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Die Haushaltsrede der UWG

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Von: Florian Hesse

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Dr. Sabine Wallmann, Fraktionsvorsitzende der UWG Halver
Dr. Sabine Wallmann, Fraktionsvorsitzende der UWG Halver © Privat

Dr. Sabine Wallmann, Fraktionsvorsitzende der UWG Halver

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Thienel,

liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

die UWG wird dem Haushalt in der vorliegenden Form zum ersten Mal seit vielen Jahren aus verschiedenen Gründen nicht zustimmen.

1.        Steuererhöhungen

Seit Monaten können wir vom Bürgermeister hören, dass ihm die Fantasie fehlt, wie man den Haushalt ohne eine Erhöhung der Grundsteuer B ausgleichen kann.

Dabei konnten Bund, Länder und Gemeinden in 2022 Rekordsteuereinnahmen verzeichnen. Auch Halver hatte Gewerbesteuer-Mehreinnahmen von über 50% bezogen auf den Plan, statt 8 Mio.€ 12,5 Mio.€ und damit mehr als jemals zuvor. Und auch für 2023 werden auf allen staatlichen Ebenen höhere Steuereinnahmen prognostiziert.

Bürgermeister und Kämmerer empfehlen der Politik den Blick in die Nachbarstädte, die höhere Steuersätze bereits haben. Schauen wir nach Kierspe. Etwa gleiche Einwohnerzahl, etwa gleiche Fläche und auch sonst als kreisabhängige Kommune im MK mit uns vergleichbar.

Die Jahresabschlüsse zeigen, dass Kierspe in den vergangenen Jahren trotz höherer Steuersätze immer um 4-5 Mio.€ geringere Steuereinnahmen hatte als Halver. Dies gilt auch für die Planzahlen von 2023. Höhere Steuersätze sind nicht eben nicht gleich höhere Steuereinnahmen. Und wir haben auch viele andere Dinge richtig gemacht.

Der Bürgermeister klagt, dass wir vom Land ca. 1,2 Mio. Schlüsselzuweisungen weniger überwiesen bekommen. Na kein Wunder bei den Steuereinnahmen 2022. Das können wir nur verhindern, wenn wir die Unternehmen bitten, weniger Gewinn zu machen….

Kierspe bekommt aufgrund seiner geringeren Steuerkraft höhere Schlüsselzuweisungen. Trotzdem ist ein Blick in den Ergebnishaushalt interessant. Hier finden wir in Kierspe „Ordentliche Aufwendungen“ von 40,3 Mio.€; in Halver dagegen 44,7 Mio.€, d.h. über 4 Mio.€ mehr. Dabei sind die großen Posten wie Personalaufwendungen, Kreisumlagen und Abschreibungen vergleichbar hoch. Das sollten wir uns alle noch mal genauer anschauen.

Auch Kierspe hat Probleme, die Enden aneinander zu bekommen. Erhöht Kierspe dann die Steuersätze? Nein. Es wurde einstimmig beschlossen, die Steuern nicht zu erhöhen. Ich zitiere Christian Reppel, SPD Kierspe: „Steuererhöhungen sind einfache Möglichkeiten. Lasst uns einfach die Steuern erhöhen. Die letzten in der Reihe nach der Stadt selbst sind die Bürger. Großartige Idee? Auf keinen Fall. In der aktuellen Situation …Steuern zu erhöhen ist keine gute Idee.“

Und ich gebe ihm Recht: Steuererhöhungen sind keine gute Idee. Wie sollen wir den Halveranern erklären, dass wir nach Jahren mit siebenstelligen Rekordergebnissen in den Jahresabschlüssen noch mehr Steuern brauchen? Dazu fehlt mir leider die Fantasie!

Steuererhöhungen sind in einer Zeit mit multiplen Krisen kontraproduktiv und inflationstreibend. Wir dürfen den Privaten Haushalten und Unternehmen nicht immer mehr Liquidität wegnehmen, Geld, welches sie nicht nur zur Deckung des täglichen Bedarfs, sondern auch für Investitionen in die Zukunft benötigen, bspw. Investitionen in Energieeffizienz, Dekarbonisierung, aber auch für Produkt- und Verfahrensinnovationen im Unternehmen.

Hinzu kommt die Grundsteuerreform 2025. Hier wissen wir heute noch nicht, welche Möglichkeiten die Kommunen haben, damit umzugehen. Jetzt schon einmal vorsorglich die Steuern zu erhöhen, halten wir auch aus diesem Grund für unlauter – auch wenn diesen Weg viele anderen Kommunen in NRW leider bewusst gehen.

2.        Bauprojekte

Mit dem Haushalt 2023 sollte der Rat zunächst Bauprojekte in Höhe von 23,7 Mio., nach neustem Stand der Projektliste immer noch 20 Mio. € beschließen. 

Schaut man zum Vergleich in die Jahresabschlüsse der Vergangenheit, so hat Halver zwischen 2013 und 2020 jährlich Beträge von 4 – 6,5 Mio € real verbaut. Diese Größenordnung ist realistisch machbar.

