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PFAS in Lüdenscheid: In diesem Gewässer wurden ewige Chemikalien nachgewiesen 

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Von: Thomas Machatzke

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Verse Schlittenbach PFAS Kläranlage
Die Messstelle des Lanuv lag etwa acht Kilometer flussabwärts der Versetalsperre und damit unterhalb der Mündung des Schlittenbachs in die Verse (Foto). In den Schlittenbach entwässert die kommunale Kläranlage Lüdenscheid Schlittenbachtal, die als Quelle für die Belastungen in Frage kommt. © Cornelius Popovici

Claudius Bartsch ist das ökologische Gewissen des Lüdenscheider Stadtrats. Am Montag wandte sich der Ratsherr der ÖDP im Rat mit einer Anfrage an die Verwaltung und rückte etwas in den Blickpunkt, das Anlass zur Sorge gibt: PFAS-Belastungen. Auch in Lüdenscheid.

Lüdenscheid – Nach einer Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung mit einer veröffentlichen Landkarte über PFAS-Belastungen in ganz Deutschland wird auch die Verse in Lüdenscheid als nachweislich belastet ausgewiesen. Einer von 1500 Orten. Mit 18 Nanogramm pro Kilogramm. Mehr als nichts. Allerdings auch nicht besorgniserregend, wie die Stadtwerke auf Anfrage aufklären.

Die Versetalsperre als Stausee des Flusses auf seinem Weg von Meinerzhagen nach Werdohl liefert das Trinkwasser für die Bergstadt Lüdenscheid, insofern ist die PFAS-Belastung durchaus relevant. PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind giftige Chemikalien, eine Gruppe von mehr als 10 000 künstlich hergestellten Stoffen. Sie sind nicht zu riechen, nicht zu schmecken, nicht zu sehen. Weil ihre Abbauprodukte in der Umwelt als persistent gelten, werden sie auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt.

PFAS-Chemikalien werden verdächtigt, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen, das Immunsystem zu schwächen. PFAS sind in vielen Gegenständen enthalten. Sie stecken in Beschichtungen für Pfannen oder Backformen, in Kabelummantelungen, Dichtungen, Medizinschläuchen, Membranen für Wetterjacken, Hightech-Wasserfiltern, Brennstoffzellen und Elektrolysezellen.

PFAS in Lüdenscheid: In diesem Gewässer wurden ewige Chemikalien nachgewiesen

Die Frage, die Claudius Bartsch nicht klar artikulierte (er fragte, ob es neuere Werte als jene von 2020 gebe), die aber aus den Ausführungen folgte, war die: Wenn PFAS in der Verse nachgewiesen ist, wie unbedenklich ist das Trinkwasser aus dem Hahn dann für den Bürger. Bei den Ratsmitgliedern blieb ein ungutes Gefühl.

Die Stadtwerke indes gaben auf Nachfrage der LN-Redaktion ein Stück weit Entwarnung: „Der angegebene Wert für die Verse von 18 ng/l wurde nicht an der Versetalsperre gemessen – aus der das Trinkwasser für die Stadt Lüdenscheid gewonnen wird“, stellt Alexander ten Hompel, Stabsabteilungsleiter Marketing/Kommunikation der Stadtwerke fest, „es handelt sich um eine Messung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv). Die Messstelle liegt etwa acht Kilometer flussabwärts der Versetalsperre und damit unterhalb der Mündung des Schlittenbachs in die Verse. In den Schlittenbach entwässert die kommunale Kläranlage Lüdenscheid Schlittenbachtal, die als Quelle für die Belastungen in Frage kommt.“

Bei der gemessenen PFAS-Verbindung handele es sich um Perfluorbutansäure (PFBA). 2021 seien vom Lanuv keine Messungen auf PFBA durchgeführt worden, so ten Hompel weiter. „Die Messungen aus den Vorjahren zeigen eine fallende Tendenz. Der Leitwert des Umweltbundesamtes für PFBA im Trinkwasser liegt bei 7000 ng/l und damit mehr als der Faktor 380 höher als der im Fluss Verse gemessene Wert.“

Stadtwerke finden die PFAS-Diskussionen gut und wichtig

Die Diskussion ist den Stadtwerken nicht lästig, im Gegenteil. „Die Stadtwerke freuen sich sehr über die aktuelle mediale Berichterstattung und die politische Befassung mit dem Thema PFAS in Deutschland und Europa. Die Tatsache, dass PFAS Mensch, Tier und Umwelt schädigen können und zudem ubiquitär vorkommen, erfordert, sich des Themas über Ländergrenzen hinweg anzunehmen“, stellt ten Hompel fest, „im Interesse aller Trinkwasserkunden ist es erforderlich, im Sinne des in Deutschland geltenden Multibarrierenprinzips aus möglichst unbelasteter Herkunft Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung heranzuziehen. Das dient auch dem Gewässerschutz.“

In enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt des Märkischen Kreises und der Bezirksregierung Arnsberg würden derzeit keine Untersuchungen auf PFAS im Trinkwasser in Lüdenscheid durchgeführt. Das Einzugsgebiet der Versetalsperre weise keine Risikofaktoren für den erhöhten Eintrag von PFAS auf. Es gebe keine Industriebetriebe oder kommunale Kläranlagen. Die Verse sei Teil des Ruhreinzugsgebietes. Dieses werde vom Ruhrverband monatlich an 13 strategischen Messstellen unter anderem auf PFAS untersucht und im jährlichen Ruhrgütebericht transparent veröffentlicht. Klar sei dabei aber auch, dass es eine PFAS-Nullkonzentration – wie bei allen schwer abbaubaren organischen Mikroverunreinigungen – in den Gewässern schon allein wegen der diffusen Eintragspfade nicht geben könne, solange diese Stoffe irgendwo in der Umwelt sind beziehungsweise in die Umwelt eingebracht werden.

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