Durch die jüngste Entscheidung entgehen der Stadt Lüdenscheid damit erstmalig und nachweislich Steuereinnahmen, die einzig und allein auf den Umleitungsverkehr infolge der A45-Sperrung zurückzuführen sind. Die Bundesregierung hatte in diesem Zusammenhang mehrfach betont, dass laut Bundesfernstraßengesetz individuelle Schadensersatzansprüche aufgrund von Umleitungen nicht möglich sind. Doch dabei ging es bislang immer um individuelle Ansprüche von zum Beispiel Anliegern, die Wertverluste erleiden, oder Unternehmen, die Umsatzeinbußen beklagen. Wenn einer Kommune durch eine Entscheidung der Autobahn GmbH des Bundes – wie bei der Sperrung der A45 geschehen – Mindereinnahmen entstehen, die die Sicherstellung kommunaler Aufgaben gefährden, könnte die Stadt unter Umständen also doch Schadensersatzansprüche begründen. Noch ginge es dabei um einen überschaubaren Betrag.
Der Antragsteller besitzt mehrere Mehrfamilienhäuser an der besonders stark belasteten Lennestraße. Der Verkehrslärm sei nach der Sperrung der A45 am 2. Dezember 2021 nicht nur ungewöhnlich laut, sondern vor allem lang andauernd („24 Stunden/365 Tage“). Er beruft sich auf §82 Bewertungsgesetz (BewG), wonach wertmindernde Umstände bei „ungewöhnlich starken Beeinträchtigungen durch Lärm, Rauch oder Gerüche“ vorliegen. Verkehrslärm und Abgase hätten zudem starke wertbeeinflussende Bedeutung und minderten den Verkehrswert der Grundstücke. Der Argumentation des Immobilieneigentümers folgt das Finanzamt Lüdenscheid weitgehend, sieht aber geringere Wertminderungssätze als der Antragsteller, der einen Nachlass von 30 Prozent verlange.
„Die grundsätzliche Frage, ob die gemäß Ihrer Sachverhaltsschilderung nachweislich vorliegenden Beeinträchtigungen eine Ermäßigung nach §82 BewG rechtfertigen können, ist zu bejahen“, heißt es im Antwortschreiben der Behörde. Für die Beeinträchtigung des „derzeit vorliegenden nicht üblichen Verkehrslärms aufgrund der Brückensperrung“ sei ein Abschlag von 5 Prozent möglich, weitere 5 Prozent für die Beeinträchtigung durch Gerüche (Abgase). Die Wertminderung von 10 Prozent für die Grundstücke wird rückwirkend nun zum 1. Januar 2022 wirksam – und könnte nach Antrag auch für andere Grundstücke an der ausgewiesenen Umleitungsstrecke und gegebenenfalls darüber hinaus greifen, wie der Eigentümer von der Lennestraße betont. „Jeder Bürger, der unter dem unzumutbaren Verkehr leidet, sollte diese Steuerreduzierung kennen“, sagt er.
Der Eigentümer rechnet damit, dass Lärm und Abgase voraussichtlich fünf bis sieben Jahre andauern, bis die A45 wieder freigegeben wird. Doch bis 2027 wird die Wertminderung nicht bestehen, wie das Finanzamt deutlich machte. Die Grundsteuerreform, die zum 1. Januar 2025 umgesetzt wird, sehe keine derartigen Abschläge mehr vor. Die Wertminderung sei nur noch bis 2024 möglich.
Den „Brücken-Rabatt“ auf die Grundsteuer wird der Vermieter so lange an seine Mieter weitergeben, gerade einmal 41 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche. Es ist zwar nur eine kleine Entschädigung für Dauerlärm und -stress, aber für viele Anlieger ein Hoffnungsschimmer im Kampf gegen die gefühlte Ohnmacht gegenüber den überörtlichen Behörden.