Yücel wirft Türkei Folter vor: So reagiert das Land - Erdogan kontert auch Wahl-Vorwürfe

Die Bürgermeisterwahl in Istanbul wird wiederholt. Die Begründung dazu bezeichnet ein EU-Kommissar als „Farce“. News-Ticker.
- Der Kandidat der Mitte-Links-Partei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Kommunalwahl in Istanbul am 31. März knapp vor dem Kandidaten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan gewonnen.
- Doch die Wahl wurde nun annulliert. Aus dem Ausland - insbesondere aus Deutschland - kommt heftige Kritik.
- Seit Dienstag ist der Gouverneur der Provinz Istanbul, Ali Yerlikaya, als Interimsverwalter im Amt. Er wurde von Erdogan eingesetzt. Damit ist die Stadtverwaltung wieder in der Hand der Regierung.
- Die Neuwahlen werden am 23. Juni stattfinden.
Update vom 16. Juli 2020: Ein türkisches Gericht hat nun das Urteil im Prozess gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel gesprochen.
+++ Update vom 23. Juni: Jetzt gilt es. Die Wahllokale in Istanbul haben geöffnet. Die Istanbuler brechen im ganzen Land ihren Urlaub ab und reisen zum Wählen in die Metropole. Wir begleiten den Wahllabend in einem Live-Ticker mit allen News, Ergebnissen und Stimmen zur Schicksalsabstimmung für Erdogan, die Istanbul-Wahl in der Türkei. +++
13. Mai, 10.45 Uhr: Dieser Ticker ist geschlossen. Alle News und neue Hintergründe gibt‘s hier.
11.30 Uhr: Nach einem Angriff auf einen oppositionellen Journalisten in der Türkei sind sechs Verdächtige festgenommen worden. Sie würden in der Hauptstadt Ankara verhört, meldete seine Zeitung - das nationalistische Blatt „Yenicag“ - am Sonntag.
Der Kolumnist Yavuz Selim Demirag war demnach am Freitag vor seiner Haustür in Ankara von mehreren Personen mit Baseballschlägern attackiert worden. Er seit mit Verletzungen am Kopf und Körper im Krankenhaus behandelt worden. Der Angriff ereignete sich nach einer von Demirag moderierten Fernsehsendung, in der es zuletzt auch um die Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul ging. Der Hintergrund der Tat war zunächst unklar.
Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu und die Chefin der nationalkonservativen Iyi-Partei, Meral Aksener, verurteilten den Angriff scharf. Aksener schrieb am Samstag auf Twitter: „Dieser feige Angriff ist gegen die Pressefreiheit und unsere Meinungsfreiheit gerichtet.“
Streit um Wahlannulierung in Istanbul: Erdogan teilt heftig aus
10.51 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Kritik an der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul scharf zurückgewiesen. "Unser Volk wird sich Drohungen und dem Druck nicht beugen", sagte Erdogan am Samstag bei einem Auftritt in der Millionenmetropole am Bosporus. Wer versuche, den "gewählten venezolanischen Staatschef" Nicolás Maduro zu stürzen, "der kann nicht von Demokratie sprechen", sagte Erdogan.
Mit Blick auf die Situation im Nahen Osten fügte Erdogan hinzu, wer nichts gegen den "israelischen Terror" unternehmen, dürfe auch "nichts über unseren Kampf für Rechte sagen". Die türkische Wahlkommission hatte in der vergangenen Woche einer Beschwerde der Regierungspartei AKP von Erdogan stattgegeben und eine Wiederholung der Wahl in Istanbul vom 31. März angeordnet.
Yücel wirft Türkei Folter vor - so reagiert das Land
10.20 Uhr: Das türkische Außenministerium hat den Vorwurf des Welt-Journalisten Deniz Yücel zurückgewiesen, er sei während seiner Haftzeit in der Türkei gefoltert worden. Zugleich wies es eine Mahnung des Auswärtiges Amtes an die Regierung in Ankara zurück, sich an die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen zu halten.
