Nach Erkenntnissen der Bochumer Ankläger hat die 37-Jährige in einer Reihe von Strafverfahren zwar im Gerichtssaal Urteile gefällt, aber entweder gar nicht oder nicht fristgerecht schriftlich niedergelegt. Schon eine Verspätung kann laut Verfahrensrecht als Revisionsgrund gelten und zur Aufhebung eines Urteils führen.
Wie das Landgericht weiter mitteilt, soll die Angeklagte einmal einen Mann zu einer Geldstrafe verurteilt haben, obwohl der gar nicht zu seinem Prozess erschienen war. Später, heißt es, habe die Richterin das Protokoll der Hauptverhandlung inklusive Vernehmung einer Zeugin gefälscht – um vorzutäuschen, dass sie das Verfahren wegen des fehlenden Angeklagten ausgesetzt und die Zeugin ohne Vernehmung entlassen habe. In anderen Fällen hat die Frau laut Staatsanwalt Urteile nicht fristgerecht abgesetzt und hinterher zurückdatiert, um die Verspätung zu verschleiern.
Auch das Verschwindenlassen von Verfahrensakten wird in dem Prozess am Landgericht eine Rolle spielen. In neun Verfahren hat die Juristin laut Anklage Akten einfach nicht weiter bearbeitet und stattdessen in einem Umzugskarton im Keller ihrer Wohnung gelagert – und damit dem „Dienstgebrauch entzogen“, was den Tatbestand des Verwahrungsbruchs erfüllen würde. In mindestens einem Fall soll die 37-Jährige außerdem versucht haben, ihre Verantwortung für eigene Versäumnisse auf Mitarbeiter der Geschäftsstelle am Amtsgericht abzuwälzen – indem sie Akten in falsche Fächer legte, wo sie erst fünf Monate später gefunden wurden.
Die 6. große Strafkammer wird sich außerdem mit Vorwürfen im Zusammenhang mit fünf familienrechtlichen Verfahren der Richterin befassen. Darin ging es unter anderem um Aufenthalts- und Umgangsrecht, Kindesunterhalt oder Sorgerechtsfragen, die teils komplett unbearbeitet liegen geblieben sind.
Ein zentrales Motiv sieht der Ankläger laut Landgericht in einer Überforderung der 37-Jährigen. Die Kammer wird ein psychiatrisches Gutachten über die Schuldfähigkeit der Angeklagten einholen. Die Bochumer Staatsanwaltschaft geht derzeit jedoch von einer vollen Schuldfähigkeit aus.