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NRW-Kleinstadt ist laut Studie Kokain-Hochburg – „Zeichnet ein falsches Bild“

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Von: Marvin K. Hoffmann

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Dülmen würde wohl niemand als Drogen-Hotspot oder Kokain-Hochburg kennen. Eine Studie vermittelt nun jedoch genau diesen Eindruck der NRW-Kleinstadt.

Hamm/Dülmen – Eine Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), für die Drogenrückstände im Abwasser analysiert worden sind, sorgt für Aufsehen. Bei den Kokain-Rückständen pro 1.000 Einwohner taucht Berlin auf Nummer eins der untersuchten deutschen Städte auf. Auf Platz zwei und drei liegen Dortmund und München – und auf Platz sechs die Kleinstadt Dülmen aus der Nähe von Münster (NRW). Dülmen? Eine Kokain-Hochburg? Das kann nicht sein, meinen viele – und der Schein trügt in der Tat.

NRW-Kleinstadt Dülmen taucht in Statistik als Kokain-Hochburg auf – der Schein trügt

„Dieses Ranking, das aktuell unter anderem durch die sozialen Medien ‚geistert‘, ist aus meiner Sicht zum einen nur bedingt aussagekräftig, zum anderen zeichnet es ein falsches Bild unserer Stadt“, erklärt André Siemens auf Nachfrage von wa.de. Der Pressesprecher der Stadt Dülmen wirkt verärgert. „Die Zahl der untersuchten Städte in Deutschland betrug 10! Dass man dann in einem ‚Top10-Ranking‘ mit Berlin, Dortmund und Dresden auftaucht, ist wenig verwunderlich – dafür aber umso verzerrter und zweifelhafter in der Darstellung“, meint Siemens mit Bezug auf das EMCDDA-Ranking, das die Kokain-Rückstände im Abwasser dieser Städten in mg pro 1.000 Personen pro Tag (Zahlen in Klammern) angibt:

  1. Berlin (541)
  2. Dortmund (350)
  3. München (236)
  4. Magdeburg (203)
  5. Saarbrücken (196)
  6. Dülmen (129)
  7. Erfurt (78)
  8. Nürnberg (62)
  9. Dresden (49)
  10. Chemnitz (27)

Dass Dülmen in der Kokain- und Drogen-Statistik überhaupt einen Platz einnimmt, hat einen einfachen Grund. Für die Auswahl der Messstellen im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht zeichnet sich die Emschergenossenschaft respektive der Lippeverband (EGLV) verantwortlich. Bestimmte Kriterien zur Auswahl der Messstellen habe es dabei nicht gegeben. „Wir haben je eine innerstädtische (Dortmund-Deusen) und eine eher ländlicher gelegene Kläranlage (Dülmen) ausgewählt“, erklärt Ilias Abawi vom EGLV im Gespräch mit wa.de.

Dülmen ist also mehr oder weniger durch Zufall beziehungsweise aufgrund der ländlichen Lage ins Kokain-Ranking, in dem Dortmund schon mal ziemlich weit oben zu finden war, gerutscht. „Einfluss haben wir insofern, dass wir die Anlagen benennen dürfen. Dülmen haben wir genommen, weil es einer unserer am weitesten vom Ballungsraum Ruhrgebiet entfernten Kläranlagen ist“, sagt Abawi. Theoretisch käme jede Kläranlage infrage. Immer wieder taucht aber Dülmen auf. Sehr zum Ärger der beschaulichen Kleinstadt.

Dülmen wurde nur als Modellstandort ausgewählt – und wird nun eine Kokain-Hochburg dargestellt

„Zunächst einmal stellt sich die Frage, warum für eine mittelgroße Stadt wie Dülmen überhaupt Daten erfasst werden – aus anderen Kommunen gleicher Größenordnung aber nicht“, fragt sich Stadtsprecher Siemens und liefert die Antwort gleich selbst: „Dies liegt in dem Projekt ‚DSADS – Den Spurenstoffen auf der Spur‘ aus dem Jahr 2013 begründet: Im Zuge dieser Infokampagne mit dem Lippeverband zu Medikamentenrückständen im Wasser wurden aufwändig Daten erhoben, ausgewertet und übermittelt. Dülmen wurde damals europaweit als Modellstandort ausgewählt. Seitdem werden jährlich entsprechende Daten erhoben – in anderen Kommunen aber nicht.“

Ein Drogenproblem scheint Dülmen derweil überhaupt nicht zu haben. Dülmen-Sprecher André Siemens verweist auf die Kreispolizeibehörde Coesfeld als zuständige Stelle für Drogendelikte aller Art – und die liefert eindeutige Antworten.

„Die Zahlen der Drogendelikte in Dülmen sind in Relation zu den anderen beiden großen Städten (Lüdinghausen, Coesfeld) im Kreisgebiet unauffällig“, erklärt Polizeisprecherin Britta Venker auf Nachfrage von wa.de. Drogen-Hotspots im Stadtgebiet seien der Behörde ebenfalls nicht bekannt. „Wir haben in Dülmen keine Auffälligkeiten“, sagt Venker, die lediglich kleinere Drogendelikte benennen kann. „Zu 70 Prozent handelt es sich um Cannabis und -produkte. Gefolgt von Amphetaminen. Zu einem sehr geringen Teil handelt es sich um Kokain und Heroin“, erklärt die Sprecherin der Kreispolizeibehörde Coesfeld.

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