Die Vorwürfe seien in der Vergangenheit bereits von dem zuständigen Staatsanwaltschaftsbüro untersucht worden, das entschieden habe, die Sache nicht weiter zu verfolgen, hieß es in einer am Sonntagmorgen veröffentlichten Stellungnahme des türkischen Ministeriumssprechers Hami Aksoy. Seit 2003 gelte das Prinzip von „null Toleranz gegenüber Folter“. Die gegenstandslosen Anschuldigungen zielten darauf ab, die Türkei schlechtzumachen.
Die Stellungnahme aus dem deutschen Außenministerium (siehe Eintrag vom 11. Mai, 7.21 Uhr) sei völlig unbegründet, hieß es in der Erklärung aus Ankara vom Sonntag. Alle Orte in der Türkei, wo Menschen ihre Freiheit genommen sei, könnten „durch internationale Mechanismen überprüft“ werden.
Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul: EU-Kommissar mit deutlichen Worten
9.48 Uhr: Der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn hat die Begründung der türkischen Wahlbehörde für die Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul als „Farce“ bezeichnet. „In meiner ersten gemeinsamen Stellungnahme mit der EU-Außenbeauftragten (Federica) Mogherini haben wir die Notwendigkeit betont, dass die verantwortlichen Institutionen die Gründe für ihre derartig weitreichende Entscheidung darlegen. Das ist nicht geschehen“, sagte Hahn der „Welt am Sonntag“.
Der Wählerwille müsse in einer Demokratie respektiert werden, betonte der EU-Kommissar. „Es ist auch vollkommen inakzeptabel, dass gewählten Bürgermeistern ihre Zulassung zur Wahl nachträglich entzogen wurde, wie es im Südosten des Landes geschehen ist.“ All dies sei umso bedauerlicher, als die Bürger in der Türkei mit ihrer hohen Wahlbeteiligung demokratische Reife bewiesen hätten.
Die Hohe Wahlkommission hatte am Montag die Bürgermeisterwahl vom 31. März in Istanbul annulliert und eine Wiederholung am 23. Juni angeordnet. Sie gab damit einem Antrag der AKP, der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan, wegen angeblicher „Regelwidrigkeiten“ statt. In einem Schreiben an die Parteien nahm die Wahlkommission einen Kritikpunkt der AKP auf, wonach die Wahlräte teils rechtswidrig zusammengestellt worden seien. Der Kandidat der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Bürgermeisterwahl knapp vor Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim gewonnen. Das Mandat wurde Imamoglu wieder aberkannt.
Haft in Türkei: Deniz Yücel erhebt Foltervorwürfe - jetzt äußert sich das Auswärtige Amt
Update vom 11. Mai 2019, 7.21 Uhr: Nach der Aussage des Welt-Journalisten Deniz Yücel über Folter während seiner Haftzeit in der Türkei hat das Auswärtige Amt die Regierung in Ankara aufgefordert, sich an die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen zu halten. „Wir verurteilen jede Form von Folter und Misshandlung, sie stehen außerhalb des Rechts“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, ohne konkret auf die Foltervorwürfe Yücels einzugehen.
Sie forderte die türkische Regierung aber „mit Nachdruck“ dazu auf, „sich an die internationalen Standards zu halten, zu denen sie sich selbst verpflichtet hat“. Dazu gehörten neben der UN-Konvention auch Verpflichtungen des Europarats zur Verhütung von Folter. Die Türkei gehört wie Deutschland zu den 47 Mitgliedern des Europarats und zu den Vereinten Nationen.
