FDP-Mann Lambsdorff attackiert Sachsen-Chef bei Lanz: „Kretschmer schwächt deutsche Position“

Graf Lambsdorff ist genervt davon, wie Lars Klingbeil und Saskia Esken über Robert Habeck reden. Gerhard Schröder wirft er Amtsmissbrauch vor.
Hamburg – Den Platz direkt neben Markus Lanz nimmt an diesem Dienstag mit Alexander Graf Lambsdorff ein ausgewiesener Experte in der Außenpolitik ein. Wie immer in Talkshows, in denen der FDP-Politiker zu Gast ist, darf auch dieses Mal der mehrmalige Hinweis nicht fehlen, dass Graf Lambsdorff „ausgebildeter Diplomat“ ist.
Mit dieser Bemerkung verknüpft Lanz sichtlich erwartungsfroh solche Fragen, deren Beantwortung es erwarten lassen, dass klare Kante gezeigt werden müsste. So dann auch, als Graf Lambsdorff mit dem „Hauen und Stechen“ in der Ampel-Koalition konfrontiert wird: „Ganz ehrlich? Ich kann ja verstehen, dass ein Minister wie Robert Habeck, der unglaublich beliebt ist, bei anderen Politikern eine gewisse Nervosität verursacht.“ Trotzdem habe er kein Verständnis für den Umgang mit Habeck, „gerade vonseiten der SPD“. Dabei nennt er namentlich die Parteispitze um Saskia Esken und Lars Klingbeil.
Die große Beliebtheit Habecks lasse sich durch seine Kommunikation begründen. „Wer noch?“, möchte Lanz weitere Politiker mit dieser Eigenschaft genannt bekommen. „Auch Annalena Baerbock zum Beispiel“, sagt Graf Lambsdorff. Auf nochmalige Nachfrage geht es noch weiter: „Mein Parteivorsitzender. Auch der Kanzler.“ Damit schafft es Olaf Scholz immerhin an die vierte Stelle der Aufzählung – woraufhin Markus Lanz große Augen macht und ungläubig nachfragt: „Der Kanzler?“ Graf Lambsdorff rutscht auf seinem Sessel umher und lässt seinen Blick schweifen, bevor er sagt, dass Scholz „eine ganz andere Art zu kommunizieren“ habe, was in der Talkrunde für Erheiterung sorgt.
„Markus Lanz“ - diese Gäste diskutierten am 30. August:
- Alexander Graf Lambsdorff (FDP) – Außenpolitiker
- Anja Maier – Journalistin
- Kathrin Witsch – Journalistin
- Marcel Fratzscher – Ökonom
Dann möchte Lanz den von Finanzminister Christian Lindner genannten Begriff „Gratis-Mentalität“ beleuchtet wissen. Was hält Graf Lambsdorff von diesem Ausdruck? „Damit tritt man den Leuten, die sich das Neun-Euro-Ticket geholt haben, vielleicht etwas zu Nahe. Aber das darunter liegende ist richtig, dass es keine Dauerlösung ist.“ Trotzdem sei das Ticket ein Erfolg gewesen, weil dadurch der Tarifdschungel gelichtet wurde. Das ändert aber nichts an seiner grundsätzlichen Haltung: „Etwas zu bekommen für nichts, das ist keine Art, wie man Politik machen kann.“
Der Ökonom Marcel Fratzscher macht darauf aufmerksam, dass dies in anderer Hinsicht gelebte Praxis ist. „Warum sind Autobahnen kostenlos? Warum ist Diesel günstiger als Benzin? Das ist ein altes Überbleibsel. Oder denken wir an das Dienstwagenprivileg. Wenn man Klimaschutz ernstnimmt, müssen wir das Verhalten, das klimaschädlich ist, stärker besteuern.“ Außerdem kritisiert Fratzscher die Marktposition von Uniper. In der aktuellen Situation sei es alternativlos gewesen, das Unternehmen zu retten. Die Marktstellung von Uniper sei aber, „wie bei Roulette alles auf eine Zahl zu setzen“. Nun müssten die Kosten dafür getragen werden. Doch von wem? „Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert, das geht in einer sozialen Marktwirtschaft nicht“, sagt Fratzscher.
