Die Talbrücke Brunsbecke bei Hagen ist mit 534 Metern die längste Stahlverbund-Brücke entlang der A45. Das Konstruktionsprinzip und das verwendete Material sind bei den Talbrücken Rahmede und Brunsbecke identisch, beide Brücken sind einteilig und fast baugleich. Die Brunsbecke gilt daher auch als Schwesterbrücke der Rahmede.
Aufgrund des vermeintlich schlechteren Zustands wurde der Ersatzneubau der Brunsbecke – zusammen mit der direkt benachbarten Talbrücke Kattenohl – von Straßen.NRW dem Ersatzneubau der Talbrücke Rahmede vorgezogen. Dabei spielte auch eine Rolle, dass für den Neubau der Talbrücke Rahmede wider Erwarten ein Planfeststellungsverfahren erforderlich wurde, weil mit den Betroffenen im Brückenumfeld kein Einvernehmen herzustellen war, wie es hieß. Diese Hürden gab es an der Brunsbecke nicht. Bereits 2018 wurde Baurecht erlangt. Genehmigt wurde der Neubau als Fall unwesentlicher Bedeutung nach §74, Absatz 7 Verwaltungsverfahrensgesetz – also ohne Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung.
Offizielle Genehmigungsbehörde für Autobahnprojekte in NRW war bis 2020 die Bezirksregierung Arnsberg, die auf Anfrage jedoch mitteilte, dass man den Ersatzneubau der Talbrücke Brunsbecke nicht genehmigt habe, weil es sich um einen Fall unwesentlicher Bedeutung handele. Die Genehmigung habe sich Straßen.NRW selbst erteilt.
Dass die Planungsbehörde bei Fällen unwesentlicher Bedeutung auch die Genehmigungsbehörde ist, war eine nordrhein-westfälische Besonderheit. Alle bis 2020 genehmigten Ersatzneubauten von Brücken an der A45 in NRW hat sich Straßen.NRW selbst genehmigt, Planfeststellungsverfahren gab es nicht. Das könnte für den Rechtsnachfolger Autobahn GmbH zum Problem werden, wie ein aktuelles Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur A45-Talbrücke Büschergrund zeigt. Die Richter monierten in einem vom BUND angestrengten Eilverfahren das fehlende Planfeststellungsverfahren.
Zurück nach Hagen: Mit der Genehmigung in der Hand wurde am 3. April 2018 der Auftrag für die Neubauten von Brunsbecke und Kattenohl vergeben – an den Baukonzern Hochtief. Am 3. April 2019 erfolgte der symbolische Spatenstich. Mit dabei war der damalige Verkehrsminister Hendrik Wüst: „Es wurde innerhalb eines Jahres Baurecht geschaffen“, lobte er. Doch anschließend passierte an der Talbrücke Brunsbecke nichts mehr. Baustopp. Auch mehr als vier Jahre später ist kein nennenswerter Baufortschritt an der Brücke erkennbar.
Die Autobahn GmbH schiebt die Verzögerung auf „vertiefende Untersuchungen des Bodens unterhalb beider Brücken“. Baurechtler Ralf Leinemann hält das für unglaubwürdig. Im WDR-Magazin Westpol sagt er: „Die einzige Erklärung, dass man jahrelang nicht baut, obwohl man einen Auftrag erteilt hat, ist dass ein schwerer Planungsfehler passiert sein muss. Entweder ist die Brücke zu klein oder zu groß geplant worden oder so, dass sie nicht mehr ins Genehmigungsraster hineinpasst. Sprich, man hätte an der Genehmigung noch einmal arbeiten können. Ich kann so nicht bauen, wie ich es beauftragt habe.“
Die Autobahn GmbH räumt indirekt ein, dass der Ersatzneubau der Talbrücke Brunsbecke neu geplant und vermutlich auch genehmigt werden muss. Auf eine Kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Gordan Dudas heißt es: „Die ergänzenden Untersuchungen des Bodens machen voraussichtlich eine Anpassung des Gründungskonzeptes und mit Bezug darauf auch des Brückenüberbaus notwendig.“ Mit anderen Worten: Man kann die neue Talbrücke Brunsbecke in der Tat nicht so bauen, wie sie genehmigt wurde.
Mit dem Zuständigkeitswechsel auf die neu gegründete Autobahn GmbH 2021 sind allerdings die alten Genehmigungsmöglichkeiten Geschichte. Die Genehmigungsverfahren wurden vereinheitlicht. Genehmigungsbehörde ist nun das Fernstraßenbundesamt in Leipzig, auch für die Fälle unwesentlicher Bedeutung wie zuletzt bei der Talbrücke Rahmede. Dort sind keine Hilfspfeiler notwendig, weil die alte Brücke gesprengt wurde. An der Brunsbecke gibt es diese Option nicht – es sei denn, sie würde ebenfalls außer Betrieb genommen und die A45 in dem Bereich gesperrt.
Was das bedeuten würde, erleben die Anwohner am kommenden Wochenende, wenn die A45 wegen der Sprengung der Talbrücke Sterbecke in Schalksmühle für sechs Stunden zwischen Hagen-Süd und Lüdenscheid-Nord voll gesperrt wird.
Zuletzt war die Talbrücke Brunsbecke immer weiter entlastet worden - obwohl der Verkehr durch die gesperrte Talbrücke Rahmede seit Dezember 2021 um etwa zwei Drittel zurückgegangen ist. Bei der letzten Hauptprüfung 2022 erhielt die Talbrücke Brunsbecke erneut die Zustandsnote 3,0, wohl auch deshalb, weil die Verkehrsbelastung deutlich zurückgegangen ist. Wann der Neubau nun fortgesetzt wird, ist unklar.