Zum konkreten Fall Yücel sagte die Sprecherin lediglich: „Wir haben uns von Anfang an intensiv für konsularischen Zugang zu Deniz Yücel, für faire Haftbedingungen, für einen rechtsstaatlichen Prozess und für seine Freilassung eingesetzt.“
Deniz Yücel erhebt Foltervorwürfe: Erdogan-Vertrauter äußert sich
15.25 Uhr: Der AKP-Politiker und Erdogan-Vertraute Mustafa Yeneroglu bezweifelt, dass der Welt-Reporter Deniz Yücel während seiner Haft in Istanbul gefoltert worden ist. Yücel (45) hatte am Freitag vor dem Amtsgericht in Berlin ausgesagt, dass er in seinen ersten drei Tagen im Hochsicherheitsgefängnis Silivri von Vollzugsbeamten geschlagen, getreten und bedroht worden sei. Er machte Präsident Recep Tayyip Erdogan dafür verantwortlich. Yeneroglu sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich kann es mir nicht vorstellen. Es widerspricht den mir bekannten Vorfällen und auch seinen späteren Äußerungen mir gegenüber.“
Yeneroglu, der in Deutschland aufgewachsen ist und im angespannten deutsch-türkischen Verhältnis mitunter als Brückenbauer fungiert, hat Yücel nach eigenen Angaben im Gefängnis geholfen. „Damals hat sich die Ehefrau von Herrn Yücel insgesamt beunruhigt an mich gewandt. Anschließend habe ich mit seinen Anwälten gesprochen.“ Die hätten ihm von „verbaler Schikane und einer Schubserei“ berichtet. „Sofort habe ich massiv interveniert und die Wärter wurden ausgetauscht und disziplinarischen Maßnahmen unterzogen“, sagte Yeneroglu. „Aber von Folter oder Schlägen haben mir weder er oder seine Ehefrau noch seine Anwälte jemals berichtet.“
Opposition fordert nach Yücels Folter-Vorwürfen Konsequenzen
15.15 Uhr: Nach den Foltervorwürfen des „Welt“-Journalisten Deniz Yücel gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben deutsche Oppositionspolitiker Konsequenzen von der Bundesregierung gefordert. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, verlangte die sofortige Einbestellung des türkischen Botschafters ins Auswärtige Amt. Das sei nötig, „auch um weitere in türkischer Haft befindliche deutsche Staatsbürger vor Folter und Misshandlung zu schützen“, sagte die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe der Deutschen Presse-Agentur.
Deniz Yücel sei kein Einzelfall, betonte sie. „Immer wieder berichten Menschenrechtsorganisationen über Folter in türkischer Haft.“ Bundesregierung und Europäische Union müssten „diese grausame Praxis“ scharf verurteilen und Konsequenzen ziehen. „Der EU-Beitrittsprozess mit dem Folterregime Erdogan muss offiziell gestoppt werden.“
Deniz Yücel erhebt Foltervorwürfe - und nennt Erdogan „hauptverantwortlich“
13.14 Uhr: Der Welt-Korrespondent Deniz Yücel ist während seiner Haftzeit in der Türkei eigenen Angaben zufolge gefoltert worden. Yücel machte dafür am Freitag in einer Aussage vor dem Amtsgericht in Berlin den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verantwortlich. In der schriftlichen Fassung der Aussage, die der dpa vorliegt und über die zunächst die „Welt“ berichtete, erwähnt Yücel Schläge, Tritte, Erniedrigungen und Drohungen durch Vollzugsbeamte in seinen ersten Tagen im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul.
Gegen Yücel läuft in der Türkei ein Prozess, ihm wird unter anderem „Propaganda für eine Terrororganisation“ vorgeworfen. Das Gericht in der Türkei hatte zugestimmt, dass Yücel im Rahmen der Rechtshilfe vor einem Richter in Deutschland aussagen kann.
„Ich wurde im Gefängnis Silivri Nr. 9 drei Tage lang gefoltert“, hieß es in Yücels erster Aussage in dem Strafverfahren. „Womöglich auf direkte Veranlassung des türkischen Staatspräsidenten oder dessen engster Umgebung, auf jeden Fall aber infolge der Hetzkampagne, die er begonnen hatte und unter seiner Verantwortung. So oder so, der Hauptverantwortliche für die Folter, der ich ausgesetzt war, heißt Recep Tayyip Erdogan.“

10.06 Uhr: Ska Keller geht als Spitzenkandidatin der Grünen in die Europawahl. Im Interview macht sie sich Gedanken über die Türkei, die Kommissionsspitze und kritisiert das Verhalten von Angela Merkel und Co.
Istanbul-Wahl: Abgesetzter Bürgermeister kündigt "Revolution" an - Erdogan droht Kritikern
Update vom 10. Mai, 08.08 Uhr: Der abgesetzte Bürgermeister Ekrem Imamoglu ruft zu einer demokratischen Revolutuon auf. Und auch Pervin Buldan, Co-Vorsitzende der Kurdenpartei HDP, will die Demokratie stärken in dem sie und ihre Partei die Leute dazu aufrufen, wieder zur Wahl zu gehen.