Markus Lanz hinterfragt die „Nordstream-2“-Pläne
Im Anschluss möchte Lanz von Graf Lambsdorff, der von 2004 bis 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments war, wissen, wie man in Brüssel über Nordstream 2 gesprochen hat. Immerhin habe es enormen Widerstand gegeben. Dazu sagt Lanz: „Die Skandinavier waren dagegen, die Polen waren dagegen, das gesamte Baltikum war dagegen, unsere unmittelbaren Nachbarn waren alle dagegen. Brüssel war dagegen, Amerika war dagegen und sogar Republikaner und Demokraten waren sich einig, dass sie dagegen sind.“ Graf Lambsdorff nickt und bestätigt jede Nennung mit „richtig“ oder „exakt“. „Nur wir wollten das?“, fragt Lanz – „Genau!“. „Warum? Wie haben Sie mit Ihren Kollegen darüber gesprochen?“, hakt Lanz nach.
„Das eine ist Nordstream 1, 2005, Gerhard Schröder. Der hat die NRW-Wahl verloren, dann wurde Rot-Grün aufgekündigt, dann hat er Nordstream 1 genehmigt und wurde kurz nach der Wahl dann dort der Aufsichtsratschef“, erklärt Graf Lambsdorff. Dann hebt er den Zeigefinger: „Da haben mir meine Kollegen aus all den Ländern, die gerade beigetreten waren, Polen und Bulgarien zum Beispiel, gesagt: ‚Ihr Deutschen, ihr erzählt uns nie wieder was über Staatskorruption.‘ Der Kanzler hat sein Amt missbraucht, um sich selbst zu bereichern. Und das auf Kosten von uns, den Polen, den Balten.“
Nordstream 2 sei dann sogar noch nach der Krim-Annexion von Angela Merkel vorangetrieben worden, obwohl Deutschland diplomatisch komplett isoliert gewesen sei. „Und ich habe das als jemand, der in der FDP für die Außenpolitik verantwortlich ist, immer auch sehr deutlich markiert, dass die Entscheidung für Nordstream 2 ein Fehler ist“, sagt Graf Lambsdorff.
Gefährdet die Übergewinnsteuer die soziale Marktwirtschaft?
Lanz schwenkt um zur Übergewinnsteuer und fragt Graf Lambsdorff: „Warum wehren Sie sich mit Händen und Füßen gegen eine Übergewinnsteuer? Ich habe auf der Homepage der FDP gelesen, das gefährde die soziale Marktwirtschaft. Geht’s nicht auch ein bisschen kleiner?“ „Ja“, lautet die nüchterne Antwort. Über die Formulierung ließe sich streiten. Aber die Politik müsse dann die Entscheidung treffen, welche Gewinne Übergewinne sind und welche nicht. Gerade sei der Konsens zu sagen, man soll die Energieunternehmen nehmen. Dies sei aber mit dem steuerrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar.
Markus Lanz fragt Anja Maier nach ihrer Haltung bezogen auf die Aussage von Michael Kretschmer bei Lanz, man müsse den Ukraine-Konflikt nun endlich einfrieren. Maier bezeichnet dies als „kindlichen Zug der Realpolitik ohne zu wissen, wie das eigentlich funktioniert“. Hintergrund der Äußerung von Kretschmer sei, dass in seinem Bundesland die Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine schwinde und auch durch die Preissteigerungen weiter schwinden werde. Die Äußerung lässt Maier „zweifeln an seiner Fähigkeit, das ist ein Spitzenpolitiker, ein Landesvater“. Graf Lambsdorff stimmt dem zu: „Was Kretschmer gemacht hat, ist eine Schwächung der deutschen Position. Darüber wird natürlich auch in Russland breit berichtet.“
„Markus Lanz“ - Das Fazit der Sendung
Graf Lambsdorff gibt erwartungsgemäß den Ton an. Deutlich wird er in seiner Kritik an der SPD, Gerhard Schröder und Angela Merkel, verteidigt bei der Energiepolitik und der Übergewinnsteuer aber seine Parteilinie. Einhellig und hart geht die Runde mit Michael Kretschmer ins Gericht. (Christoph Heuser)