Inzidenz von 344 am Donnerstag
Hotspot Lüdenscheid: Wer steckt sich wo an? Mehr Infektionen in bestimmten Wohnvierteln
Lüdenscheid ist nicht nur ein Hotspot im Märkischen Kreis. Die Bergstadt ist auch die größte Stadt mit einer Inzidenz von mehr als 300 in ganz NRW. Noch Mitte Februar lag der für die Beurteilung der Corona-Lage wichtige Wert hier bei rund 80. Seitdem steigen die Zahlen dramatisch und fast exponentiell. Mit einer Erklärung tun sich die Verantwortlichen schwer. Was also ist der Grund für die hohen Zahlen in Lüdenscheid? Eine Spurensuche.
Lüdenscheid – Am Donnerstag wies der Märkische Kreis für Lüdenscheid einen Inzidenz-Wert von 344,3 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner auf. Das war etwas weniger als am Vortag (354,0), von einer Trendumkehr kann aber niemand sprechen. Zu hoch sind die Zahlen der akut Infizierten – am Donnerstag wurde mit 421 ein neuer Höchststand gemeldet –, zu unklar das Infektionsgeschehen.
Stadt | Lüdenscheid |
Landkreis | Märkischer Kreis |
Einwohnerzahl | 72.313 (Stand: 31.12.2019) |
Unsere Zeitung wollte wissen: Wer sind die akut Infizierten in Lüdenscheid? Wo stecken sie sich an? Der Märkische Kreis hat keine eindeutige Erklärung für die hohen Werte. Auf Anfrage teilt Kreissprecher Alexander Bange mit, dass es derzeit keine größeren Corona-Ausbrüche in Firmen oder Einrichtungen in Lüdenscheid gebe. 70 Prozent der Positivgetesteten steckten sich im privaten Umfeld an. So weit, so bekannt.
Zuletzt erreichten die Redaktion Hinweise aus dem Gesundheitsamt, dass sich unter den Infizierten ein hoher Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund befinde. Verifizieren lässt sich das nicht. Denn wie Volker Schmidt, Fachbereichsleiter Gesundheit und Soziales beim Märkischen Kreis, auf Anfrage mitteilte, werde bei den positiv getesteten Märkern die Staatsangehörigkeit oder ein möglicher Migrationshintergrund nicht erfasst.
Infektionsgeschehen im MK: Kreis fragt Nationalität der Infizierten nicht ab
„Die Abfrage könnten wir in unsere Datenbank einbauen, wir machen es aber nicht, weil es für die Beurteilung des Infektionsgeschehens nicht wichtig ist“, sagt Schmidt. Noch deutlicher wird Kreissprecher Bange: „Die Nationalität oder die Herkunft der Infizierten spielt für das Infektionsgeschehen im Kreis keine Rolle.“
Corona im MK: Immer wieder sprachliche Barrieren in der Kontaktnachverfolgung
Gleichwohl gibt es diese Fälle, die vor allem in der Kontaktnachverfolgung auffallen, wenn sprachliche Barrieren ein Gespräch unmöglich machen. Seit Beginn der Pandemie arbeitet das Gesundheitsamt deshalb mit Dolmetschern zusammen oder setzt Muttersprachler ein, zudem wurden im Herbst Erklärvideos in verschiedenen Sprachen erstellt. Nicht immer aber sei es eine Frage der Nationalität. „Es gibt auch deutsche Staatsangehörige, mit denen die Verständigung sehr schwierig ist“, sagt Fachbereichsleiter Schmidt.
Corona: Märkischer Kreis gibt Daten an Ordnungsämter weiter - vor allem Namen und Anschrift
Der Märkische Kreis als Untere Gesundheitsbehörde muss die betroffenen Kommunen über die Infizierten in ihrem Stadtgebiet informieren, da sie für die Kontrolle der behördlich angeordneten Quarantäne zuständig sind. Dafür werden dem jeweiligen Ordnungsamt Namen und Anschriften übermittelt. Anhand dieser Daten kann die Stadt Lüdenscheid mögliche Hotspots im Stadtgebiet herauslesen.
Corona in Lüdenscheid: Stadt sieht Schwerpunkte in Gebieten mit dichterer Wohnbebauung
Nach Angaben von Stadtsprecherin Marit Schulte habe man derzeit nicht den einen Infektionsschwerpunkt im Stadtgebiet. Vielmehr lasse sich in Lüdenscheid anhand der genannten Anschriften feststellen, dass dort „mehr Infektionen auftreten, wo es eine dichtere Wohnbebaung und Hochhäuser gibt und generell mehr Menschen zusammenleben“, sagt Schulte. Derzeit überlege man im Ordnungsamt, ob die Maskenpflicht ab dem kommenden Montag auf Bereiche, in denen es vermehrt Fälle gab, ausgeweitet wird. Ein Beispiel für ein solches Gebiet ist die Werdohler Straße, wie die Stadtsprecherin auf Nachfrage bestätigte.
Corona im MK: Britische Mutation als Treiber der Pandemie in Lüdenscheid
Ein Treiber der Pandemie in Lüdenscheid ist nach Überzeugung von Volker Schmidt vor allem die britische Virusmutante B.1.1.7, die inzwischen bei 60 Prozent der Infizierten nachgewiesen wird. „Die Mutation ist ansteckender. Bei einem Infizierten erkranken nun in fast allen Fällen auch die Ehepartner und andere im selben Haushalt lebende Personen. Das war bei der Ursprungsvariante nicht so“, berichtet Schmidt.
Großfamilien in beengten Wohnverhältnissen besonders gefährdet
Aufgrund der Eigenschaften der neuen Virusvariante sind Großfamilien besonders gefährdet: Je mehr Personen in einem Haushalt leben, desto größer ist die Zahl der möglichen Neuinfektionen. In größeren Familien gebe es daher tendenziell auch mehr Ansteckungen, erklärt Schmidt. Leben diese Familien dann noch in beengten Wohnverhältnissen, habe das Virus beste Voraussetzungen zur Verbreitung. „Problematisch wird es schon, wenn man kein zweites Bad hat, um sich aus dem Weg zu gehen.“
Studie in Köln: Stadtteile mit hohem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund besonders betroffen
Woanders ist man mit dem Erkenntnisgewinn schon weiter: Eine in dieser Woche vorgestellte Studie des Fraunhofer Instituts in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln ergab, dass Stadtteile mit einer hohen Arbeitslosigkeit, niedrigen Mieten und einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund überproportional von Infektionen betroffen sind. Die Stadt Köln hat die Studienergebnisse zum Anlass für Nachbesserungen genommen: „Dort, wo die Infektionszahlen hoch sind, muss noch mehr aufgeklärt und informiert werden“, sagte der Kölner Beigeordnete Dr. Harald Rau laut Mitteilung der Stadt Köln. In betroffenen Stadtteilen wolle man nun mehr Testangebote machen und die Schulen unterstützen.
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