Einen Boykott, zu dem andere Politiker gerne aufrufen möchten, hält Pervin Buldan für den falschen Weg, wie sie im Interview mit der Welt berichtet: „Ein Boykott würde nur Recep Tayyip Erdogan nützen. Herr Imamoglu hat die Wahl doch ganz klar gewonnen. Darum werden wir alle Bürger dazu aufrufen, erneut wählen zu gehen, um noch einmal zu zeigen, dass die Bevölkerung Imamoglu als Bürgermeister will.“ Doch die Bedenken, dass die AKP die Wahl beeifnlussen oder gar fälschen könnte bleibt. „Die AKP und Erdogan verlieren zunehmend an Macht. Die Wahlen vom 31. März stellen den Höhepunkt dieses Verlustes dar.
Daher wird Erdogan alles daransetzen, die Neuwahl in Istanbul zu gewinnen. Wir erwarten nicht, dass es eine faire, transparente und demokratische Wahl sein wird“, ist sich Pervin Buldan sicher.
Istanbul-Wahl: Abgesetzter Bürgermeister kündigt "Revolution" an - Erdogan droht Kritikern
15.50 Uhr: Im Streit um die Kommunalwahl von Istanbul legt sich Recep Tayyip Erdogan nun mit der türkischen Wirtschaft an. Die Unternehmervereinigung TÜSIAD hatte die Annullierung der Wahl kritisiert - die Rückkehr zum Wahlkampf sei „besorgniserregend“, in einer „Zeit, in der man sich auf wirtschaftliche und demokratische Reformen konzentrieren müsse“, twitterte der Verband bereits am Montag. Erdogan reagierte am Donnerstag laut einem Bericht der Bild mit einer kaum verhohlenen Drohung.
Vor AKP-Funktionären habe der türkische Präsident erklärt, der Verband „gehe zu weit“ und mache einen „Fehler“: „Seid ihr Unternehmer? Dann macht eure Arbeit. Wenn ihr euch in den Wahlkampf einmischt, dann wissen wir wo ihr steht. Und das sorgt dafür, dass wir ab jetzt anders auf euch schauen werden“, zitiert das Blatt Erdogan.
Inwieweit es eine gute Idee ist, nun die Wirtschaft im Land unter Druck zu setzen, scheint allerdings fraglich: Die Türkei steckt in einer wirtschaftlichen Krise. Bereits die Ankündigung der Wahlannullierung hatte die türkische Lira am Montag spürbar nachgeben lassen. Bemerkenswert ist die Kampfansage auch insofern, als dass der Bürgermeisterposten in Istanbul nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt als besonders wichtig gilt. In einem ernsthaften Clinch mit der Unternehmerschaft der Metropole dürfte dieser Trumpf allerdings wenig wert sein.
Istanbul-Wahl annulliert: Abgesetzter Bürgermeister kündigt "Revolution" für Demokratie an
Update vom 9. Mai, 14.44 Uhr: Istanbuls abgesetzter Bürgermeister Ekrem Imamoglu hat nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl eine "Revolution" für Demokratie angekündigt. "Was wir jetzt machen, ist ein Kampf für Demokratie und eine Mobilisierung für Demokratie", sagte Imamoglu der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag mit Blick auf die Wiederholung der Bürgermeisterwahl Ende Juni. "Das wird natürlich eine Revolution sein, sobald wir es zu Ende führen", fügte er hinzu.

Die türkische Wahlkommission YSK hatte am Montag nach massiven Beschwerden der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan die Wahl vom 31. März annulliert und eine Wiederholung angeordnet. Die Entscheidung löste scharfe Kritik im In- und Ausland aus.
Die sieben Mitglieder der Wahlkommission würden "als schwarzer Fleck" in die Geschichte eingehen, sagte Imamoglu. Sie hätten es versäumt, ihre Arbeit zu tun. Dies müsse korrigiert werden. "Wir kämpfen weiter", versicherte der Kandidat der linksnationalistischen Oppositionspartei CHP.
