„Große Schande“: Als Istanbuls CHP-Kandidat über Erdogans Partei schimpft, bricht Sender Interview ab

Der vorzeitige Abbruch eines Fernsehinterviews mit dem Istanbuler Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu hat in der Türkei für scharfe Kritik gesorgt.
- Die Partei des türkischen Präsidenten Erdogan annulliert Wahlergebnis von Istanbul.
- Die Neuwahlen in der Metropole Istanbul sind für 23. Juni terminiert.
- Ein türkischer CNN-Moderator brach ein Interview mit dem Istanbuler Oppositionskandidaten Imamoglu ab. Das hat für scharfe Kritik gesorgt.
Update vom 21. Mai 2019, 14.24 Uhr: Eine Schadenersatzklage des deutschen „Welt“-Reporters Deniz Yücel wegen seiner einjährigen Untersuchungshaft in der Türkei muss nun doch geprüft werden. Das habe ein Berufungsgericht in Istanbul entschieden, wie Yücels Anwalt, Veysel Ok, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag bestätigte.
Ein untergeordnetes Gericht hatte die Schadenersatzklage Yücels im September abgelehnt, mit der Begründung, dass der Prozess gegen Yücel noch nicht abgeschlossen sei. Das Berufungsgericht entschied nach Angaben von Ok nun, dass die Entschädigungsklage auch ohne Urteil im Verfahren gegen Yücel bewertet werden müsse. Zunächst hatte die „Welt“ darüber berichtet.
13.31 Uhr: Die türkischen Behörden haben im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 erneut die Festnahme von mehr als 200 mutmaßlichen Gülen-Anhängern angeordnet. In einer von der Staatsanwaltschaft in Ankara geleiteten Ermittlung werden 129 aktive oder ehemalige Soldaten sowie elf Imame gesucht, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag berichtete. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft habe zudem die Festnahme von 74 Verdächtigen angeordnet.
Ihnen würden Verbindungen zum in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen, den die türkische Regierung für den gescheiterten Putsch verantwortlich macht. Bereits am Montag hatten Razzien gegen rund 250 mutmaßliche Gülen-Anhänger in mehreren Provinzen des Landes stattgefunden.
Seit dem Putschversuch vom Juli 2016 geht die türkische Regierung gegen die Gülen-Bewegung, aber auch gegen Oppositionelle vor. Zehntausende wurden aus dem Staatsdienst entlassen. Nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan sind zurzeit mehr als 30.000 mutmaßliche Gülen-Anhänger in türkischen Gefängnissen.
Erstmeldung: „Große Schande“: Als Istanbuls CHP-Kandidat über Erdogans Partei schimpft, bricht Sender Interview ab
Istanbul - Der Moderator Ahmet Hakan brach am Montagabend ein seltenes Interview mit Imamoglu im Sender CNN Türk vorzeitig ab, als der CHP-Politiker gerade über die Verschwendung von Steuermitteln in der Bosporus-Metropole durch die Bürgermeister der Regierungspartei AKP sprach.
Die Journalistin Sevilay Yilman sprach anschließend auf Twitter von einer "großen Schande". Der Musiker Ferhat Tunc warf dem Moderator "Rückgratlosigkeit und Feigheit" vor, während der Journalist Atilla Tas schrieb, statt "Neutrale Zone" sollte Hakans Sendung "Die Stimme seines Herren" heißen. Hakan hatte die Sendung eine halbe Stunde vor ihrem Ende abgebrochen, als Imamoglu über unnötige Ausgaben der Stadtverwaltung sprechen wollte.
Kritik in der Türkei nach Abbruch von Interview mit CHP-Kandidat Imamoglu
Der CHP-Politiker hatte insbesondere moniert, dass Millionen Lira für unnötige Dienstwagen und nicht realisierte Projekte ausgegeben worden seien. Er hatte die Kommunalwahl in Istanbul am 31. März knapp gewonnen und war zwei Wochen später als Bürgermeister eingesetzt worden. Nach einer Beschwerde der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan ordnete die Wahlkommission Anfang Mai aber eine Wiederholung der Wahl am 23. Juni an.
Der Nachrichtensender CNN Türk und die meisten anderen Medien in der Türkei stehen unter der Kontrolle regierungsnaher Konzerne. CNN Türk wurde vergangenes Jahr an die Demirören-Gruppe verkauft, die enge Verbindungen zu Erdogan hat. Die Oppositionsparteien kritisieren seit langem, dass ihre Politiker im Fernsehen kaum Sendezeit erhalten, während die Kundgebungen des Regierungslagers in voller Länge übertragen werden.
Der Streit um den Raketen-Deal mit Russland scheint zu eskalieren. Die USA haben der Erdogan ein Ultimatum gesetzt, um auf den Kauf zu verzichten. Die Türkei verurteilt die US-Forderung.
Der Grünen-Politiker Cemal Bozoğlu wird die Wahl in Istanbul vor Ort beobachten. Er glaubt, dass es bei einer Niederlage schwer für die Erdogan-Partei AKP wird, noch lange an der Macht zu bleiben. Wir haben mit dem gebürtigen Türken gesprochen.
+++ Update vom 23. Juni: Jetzt gilt es. Die Wahllokale in Istanbul haben geöffnet. Die Istanbuler brechen im ganzen Land ihren Urlaub ab und reisen zum Wählen in die Metropole. Wir begleiten den Wahllabend in einem Live-Ticker mit allen News, Ergebnissen und Stimmen zur Schicksalsabstimmung für Erdogan, die Istanbul-Wahl in der Türkei. +++
AFP