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Vor dem Lüdenscheider Impfzentrum muss niemand mehr nass werden

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Von: Willy Finke

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Schützenhalle Lüdenscheid
Vor dem Empfangszelt der Schützenhalle Lüdenscheid entsteht jetzt ein Wartezelt. © Cedric Nougrigat

Wer vor seinem Impftermin in der Lüdenscheider Schützenhalle warten muss, der steht ab sofort nicht mehr im Regen. Vor der Halle wird ein Zelt aufgebaut. Das verriet Volker Schmidt, oberster Corona-Bekämpfer des Märkischen Kreises, im Gespräch mit Willy Finke.

Herr Schmidt, wie ist der aktuelle Stand bei den Covid-Mutationen im Märkischen Kreis?

Die Anzahl der positiv Getesteten mit Mutationen steigt. Diese Mutationen, insbesondere die britische Variante, sind leider flächendeckend im gesamten Kreisgebiet angekommen. Das lässt sich nicht auf einzelne Städte fokussieren. Wenigstens die dänische Variante, die es bei uns schon etwas länger gibt, erscheint aber als relativ unproblematisch.

Volker Schmidt
Volker Schmidt © Volker Schmidt

Was geschieht jetzt?

Wir haben die Labore beauftragt, jeden Positivfall noch einmal mittels eines speziellen PCR-Tests auf Mutationen zu untersuchen. Damit werden wir einen flächendeckenden Überblick bekommen.

Sind die Krankheitsverläufe bei den Mutanten-Patienten schwerer?

Nein, das kann man generell nicht so sagen. Allerdings wird da noch sehr vieles genauer untersucht werden müssen. Fest steht aber, und das ist das Problem, dass die Mutationen ansteckender sind als bei dem Ur-Typen. Man kann sich zurzeit definitiv leichter infizieren, was bei einer frühzeitigen Aufhebung des Lockdowns mit Sicherheit dazu führen würde, dass die Fallzahlen nach oben schnellen.

„Kontaktpersonenj-Nachverfolgung läuft sehr gut“

Stichwort Fallzahlen: Klappt die Kontaktpersonen-Nachverfolgung mittlerweile wieder besser?

Ja, das läuft jetzt sehr gut. Wir sind tagesaktuell. Wir fragen gerade vor dem Hintergrund Mutationen auch sehr intensiv nach.

Sie hatten einmal etwa 80 Personen in der Kontaktpersonen-Ermittlung. Wie viele sind es jetzt?

Noch deutlich über 50. Wir konnten das etwas zurückfahren, sind aber sehr dankbar, dass uns die Bundeswehr weiterhin so gut unterstützt. Den einen oder anderen Mitarbeiter konnten wir zurück in seine eigenen Aufgaben führen, bleiben aber in dieser Hinsicht sehr flexibel.

Auffällig ist, dass die Inzidenzzahl im Märkischen Kreis immer noch deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt, am Donnerstag sogar wieder auf 83,6 gestiegen ist. Worauf führen Sie das zurück?

Wir versuchen, die Infektionsketten so lückenlos wie möglich nachzuvollziehen. Wir schauen uns die Inzidenzen der einzelnen Städte an, sind in Kontakt mit deren Ordnungsämtern, sind in Betrieben unterwegs. Zurzeit gibt es einen Ausbruch im St.-Elisabeth-Hospital Iserlohn samt Aufnahmestopp. Unterm Strich können wir aber wirklich nicht genau verorten, woran dieser höhere Inzidenzwert liegt. Das Infektionsgeschehen bleibt bei uns recht diffus.

Plädoyer für Astrazeneca

Zurzeit wird über relativ heftige Nebenwirkungen des Impfstoffs Astrazeneca berichtet. Würden Sie trotzdem eine Impf-Empfehlung geben?

Ja, auf jeden Fall. Das Paul-Ehrlicher-Institut hat von vornherein darauf hingewiesen, dass es solche Impf-Reaktionen geben kann. Ob diese Nebenwirkungen wirklich so umfangreich und häufig sind, wie es dargestellt wird, das sei mal dahingestellt. Dieser Impfstoff hat eine gute Wirksamkeit. Letzten Endes muss man abwägen: Was ist denn jetzt besser – sich einen oder zwei Tage nicht so gut zu fühlen oder sich zu infizieren?

Würden Sie sich mit Astrazeneca impfen lassen?

Ich bin noch nicht dran. Aber wenn ich an der Reihe bin, würde ich mich auch mit Astrazeneca impfen lassen. Da sehe ich kein Problem. Und selbst wenn Astrazeneca gegenüber der südafrikanischen Variante nicht so wirksam sein sollte, schützt es doch vor schweren Verläufen. Das gilt generell für alle Corona-Impfstoffe: Selbst wenn sie nicht hundertprozentig immunisieren sollten, bewahren sie uns davor, schwer zu erkranken und ins Krankenhaus zu müssen.