Istanbul-Wahl annulliert: Neuer Termin sorgt für Ärger - Badeort sagt Schnee im Sommer voraus
Update vom 8. Mai, 21.31 Uhr: Die türkische Wahlkommission YSK hat Kritik an der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul zurückgewiesen. "Es ist inakzeptabel, dass die Mitglieder der Kommission wegen ihrer Entscheidung persönlich angegriffen und diskreditiert werden", erklärte die Behörde nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch. Das Gremium werde weiterhin seine Pflicht tun, "trotz Drucks, Verleumdung, Beschimpfungen und Drohungen".
Die Wahlkommission hatte einer Beschwerde der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan stattgegeben und eine Wiederholung der Wahl in Istanbul vom 31. März angeordnet. Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP, der die Wahl knapp gewonnen hatte, sprach von "Verrat". Die Entscheidung stieß im In- und Ausland auf heftige Kritik. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte sie "nicht nachvollziehbar", die EU forderte eine "unverzügliche" Begründung.
Die Wahlwiederholung fällt mit dem 23. Juni auf einen Tag, an dem viele Istanbuler in Richtung Meer aufbrechen. Um die Menschen dennoch zur Wahl zu bewegen, zeigten sich die Anhänger der Oppositionspartei CHP ungewöhnlich kreativ.
So gab etwa die Stadtverwaltung des Badeorts Bodrum, wo die CHP die Mehrheit hat, eine Unwetterwarnung heraus. "Liebe Istanbuler, für den 23. Juni ist in Bodrum schwerer Schneefall vorhergesagt. Alle unsere Strände werden geschlossen sein", schrieb sie im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Wir empfehlen euch, an diesem Tag die Sonne in Istanbul zu genießen." Andere Küstenorte warnten vor "Temperaturen bis zu 150 Grad und einer 90-prozentigen Luftfeuchtigkeit".
Istanbul-Wahl: Weber geht auf Erdogan los - CHP will Präsidentenwahl 2018 annullieren lassen
Update vom 8. Mai, 15.21 Uhr: Prominente AKP-Politiker haben die Entscheidung zur Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul deutlich kritisiert. Der frühere Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wandte sich klar gegen den Schritt, den Präsident Recep Tayyip Erdogan ausdrücklich gefordert hatte. Auch Ex-Präsident Abdullah Gül, einer der Gründer der Regierungspartei AKP, kritisierte die Annullierung der Wahl, die der Kandidat der Opposition knapp gewonnen hatte.
Sowohl Gül als auch Davutoglu haben sich mit Erdogan überworfen. Immer wieder kursieren Gerüchte, sie wollten eine eigene Partei gründen und so dem amtierenden Präsidenten Konkurrenz machen.
Davutoglu schrieb am Dienstagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter, die Entscheidung zur Wahl-Annullierung habe "einen unserer fundamentalen Werte beschädigt". Weiter erklärte er, der größte Verlust für politische Bewegungen sei "nicht die Niederlage bei einer Wahl, sondern der Verlust der moralischen Überlegenheit und des sozialen Gewissens".
Gül, der von 2007 bis 2014 türkischer Präsident war, zog eine Parallele zum Jahr 2007. Damals hatte das Verfassungsgericht seine Wahl ins Präsidentenamt zunächst annulliert. "Es ist traurig, dass wir seitdem keinen Fortschritt machen konnten", sagte Gül.
CHP will Präsidenten- und Parlamentswahl von 2018 annullieren lassen
14.56 Uhr: Die türkische Oppositionspartei CHP hat am Mittwoch einen Antrag auf die Annulierung der Präsidenten- und Parlamentswahl von 2018 gestellt. Damals wurde unter anderem Präsident Recep Tayyip Erdogan wiedergewählt. Die CHP-Partei reagierte damit auf die Entscheidung der Wahlkommission, ihr den Sieg bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul abzuerkennen. Die Regierungspartei AKP hatte zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt.
Auch alle anderen Wahlgänge der diesjährigen Kommunalwahl, etwa für die Bezirksbürgermeister, sollten für nichtig erklärt werden, sagte der CHP-Vize-Chef Muharrem Erkek. In diesen Wahlgängen hatte die AKP viele Posten gewonnen. Erkek sagte, der Antrag sei bei der Wahlbehörde YSK eingegangen.
