortmann

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Bei Neosid Pemetzrieder sorgt man sich besonders um die Stromkosten. Eine große Photovoltaikanlage wurde bereits angelegt. Dr. Aloys Foecker, Produktentwickler und Umweltmanager, und Geschäftsführer Yilmaz Benzer (von links).
Bei Neosid Pemetzrieder sorgt man sich besonders um die Stromkosten. Eine große Photovoltaikanlage wurde bereits angelegt. Dr. Aloys Foecker, Produktentwickler und Umweltmanager, und Geschäftsführer Yilmaz Benzer (von links). © Thilo Kortmann

Die extrem gestiegenen Energiekosten treffen nicht nur die Haushalte, Gastronomen und Geschäfte. Auch Industrie-Unternehmen sind stark betroffen. Große Firmen mit großen Hallen, Häusern und vielen Maschinen haben dementsprechend einen hohen Energieverbrauch. „Es ist eine Katastrophe und existenzgefährdend“ erklärt Bernd Jannack, Geschäftsführer von Mayweg an der Daimlerstraße 7.

Die Stromkosten seien, erklärt Jannack, in diesem Jahr auf 297 000 Euro pro Monat gestiegen. „Das ist sehr viel mehr als noch vor zwei Jahren“, sagt der Geschäfstführer. Zum Vergleich: 2020 hätten die Stromkosten noch bei 74 000 Euro im Monat gelegen. „Wenn man es gerade realistisch betrachtet, dann lohnt sich nicht zu produzieren mehr, als zu produzieren“, erklärt Jannack. Es gebe jedoch keine Alternative zum Strom: Die 77 Maschinen der Firma würden 500 Megawatt Strom im Monat verbrauchen. Hergestellt werden in dem 1963 gegründeten Unternehmen Kunststoffe für Kunden in der ganzen Welt.

Wenn man es gerade realistisch betrachtet, dann lohnt sich nicht zu produzieren mehr, als zu produzieren.

Bernd Jannack, Geschäftsführer von Mayweg

Die Schuldigen für die Inflation in allen Bereichen sieht er, neben Putin, aber hauptsächlich in Berlin. „Die Politik ist einfach weltfremd. Die Probleme sind hausgemacht“, kritisiert er. Viele Wochen beispielsweise für die Idee einer Gasumlage zu brauchen, „so viel Zeit hat man in der Industrie einfach nicht“. Wobei die Gaskosten für die Firma Mayweg gar nicht so das große Problem seien, die zusätzlich gestiegenen Transport- und Rohstoffpreise schon seien das schon eher. Zu den vielen Problemen käme dann auch noch eine marode Brücke in Lüdenscheid, nur sei die auch schon lange vorher kaputt gewesen. Man habe auch bei der Brücke viel zu lange zugeschaut und gewartet. Und jetzt plötzlich gebe es die Quittung. „Es kommt gerade alles auf einmal. Damit hat man in der Politik nicht gerechnet.“ Die Inflation trage auch dazu bei, dass seine 177 Mitarbeiter mehr Geld verdienen müssten, fügt er hinzu. Auf die Frage, ob es letztendlich auch Arbeitsplätze treffen könnte, antwortet Jannack, dass, wenn sich die Gesamtsituation nicht ändere, „es letztlich dann auch die Mitarbeiter treffen wird.“

Auch bei Neosid Pemetzrieder am Langenscheid 26, Weltmarktführer in der Ferrit-Formgebung im keramischen Spritzgussverfahren, schaut man besorgt auf die Strompreis-Entwicklung. Ferrite werden für Hightech-Geräte wie Herzschrittmacher, Hörgeräte oder auch Ladestationen benötigt. Die Fabrikation der Ferrite ist enorm auf Strom angewiesen. Dementsprechend ist der Verbrauch immens. „Das Unternehmen verbraucht im Jahr deutlich über ein Gigawatt Strom pro Jahr“, erklärt Yilmaz Benzer, Geschäftsführer von Neosid Pemetzrieder.

Seit 2008 setzen wir verstärkt auf das Reduzieren von Umweltbelastungen.

Dr. Aloy Foecker, Umweltmanager bei Neosid

Die hohen Strompreise treffe die Firma sehr. Der Gasverbrauch liege dagegen bei 500 Megawatt. Auch den Gasverbrauch wolle man künftig reduzieren. „Wir prüfen gerade alle Heizungssysteme.“ Zudem lasse man Wärmepumpen testen und Druckluftmethoden ausprobieren. Zu den weiteren Belastungen, neben den Energiekosten, kämen auch,so Benzer, stark gestiegene Rohstoffpreise wie die von Nickel. Die Beschaffungskosten der Rohstoffe wie Nickel und Enoxid oder Mangan seien um zwischen 10 und 80 Prozent gestiegen. Auch die Lieferanten, die die Fracht transportieren, hätten die Preise deutlich angezogen. Für Lieferungen nach Fernost seien die Preise um das Fünffache angestiegen, „anstatt 1000 Euro kostet eine Sendung jetzt 5000 Euro“, sagt Benzer.

