Anfangs haben wir noch geglaubt, dass es den Umsatzverlust auffangen würde, wenn man auch noch länger am Tag für die Kunden da wäre. Aber das war nicht so. Das hat nichts gebracht. Der Effekt aufs Geschäft blieb aus. Das Problem ist das selbe geblieben: Die Stammkunden, die beispielsweise am Vogelberg wohnen, die kommen nicht mehr einfach so vorbei, wie vor der Brückensperrung. Die haben mir erklärt, dass sie zwar Lust auf einen Döner bei mir haben, aber für eine Anfahrt hat niemand den Nerv, sich 30 Minuten in diesen zähflüssigen Verkehr zu begeben.
Außerdem – und das betrifft natürlich auch durchweg meine Lieferfahrer – lassen die Lkw, die die Lennestraße komplett verstopfen, keine Pkw rein, die wieder vor meinem Laden losfahren. Wir haben hier schon mehrfach die Situation gehabt, dass an der einen oder anderen Ecke rund um die Worth ein Autounfall war. Selbst bei kleineren Blechschäden muss die Polizei kommen. Und dann? Es geht hier nichts mehr vorwärts, es steht komplett alles. Dann braucht man 45 Minuten, um überhaupt auf die Lennestraße drauf zu kommen mit dem Auto. Und da steht man erst einmal wieder. Das hat uns Kunden gekostet. Firmen wie Kostal bestellen nichts mehr, weil wir pünktliche Lieferungen zur Mittagspause nicht mehr garantieren können. Die müssten den Bereich sperren, sodass die Lkw überhaupt nicht auf die Lennestraße kommen.
Ich habe drei oder vier Mal mit Bürgermeister Sebastian Wagemeyer gesprochen und auch vorgeschlagen, dass man das vielleicht mal für kurze Zeiten am Tag machen könnte. Er sagte, dass das nicht ginge. Auf der anderen Seite hatte er mir aber Hilfe zugesagt, bei der Sache mit dem Sonderkredit für von der Brückensperrung betroffene Unternehmer. Ich bin das alles mit der SIHK durchgegangen und die meinten, ich hätte einen Anspruch auf das Darlehen, weil die Umsatzeinbußen über 20 Prozent ja belegbar sind.
Aber unsere Hausbank lehnt das ab. Als wir damals mit der Selbstständigkeit angefangen hatten, da gab es ein Problem mit den Krankenkassenbeiträgen meiner Frau. Die AOK wollte 800 Euro haben und hatten eine Kontopfändung veranlasst. Über das Konto meiner Frau läuft ja auch der Geldverkehr fürs Geschäft. Für den Kredit verlangt die Bank, dass das Konto in den vergangenen drei Jahren pfändungsfrei war. Das ist denen egal, dass wir seither keine Schulden mehr hatten. Ich hatte das dem Bürgermeister erzählt und gefragt, ob er da irgendwie helfen kann. Es hieß, er würde sich kümmern und schauen, was möglich wäre. Seitdem habe ich ihn nicht mehr erreichen können und auch sonst habe ich nie eine Antwort bekommen.
Es gab auch Gespräche mit der Stadt, bei denen es darum ging, mir ein anderes Ladenlokal anzubieten. Aber das würde uns nicht helfen, denn mit meinem jetzigen Vermieter habe ich einen Vertrag über fünf Jahre geschlossen. Würde ich vorzeitig daraus wollen, dann müsste ich ihm 60.000 Euro bezahlen. Wo soll das Geld herkommen? Von Olaf Scholz? Von der Autobahn GmbH? Oder bezahlt Herr Wissing das?
Meine Familie und ich haben uns jetzt dafür entschieden, eine Wohnung in Lüdenscheid zu mieten, um die langen Wege und die Fahrtkosten wenigstens einzusparen. Kurzzeitig sah es so aus, als wenn das klappt mit einer Drei-Zimmer-Wohnung. Dann kam aber der Anruf, dass man lieber verkaufen wollen würde. Was man da aber aufgerufen hat, ist viel zu teuer. Also suchen wir erst mal weiter.
Wie es weitergehen soll, weiß ich nicht. Es ist schwer, ich kann nicht drei Jahre in die Zukunft schauen. Ich weiß nur, dass es irgendwie weitergehen muss. Ich halte es da mit einer Frau, die ich toll finde, mit Angela Merkel. Die hat doch gesagt, „Wir schaffen das!“ Und so ist das auch: Wir schaffen das!“
Vor allem Anwohner trifft das Brücken-Desaster hart. Petra und Hubert Gerbersmann haben das Verkehrschaos direkt vor ihrer Haustür in Lüdenscheid. Wie sie ein Jahr im Nadelöhr der Bedarfsumleitung erlebten. Und auch für diejenigen, die ständig im Stau stehen, ist die Situation untragbar. So sagt eine Busfahrerin der MVG nach einem Jahr A45-Sperrung: „Auf den Straßen ist sich aktuell jeder selbst der nächste.“