Zur Begründung ihrer Entscheidung für eine Neuwahl in Istanbul hatte die Wahlbehörde am Montag angegeben, nicht alle Helfer an den Wahlurnen seien Staatsbedienstete gewesen - so wie es die Vorschriften vorsähen.
„Wenn ihr (die Wahlkommission) sagt, die Wahl von Ekrem Imamoglu sei fragwürdig, dann ist die Wahl von Herrn Recep Tayyip Erdogan am 24. Juni ebenfalls fragwürdig.“ Denn auch bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seien „Zehntausende Menschen, die keine Staatsbedienstete waren, an Wahlurnen beschäftigt gewesen“. Die Wahlen von 2018 hatten Erdogans Macht weiter zementiert.
14.18 Uhr: Lesen Sie auch den Kommentar „Die Neuwahl in Istanbul könnte Erdogan endgültig beschädigen“ unseres Merkur-Redakteurs Sebastian Horsch zur Wahlannullierung in Istanbul.
Norbert Röttgen (CDU) warnt vor einer Eskalation der Konflikte in der Türkei
12.17 Uhr: Nach der umstrittenen Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul hat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), vor einer Eskalation der Konflikte in der Türkei gewarnt. "Das ist erstens willkürlich und zweitens ein schwerer politischer Fehler", sagte er zu der Wahl-Annullierung dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vom Mittwoch.
Die Entscheidung der Wahlbehörde werde "die Gesellschaft tiefer spalten und die Konflikte vielleicht noch zur Eskalation bringen, weil sich die Menschen betrogen fühlen". Es stelle sich die Frage, ob diese Entscheidung "die Planung des Wahlbetruges" ankündige. Röttgen sagte auch, die Annullierung sei "ein weiterer Schritt der Entfernung von der EU" für die Türkei. Die Beitrittsverhandlungen "liegen jetzt bei einer noch tieferen Temperatur auf Eis als bisher", betonte der CDU-Politiker.
Istanbul-Wahl annulliert: Jetzt geht Weber auf Erdogan los - und kündigt radikale Konsequenz an
10.03 Uhr: Mit den Neuwahlen in Istanbul könnte Türkei-Präsident Erdogan möglicherweise seine Macht im eigenen Land zementieren, seinem Land dürfte er damit jedoch einen Bärendienst erwiesen haben.
In einem TV-Interview mit dem Sender „n-tv“ verurteilte Manfred Weber (CSU) bereits am Dienstag, dass die Bürgermeisterwahl in Istanbul wiederholt wird. Das sei „für viele von uns in Europa nicht nachvollziehbar“, sagte der CSU-Politiker dem Sender. Der Vorgang zeige, „dass sich die Türkei in den letzten Jahren von den Werten Europas leider Gottes entfremdet hat“.
Für ihn steht die Konsequenz bereits fest: Es sei jetzt Zeit „zwischen der Türkei und der Europäischen Union zu ehrlichen Verhältnissen zu kommen“. Weber meint: „Die Türkei kann nicht Mitglied der EU werden.“ Und: „Ich möchte als Kommissionspräsident diese Gespräche dann auch beenden.“
Zwar hatte die EU die Beitrittsverhandlungen, unter anderem wegen den Verhaftungswellen nach dem Putschversuch im Sommer 2016 und der Beschneidung der Pressefreiheit, bis auf Weiteres auf Eis gelegt, offiziell beendet sind sie aber bisher nicht.
Das könnte sich ändern, wenn Weber Ende Mai zum neuen EU-Kommissionspräsidenten gewählt werden würde.
8.08 Uhr: Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul ringt die Opposition um ein gemeinsames Vorgehen im anstehenden Wahlkampf. Die kleine islamistische Oppositionspartei Saadet will am Mittwoch beraten und Medienberichten zufolge darüber entscheiden, ob sie bei einer Wahlwiederholung im Juni zugunsten des Kandidaten der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, auf einen eigenen Kandidaten verzichtet.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, das Innenministerium habe den Provinzgouverneur Ali Yerlikaya als Interimsbürgermeister eingesetzt. Die Gouverneure in der Türkei werden von Erdogan ernannt, der damit die Kontrolle über Istanbul zurückerhält.
Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP und die nationalkonservative Partei Iyi kritisierten die Entscheidung der Wahlbehörde scharf. Sie hatten Imamoglu schon bei der Abstimmung im März unterstützt und keine eigenen Kandidaten aufgestellt.
Türkei-News: Istanbul-Wahl annulliert: Abendliche Proteste in der Stadt
21.25 Uhr: Einen Tag nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul haben sich am Dienstagabend in mehreren Bezirken der Innenstadt Menschen zu abendlichen Protesten zusammengefunden. Sie verliefen weitgehend friedlich, beobachtet von Polizei und Beamten in Zivil. Demonstranten in Besiktas riefen zum Beispiel „das ist erst der Anfang, der Kampf geht weiter“ oder „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“, berichtete eine dpa-Reporterin vor Ort. Die Slogans gehen auf die regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 zurück. Auch die Rechtsanwaltskammer von Istanbul hatte für den späteren Abend zu einem Protest aufgerufen.
In anderen Vierteln war wieder zu hören, wie Menschen an geöffneten Fenstern auf Töpfe und Pfannen schlugen - eine Form des Protests, die ebenfalls aus der Zeit der Gezi-Proteste stammt. Durch das Viertel Kadiköy zogen einem Video des Onlinemediums Dokuz8Haber zufolge mehrere Hundert Menschen, die pfiffen und klatschten und Banner mit dem Slogan der Neuwahlkampagne trugen: „Alles wird gut“ (Her sey güzel olacak).
Den Slogan hatte Ekrem Imamoglu geprägt, Bürgermeisterkandidat der Mitte-Links-Oppositionspartei, der die Wahl in Istanbul am 31. März knapp vor dem Kandidaten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan gewonnen hatte.
Istanbul-Wahl annulliert: EU verlangt Erklärungen - Steinmeier „sehr besorgt“
19.00 Uhr: Die nach massivem Druck der türkischen Regierungspartei AKP erfolgte Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul ist im In- und Ausland auf heftige Kritik gestoßen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte die Entscheidung "nicht nachvollziehbar", die EU forderte eine "unverzügliche" Begründung. Die türkische Oppositionspartei CHP von Wahlsieger Ekrem Imamoglu sprach von einem "Putsch" gegen die Wahlurnen.
Die EU rief die türkische Wahlbehörde auf, "unverzüglich" die Gründe für die Wiederholung der Wahl zu nennen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn erklärten, freie, faire und transparente Wahlen seien für jede Demokratie unverzichtbar. Sie verlangten auch die Zulassung internationaler Wahlbeobachter bei einer Neuwahl.
Bundespräsident Steinmeier kritisierte, der Oberste Wahlrat der Türkei habe "keine überzeugenden Gründe genannt, die zu einer Ungültigkeit der Wahlen in Istanbul führen müssen". "Gerade weil mir die Zukunft der Türkei und der Wert der Demokratie am Herzen liegen, bin ich sehr besorgt über die angeordnete Wiederholung der Wahl", erklärte er.
Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für die Europawahl, Frans Timmermans, nannte die Annullierung "eine schreckliche Sache". Erdogan habe "offenbar Angst vor der Demokratie", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Istanbul-Wahl annulliert: Erdogan freut sich über „Stärkung der Demokratie“
13.14 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Entscheidung der Wahlbehörde zur Annullierung der Abstimmung in Istanbul als „wichtigen Schritt zur Stärkung unserer Demokratie“ begrüßt. Zugleich verteidigte er den Antrag auf Wiederholung seiner Regierungspartei AKP. „Wir glauben aufrichtig daran, dass es bei den Wahlen in Istanbul eine organisierte Korruption, eine totale Gesetzlosigkeit und Rechtswidrigkeit gegeben hat“, sagte Erdogan am Dienstag vor seiner Partei in Ankara.