Ein anderer Schritt zur Reduzierung der Strom- und Gaskosten wurde bereits in diesem Jahr vollzogen: Eine große Solaranlage mit 330 Solarelementen auf den Dächern von Neosid. „Die Solaranlage produziert 130 Megawatt pro Jahr“, sagt Dr. Aloys Foecker, Leiter der Ferrit-Entwicklung und -Produktion sowie für das Umweltmanagement der Firma tätig. Zudem, sagt Foecker, setzte Neosid neuerdings einen E-Lieferwagen für eigene Lieferungen ein. „Seit 2008 setzen wir verstärkt auf das Reduzieren von Umweltbelastungen“, erklärt Foecker. Mit der Iso:14001:2015-Zertifizierung werde dem Unternehmen bescheinigt, dass es seine Umweltauswirkungen proaktiv managt und sich zur Vermeidung von Umweltverschmutzung, der Einhaltung von Rechtsvorschriften und zur kontinuierlichen Verbesserung verpflichte.

Was der Weltmarktführer jedoch nicht verhindern kann. „Auch wir müssen die gestiegen Kosten an die Kunden weitergeben“, sagt Benzer. Um keinen Kunden zu verlieren und die Anteile auf dem Weltmarkt zu behalten, werde man das von Kunde zu Kunde prüfen. „Wir gehen mit unseren Kunden Hand in Hand.“ Die Herausforderung dabei sei, auch mit den außereuropäischen Kunden, die nicht von der Energiekrise betroffen seien, einen Weg zu finden.

Unsere Maxime lautet aber ganz klar Rentabilität vor Marktanteilen.

Mirko Kanzok, Leiter für Controlling und Finanzen. vom Märkische Werk

Auch beim großen Nachbarn von Neosid, dem nächsten Weltmarktführer Märkischen Werk schaut man ganz genau auf die Entwicklung der Energiekosten. „Die Stromkosten befinden sich mittlerweile in einem sehr signifikanten Bereich“, erklärt Mirko Kanzok, Leiter für Controlling und Finanzen. vom Märkische Werk. Geheizt werden die riesigen Hallen mit Erdgas. Wobei die sich Kosten für das Gas in einem etwas niedrigeren Bereich befinden als für den Strom. „Wo die Reise mit den Kosten für das Gas hingeht, wissen wir erst 2023.“ Das Werk werde von gestiegenen Energiekosten doppelt getroffen: Auch die Lieferanten hätten die Lieferkosten deutlich angehoben. Und nicht nur das: Preise von Rohstoffen wie Legierungsmaterialien wie Chrom und Nickel hätten sich mehr als verdoppelt. „Es gibt aber Anzeichen, dass sich die Preise für die Rohstoffe normalisieren.“ Man könne diese Kostennsteigerungen nicht alle abfangen, „zum Teil müssen wir diese an unsere Kunden weitergeben“, sagt der Mitarbeiter des Märkischen Werks.

Das um 1859 gegründete Unternehmen, das damals aus einer Hofschmiede eines Rittersitzes hervorgegangen ist, ist heute Weltmarktführer in der Entwicklung, Herstellung und Überholung von Zylinderkopfsystemen und –komponenten für Verbrennungsmotoren, die in Schiffen, Kraftstationen, Lokomotiven, Öl-/Gasanlagen, sowie Hochleistungs-Rennsportmotoren eingebaut werden.

Das Märkische Werk setzt auf Nachhaltigkeit: Diese Wildblumenwiese wurde neu angepflanzt.
Das Märkische Werk setzt auf Nachhaltigkeit: Diese Wildblumenwiese wurde neu angepflanzt. © Thilo Kortmann

Der Weltmarktführer mit Kunden in Europa, Asien und USA steht vor der Herausforderung, die gestiegenen Energiekosten auf dem Weltmarkt weitergeben zu müssen. „Unsere außereuropäischen haben dieses Energieproblem nicht“, erklärt Kanzok. Es werde somit schwierig, diese Kostensteigerungen außerhalb von Europa weiterzugeben. „Unsere Maxime lautet aber ganz klar Rentabilität vor Marktanteilen“. Somit könne es passieren, dass man Kunden auf dem Weltmarkt verliere, sagt der Controller. Als Unternehmen setze man bereits seit Jahren auf Klimaneutralität, Nachhaltigkeit und die Reduzierung des CO2-Fußabdruckes.

Um Energie einzusparen werde bereits verstärkt mit LED gearbeitet, zudem gebe es Druckluftoptionen, ergänzt Mirko Kanzok. Inwiefern das Heizen der Räumlichkeiten geregelt werde, darüber sei noch nicht gesprochen worden. Fest steht allerdings: „Wir werden alle Optionen der Energiesparmöglichkeiten prüfen.“ Eine neu angepflanzte Wildblumenwiese am Verwaltungssitz markiert die zukünftige Ausrichtung des Märkischen Werkes: Hier setzt der Weltmarktführer klar auf Nachhaltigkeit.

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