Nach Worten des CDU-Generalsekretärs Josef Hovenjürgen hat Wüst das beste Ergebnis eines Spitzenkandidaten der NRW-CDU mindestens seit dem Jahr 2000 erzielt. Kutschaty, der auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender ist, bezeichnete sein eigenes Resultat zwar als „Traumergebnis“. Aber er erreichte nicht das Ergebnis der einstigen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die 2017 mit 100 Prozent zur Spitzenkandidatin gekürt worden war – und die Landtagswahl verlor.
Damit sind die beiden Spitzenkandidaten für die Wahl offiziell gewählt.
Wüst kündigte einen kurzen, aber intensiven Wahlkampf nach Ostern an. „Die Menschen in Nordrhein-Westfalen erwarten von uns, dass wir sie raus aus der Pandemie bringen“, sagte er. „Für Wahlkampf haben sie in diesen Wochen kein Verständnis.“ Der Landesparteichef will in den nächsten Wochen mit CDU-Mitgliedern in digitalen Themenforen über Ideen und Anregungen diskutieren. Anschließend werde die NRW-CDU ihr Programm für die Zukunft vorstellen.
Kutschaty ist bereits im Wahlkampffieber. „Der Wahlkampf ist eröffnet“, sagte er am Ende des Delegiertentreffens. „Wir gehen raus zu den Menschen (...).“ Alle Wahlkämpfer seien „motiviert bis in die letzte Haarspitze“. Die SPD werde einen fairen Wahlkampf führen. „Nordrhein-Westfalen braucht einen sozialen Neustart und eine SPD-geführte Landesregierung“, sagte Kutschaty. „Ich will Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden.“ Unterstützt wurde Kutschaty mit Grußworten von Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD). NRW müsse genauso wie Deutschland anders regiert werden und brauche einen Aufbruch, sagte der Kanzler. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) verwies auf den Sieg der SPD bei der Bundestagswahl im Endspurt des Wahlkampfs.
In NRW regiert seit 2017 eine schwarz-gelbe Koalition. Umfragen zur Wahl zufolge könnte das Rennen zwischen CDU und SPD in NRW knapp werden, nachdem die Christdemokraten in dem Bundesland direkt nach der Bundestagswahl noch deutlich hinter der SPD rangierten. Laut einer Insa-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ käme die SPD derzeit auf 29 Prozent und läge damit zwei Punkte vor der CDU mit 27 Prozent. Eine Forsa-Umfrage hatte dagegen umgekehrt Anfang Februar die CDU mit 29 Prozent vor der SPD mit 27 Prozent gesehen.
Wüst hatte das Amt des NRW-Ministerpräsidenten Ende Oktober übernommen, nachdem sein Vorgänger Armin Laschet als Unionskanzlerkandidat bei der Bundestagswahl gescheitert war. Seit rund 100 Tagen sei er jetzt Ministerpräsident, sagte Wüst. Seitdem sei der gravierende Rückstand auf die politische Konkurrenz aufgeholt worden. „Heute ist jedem klar: Mit uns ist wieder zu rechnen.“
Anders als die CDU beschloss die NRW-SPD mit großer Mehrheit von 96,5 Prozent bereits ihr Wahlprogramm, das sie mit „Regierungsprogramm“ und dem Motto „Unser Land von morgen“ überschrieben hat. Unter anderem wollen die Sozialdemokraten ein kostenfreies Schülerticket und die gleiche Besoldung für Lehrkräfte einführen. Die Energiewende soll mit einem Transformationsfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro vorangetrieben werden. Pro Jahr sollen in NRW 100 000 neue Wohnungen gebaut werden, davon 25 000 Sozialwohnungen. Die Straßenbaubeiträge will die SPD abschaffen. Schon Anfang Februar hatte die CDU Wüst auf die Kandidaten-Vorschlagliste auf Platz eins gewählt.
Wüst zog vor 238 Delegierten in der Essener Grugahalle eine Leistungsbilanz quer durch alle Ressorts der schwarz-gelben Landesregierung. Unter dem Leitsatz: „Es macht einen Unterschied, wenn wir regieren“, verwies er unter anderem auf Fortschritte bei der Inneren Sicherheit, Digitalisierung, bei zusätzlichen Lehrerstellen und einem weiteren beitragsfreien Kita-Jahr. Kutschaty kündigte an, die Schulpolitik in NRW wieder zur Chefsache machen zu wollen. In einer SPD-geführten Landesregierung werde es „keine Mails mehr am Freitagnachmittag ins Lehrerzimmer geben, keine E-Mail-Überfälle mehr am späten Abend und keine Flucht mehr aus der Verantwortung“, sagte er mit Blick auf oft überraschende Entscheidungen der amtierenden FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer in der Corona-Pandemie.
Wüst versprach, alles dafür zu tun, um Heiz- und Mobilitätskosten nicht zur neuen sozialen Frage werden zu lassen. Wüst sowie auch sein Rivale Kutschaty forderten eine schnelle Abschaffung der Ökostrom-Umlage (EEG-Umlage). Wüst sagte, die Mehrwertsteuer bei den Heizkosten müsse auf sieben Prozent und die Stromsteuer „auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden“. Die Bundesregierung müsse die Pendlerpauschale erhöhen. Auch Kutschaty forderte die Ampel-Regierung in Berlin auf, Menschen mit unteren Einkommen noch deutlich mehr zu entlasten.
Die CDU- und die SPD-Delegierten wählten ihre Landeslisten mit jeweils rund 130 Kandidaten und Kandidatinnen für die Landtagswahl. Auf die ersten zehn Plätze wurden bei der CDU überwiegend Kabinettsmitglieder gewählt, darunter NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, Innenminister Herbert Reul, Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, Verkehrsministerin Ina Brandes und Finanzminister Lutz Lienenkämper.
Bei der SPD folgt hinter Spitzenkandidat Kutschaty die Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin Sarah Philipp auf Platz zwei und der Abgeordnete André Stinka auf Platz drei. Auf Platz fünf steht der Schulexperte Jochen Ott.