Update 10.36 Uhr: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat angesichts der annullierten Istanbuler Bürgermeister-Wahl erneut das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert. „Wer demokratische Wahlen nicht akzeptiert, hat in der EU nichts verloren“, erklärte Kurz am Dienstag. Die Türkei habe sich seit Jahren - insbesondere seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 - in immer größeren Schritten von der EU entfernt. „Es gibt immer noch starke systematische Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit.“
Istanbul-Wahl annulliert - jetzt gehen deutsche Politiker auf Erdogan los
Die türkische Wahlkommission hat die Bürgermeisterwahl in Istanbul annulliert und eine Wiederholung angeordnet. Damit gab sie einem Antrag der Regierungspartei AKP statt.
Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP nutzte nach eigenen Angaben den Weg einer "außerordentlichen Beschwerde". Diese kann laut Gesetz eingelegt werden, wenn es Vorfälle gegeben hat, die das Wahlergebnis beeinflussen. Die AKP und Erdogan sind der Meinung, dass die Abstimmung in Istanbul regelwidrig ablief.
Türkei: Wütende Reaktionen gegen Erdogan nach Wahl-Annullierung in Istanbul
Am 31. März war Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu als Sieger hervorgegangen. Istanbul gilt als wichtigste Kommune der Türkei. Wer Istanbul regiert, dem gehört die Türkei heißt es.
Vernichtende Kritik kam aus Deutschland etwa von den Linken und der FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl*, Nicola Beer. Sie schrieb auf Twitter: „Erdogan akzeptiert die Niederlage nicht. So ist die Türkei kein Partner mehr für die EU!“ Die Linken-Chefin Katja Kipping schrieb auf Twitter: „Unglaublich, Erdogan lässt in Istanbul neu wählen, weil ihm das Ergebnis nicht passt. Die Bundesregierung sollte dem gewählten neuen Bürgermeister Imamoglu jetzt den Rücken stärken. Auch Trump macht gerade wieder von sich reden: Zwei Trump-Tweets erschüttern Weltbörsen.
Türkei: Roth empört über Erdogan
Auch die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth, empörte sich über die Entscheidung der türkischen Wahlkommission, die Bürgermeisterwahl in Istanbul zu annullieren und wiederholen zu lassen. „Die Entscheidung der Wahlkommission ist auch Ergebnis massivsten Drucks von ganz oben. Das Signal ist verheerend: Gezielt scheinen Präsident Erdogan und seine AKP all jene eines Schlechteren belehren zu wollen, die nach der Kommunalwahl auf einen demokratischen Wandel gehofft hatten“, sagte die Grünen-Politikerin.
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Die Entscheidung der Wahlkommission könnte sich auch auf die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft auswirken und zu einem weiteren Verfall der Lira führen. Vor allem Lebensmittel werden immer teurer. Erdogans Probleme dürften trotz der erreichten Neuwahl nicht geringer werden.
Erdogan-Sprecher verteidigt Wahl-Annullierung in Istanbul
Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul hat der Kommunikationsdirektor von Präsident Recep Tayyip Erdogan die Entscheidung als „Sieg der Demokratie“ verteidigt. In einer am Dienstag auf der Webseite des Presseamtes veröffentlichten Stellungnahme, die er demnach auch der Nachrichtenagentur AP gegeben hatte, sagte Fahrettin Altun: „Die Entscheidung des Hohen Wahlrats sollte als ein Versuch gesehen werden, den Wahlresultaten dabei zu helfen, den Willen der Nation korrekt widerzuspiegeln.“
Alle Parteien sollten sicherstellen, dass ähnliche Probleme bei der Wiederholung der Wahl am 23. Juni nicht wieder vorkämen, hieß es in der Stellungnahme weiter. „Was auch immer das Resultat ist, Wahlen müssen gemäß den Gesetzen und Verfahren stattfinden.“ Sich nicht daran zu halten, werde Fragen über die Legitimität der Gewählten aufwerfen und das Fundament der türkischen Demokratie schwächen.
Der Streit um den Raketen-Deal mit Russland scheint zu eskalieren. Die USA haben der Erdogan ein Ultimatum gesetzt, um auf den Kauf zu verzichten. Die Türkei verurteilt die US-Forderung.
Der Grünen-Politiker Cemal Bozoğlu wird die Wahl in Istanbul vor Ort beobachten. Er glaubt, dass es bei einer Niederlage schwer für die Erdogan-Partei AKP wird, noch lange an der Macht zu bleiben. Wir haben mit dem gebürtigen Türken gesprochen.