Die Impfzentren haben ihren Betrieb aufgenommen. Wann können aber Menschen, die nicht oder nur sehr schlecht transportfähig sind, damit rechnen, in ihren eigenen vier Wänden geimpft zu werden?

Genau lässt sich das noch nicht sagen. Zunächst standen diese Personen nicht im Fokus, weil der für sie geeignete Biontech-Impfstoff aufgrund seiner Kapriziosität nicht transportabel war. Das Gesundheitsministerium in Düsseldorf hat das Problem erkannt und wird ein Konzept erarbeiten, um diese Personen durch mobile Teams aufzusuchen und zu impfen. Der Zeitpunkt hängt nicht zuletzt von der Verfügbarkeit des Impfstoffs ab.

Ein Tipp ohne Gewähr

Ohne Gewähr ein Tipp: Wie lange wird das noch dauern – eher ein Vierteljahr oder eher ein halbes Jahr?

Eher ein Vierteljahr, vielleicht auch nur wenige Wochen. Dieses Thema steht beim Land oben auf der Agenda.

Die Landesregierung hat am 5. Februar mitgeteilt, dass die Kommunen kurzfristig die Vereinbarung von Impfterminen von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) übernehmen müssen – mit Ausnahme der Gruppe der über 80-Jährigen. Was bedeutet das für den Kreis?

Das betrifft nur bestimmte Personengruppen, zum Beispiel den Rettungsdienst, ambulantes Pflegepersonal, Personal in Hospizen. Diese Gruppen fallen ebenfalls unter die höchste Priorität. Als sogenannte „Sonderkontingente“ werden diese außerhalb der KVWL-Software verwaltet. Das funktioniert bisher bei uns störungsfrei.

„Man schaltet nie wirklich ab“

Herr Schmidt, wir befinden uns seit einem Jahr in der Pandemie. Was hat das mit Ihnen gemacht, haben Sie sich geändert?

Ich glaube nicht, dass ich mich geändert habe. Man hat zusätzliche Arbeit, schaltet auch nie wirklich ab – weder am Abend noch am Wochenende. Man wird aber nachdenklich, wenn man im persönlichen Umfeld erlebt, wie völlig agile Menschen schwer an Corona erkranken und lange damit zu kämpfen haben, ins normale Leben zurückzukehren.

Wie schauen Sie in die Zukunft?

Optimistisch. Ich habe erlebt, dass wir eine solche Lage bewältigen können. Wir haben beim Märkischen Kreis ein gutes, ein tolles Team.

Hatten Sie in diesem Jahr überhaupt Zeit, etwas zu vermissen?

Ich habe die Zeit genutzt und bei uns zuhause das Esszimmer gestrichen. Ansonsten bin ich begeisterter Läufer. Da bin ich ohnehin nicht in der Gruppe unterwegs, musste also auch nicht darauf verzichten. Aber es stimmt schon: Ich habe auch deswegen wenig vermisst, weil ich dafür ohnehin keine Zeit gehabt hätte.

Haben Sie für dieses Jahr schon Urlaubspläne?

Nein, da wird sich schon etwas ergeben. Ich erhole mich bei der Arbeit (lacht).

„Das darf nicht noch einmal passieren“

Letztes Thema: Am vergangenen Sonntag wurden zahlreiche Menschen wieder nach Hause geschickt, die Termine für das Lüdenscheider Impfzentrum hatten. Grund war offenbar ein Fehler in der Terminvergabe-Software. War das nur im Märkischen Kreis so?

Nein, es waren drei Kreise betroffen, in der Vorwoche ist das auch schon von zumindest einem Kreis bekannt gewesen.

Kann das noch einmal passieren?

Wir befinden uns zurzeit im Austausch mit der Kassenärztlichen Vereinigung, wie man so einen absolut ärgerlichen Vorfall künftig verhindern kann. Wir selbst haben keinen Zugriff auf diese Software. Das darf nicht noch einmal passieren.

Auch wenn die Menschen zeitnah zu ihren Impfterminen kommen sollen, wird es immer wieder Fälle geben, dass einige von ihnen eben doch etwas früher vor Ort sind. Kann diesen Menschen nicht geholfen werden, indem man einen Wartebereich vor der Halle einrichtet, der sie beispielsweise vor Regen schützt?

Da habe ich eine gute Nachricht. Es wird am Donnerstag ein dreimal zehn Meter großes Zelt vor der Halle aufgebaut. Dieses Zelt wird zwar nicht beheizbar sein, bietet aber zumindest einen Regenschutz. In der Regel darf es, wenn sich alle an ihre Termine halten, aber gar keine Staus geben.

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