Und auch hier lohnt sich der Blick in die aktuellen Haushaltspläne der Nachbarstädte: Kierspe plant 1,5 Mio., Schalksmühle 3,13 Mio. und Meinerzhagen 6,4 Mio investiv zu verbauen.

Und Halver 20 Mio.€? Das können wir nicht leisten: nicht sachlich, nicht fachlich und auch nicht finanziell. Insofern können wir auch hier nicht zustimmen.

Das Problem ist hierbei nicht nur die schiere Anzahl an Bauprojekten, sondern auch die Tatsache, dass wir immer die 100% Lösung wollen – ohne Rücksicht auf die Kosten.

Ein Beispiel dafür sind die Aufzüge an den Schulen – insgesamt ein Millionenbetrag.

Auch in Schulen ist Barrierefreiheit ein wichtiges Ziel. Es stellt sich jedoch die Frage, ob wirklich jeder Raum einer Schule barrierefrei erreichbar sein muss. Es geht hier vielleicht auch ein bisschen kleiner. Denn „Barrierefreiheit“ kann man auch umfassender definieren. Wir wissen, dass überdurchschnittlich viele Kinder mit psychischen Problemen belastet sind (Corona-Folgen, Krieg in Europa, Angst vor dem Klimawandel u.v.m.) Damit erscheint eine schulpsychologische Betreuung wesentlich wichtiger als die 100%-Aufzuglösung. Wenn wir diese psychischen Barrieren nicht schnell erkennen und behandeln riskieren wir die Zukunft einer ganzen Generation. Hier müssen finanzielle Mittel umgeschichtet werden. Es kann nicht sein, dass wir Millionen in Aufzüge stecken und kein Geld für Schulpsychologie oder Schulsozialarbeit haben.

Und wenn wir dann noch von den Schulleitungen hören, dass die WLan-Netze 2023 immer noch nicht stabil laufen und die Bestellungen aus dem Digitalpakt nach über 2 Jahren immer noch nicht in den Schulen angekommen sind, fehlt uns dafür jegliches Verständnis.

Bevor wir als ultima ratio Steuererhöhungen in Betracht ziehen, müssen wir als Kommune zunächst unsere Hausaufgaben machen: professionelles Projektmanagement einführen, Projekte priorisieren, wirtschaftlicher planen und ausführen, in Organisationsabläufen digitaler und effizienter werden, Ausgaben kontrollieren, teure Energie einsparen.

Und schließlich fehlt uns in diesem Haushalt die Vision für die Zukunft. Es werden weiterhin erhöhte Aufwendungen auf die Stadt Halver zukommen. Wie sollen wir das stemmen? Immer weiter, Schritt für Schritt jedes Jahr an der Steuerschraube drehen? Diejenigen Einwohner und Unternehmen, die bereits hier sind, jedes Jahr ein bisschen stärker belasten?

Auch wenn einige von Ihnen das nicht hören wollen: Wir müssen diese Stadt weiter entwickeln und dazu gehören auch Baugrundstücke und Gewerbegebiete. Dabei sind Erträge aus Grundstücksverkäufen nur ein netter Nebeneffekt.

Das Entscheidende ist, dass wir damit langfristig unsere Einnahmen sichern – der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer ist abhängig von den in der Stadt erwirtschafteten Einkommen und der Steuerzahlungen. Die Höhe der Gewerbesteuer ist zunächst nicht vom Hebesatz abhängig, sondern von der erfolgreichen Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Gewerbetreibenden in der Stadt.

Die Zukunft zu gestalten - ökologisch, sozial und generationengerecht - wird Geld kosten. Dieses Geld muss erst erwirtschaftet werden, bevor Steuern gezahlt werden können.

Es ist gut, dass wir jetzt durch das Rechtsgutachten bestätigt bekommen haben, dass der Einleitungsbeschluss des Rates nach §13b BauGB im Jahr 2021 für die Neubaugebiete Herksiepe/Schillerstein nicht rechtswidrig war. Dies hatte der Bürgermeister in seiner Haushaltsrede im Dezember noch behauptet. Lassen Sie uns gemeinsam dort ein nachhaltiges und innovatives Wohngebiet entwickeln. Frau Luchterhand sprüht hier vor Ideen. Hören wir ihr zu. Wir haben viele Menschen, die sich in Halver ihr Leben aufbauen wollen, so wie viele von uns, die entweder zurückgekommen oder neu hier hingezogen sind. Wir haben viele Unternehmer, die hier ihr Unternehmen in die Zukunft führen wollen und Arbeitsplätze sichern und zusätzlich schaffen wollen.

Wollen wir ihnen das verwehren?

Wir könnten, wenn wir wollten den Haushaltsausgleich einfach durch Rückgriff auf die Ausgleichsrücklage erreichen, wobei die bisher geplanten Steuereinnahmen sehr konservativ geschätzt sind und daher der Fehlbetrag u.E. wesentlich geringer sein wird.

Der Griff in die Ausgleichsrücklage ist nämlich kein Buchungstrick. Dieser Ausgleichsrücklage wurden die Erträge der letzten Jahre als Gewinnvortrag zugeführt, Erträge in Millionenhöhe die wir als Stadt erwirtschaftet haben.

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