Der Bericht bezieht sich auf die Hauptprüfung der Talbrücke Rahmede, die in der Zeit von 4. bis 13. September 2017 vom Brückenprüfer Thorsten Ziolek durchgeführt wurde. Wie schon bei der Hauptprüfung im Jahr 2011 erhielt das Lüdenscheider Bauwerk die Zustandsnote 3,0 („nicht ausreichend“). Zahlreiche Schäden sind dokumentiert, darunter eine Beulung am Hauptträger des Fachwerks unterhalb der Brück, Verformungen im Traggerüst, Risse und Korrosion. Es sind die Schäden, die nach einer ausführlichen Schadensanalyse und weiteren gefundenen Schadstellen im Dezember 2021 schließlich zur dauerhaften Sperrung führten – wegen akuter Einsturzgefahr.
In seiner Bewertung kommt Brückenprüfer Ziolek im Jahr 2017 in Bezug auf die Standsicherheit noch zu einer anderen Bewertung: „Der Mangel/Schaden beeinträchtigt die Standsicherheit des Bauteils, hat jedoch keinen Einfluss auf die Standsicherheit des Bauwerks“ und empfiehlt „Schadensbeseitigung im Rahmen der Bauwerksunterhaltung.“ Und zur Verkehrssicherheit heißt es: „Der Mangel/Schaden beeinträchtigt geringfügig die Verkehrssicherheit, die Verkehrssicherheit ist jedoch noch gegeben. Schadensbeseitigung oder Warnhinweis erforderlich.“ Schäden an der Fall- und Längsleitung fürs Abwasser von der Fahrbahn führten zudem mittelfristig zur Beeinträchtigung der Dauerhaftigkeit des Bauwerks. Eine Schadensausbreitung oder Folgeschädigung anderer Bauteile sei „zu erwarten“.
Die Fotos des Prüfers zeigen abgerissene und undichte Verrohrungen, die den Schluss nahelegen, dass das Abwasser von der Fahrbahn auf der Brücke teils direkt ins Bauwerk einsickerte. An einigen Stellen stand Wasser im Querträger.
Die größten Schäden weist der 453 Meter lange Überbau der Talbrücke Rahmede auf. Der Prüfer moniert die teils abgeplatzte Korrosionsbeschichtung und den rostigen Untergrund und räumt ein, dass dieser Umstand „die Beurteilung der Schweißnähte in Bezug auf Rissbildung extrem“ erschwere. Trotzdem stellt er im Fachwerk unterhalb der Brücke mehrere Risse in den Schweißnähten fest – „hauptsächlich an den Anschlüssen der Horizontal- an die Vertikalsteifen an der Hauptträgerinnenseite“. Also genau dort, wo mittels Laser-Scan 2021 die meisten Beulen im Stahl entdeckt worden waren.
Sichtbare Verformungen wurden – neben fehlenden Schrauben – aber auch schon bei der Prüfung 2017 im Hauptträger des Fachwerks entdeckt. So führt Prüfer Ziolek eine Beulung an der Vertikalsteife auf der Hauptträgerinnenseite auf, die sich am Querträger 30 befindet. Ziolek notiert: „Augenscheinlich stammt die Beulung aus der Herstellung des Bauwerks“. Zwischen Querträger 24 und 25 klaffen die Flanschbleche, die das Tragkonstrukt in Form halten, sichtbar auseinander. Eine weitere Verformung gibt es am Querträger 22. Im „Aussteifungsverband des Fachwerks“ sei ein Knotenblech stark verformt. Bemängelt werden für den gesamten Brückenüberbau Korrosion und Rost.
Zahlreiche Schäden – vor allem Risse im Beton und Feuchtigkeit – sind auch für die Widerlager die Pfeiler, das Geländer und die Fahrbahnübergänge (Gleitlager) dokumentiert. Wie stark die Brücke von den mehr als 60 000 Fahrzeugen, die dort täglich hinüberrrollten, beansprucht wurde und welche Kräfte dort wirkten, ist beispielhaft an einem der Pfeiler zu beobachten. Dort ist der Beton an einer Ecke großflächig abgeplatzt, die Bewehrung liegt frei.
Hinzu kommen die Folgen von Pfusch am Bau, insbesondere bei den Reparaturarbeiten an den Wasserleitungen unterhalb der Brücke, die nach Angaben des Brückenprüfers nicht fachgerecht ausgeführt wurden. Negativer Höhepunkt ist dabei die Fixierung einer querverlaufenden Wasserleitung mit Hilfe von Draht und einer Dachlatte.
Bestandteil des Prüfberichts ist auch die Empfehlung eines ganzen Bündels von Maßnahmen, um die Schäden zu beseitigen. So müssten kurzfristig die Hauptbauteile des Überbaus instandgesetzt werden, in Verbindung mit Korrosionsschutz- und Stahlinstandsetzung, Beton- und Rissinstandsetzung.
Ebenfalls kurzfristig müsse Straßen.NRW die Entwässerungseinrichtungen unterhalb der Brücke erneuern, Dichtprofile an den Stahlübergängen austauschen sowie die Brüstung teilerneuern und zum Beispiel Absturzsicherungen errichten. Mittelfristig unumgänglich sei zudem, die Stahlbauteile und -verbindungen instandzusetzen und zum Beispiel die gerissenen Schweißnähte nachzuarbeiten und die fehlenden Schrauben zu ergänzen. Am gesamten Überbau sei der Korrosionsschutz zu erneuern. Insgesamt 17 kurz- und mittelfristig anzugehende Maßnahmen werden vorgeschlagen.
Die beiden zentralen Punkte, um die Talbrücke Rahmede dauerhaft zu sichern, werden vom Brückenprüfer gleich zu Beginn genannt: Ein Ersatzneubau der Talbrücke Rahmede oder alternativ den Einbau zusätzlicher Hauptbauteile als Verstärkung der maroden Brücke – so wie er seit 2012 geplant und später verworfen worden war.
Stattdessen passierte etwas anderes: Trotz Kenntnis des vorliegenden Prüfberichts des Brückenprüfers stellte Straßen.NRW den bereits beschlossenen Neubau in der Prioritätenliste zurück und führte auch die alternative Sanierung nicht durch. Unter den Folgen dieser Fehleinschätzung werden die Menschen in der Region wohl noch jahrelang leiden.