Dass man flexibler sein muss, wenn man es kann, hat sich in den weiteren Veränderungen gezeigt. Das kann nicht jeder im Job. Aber dort, wo es möglich ist, können flexible Arbeitszeiten ein Vorteil sein. Letztlich kann ich nur für mich sprechen. Ich bin auch früher schon mal zu einem späteren Zeitpunkt nach Hause gefahren. Ab einer gewissen Uhrzeit ist das nun trotz der Sperrung auch machbar. Flexiblere Arbeitszeiten sind also eine Möglichkeit. Unser Arbeitgeber ist da entgegenkommend, wenn es möglich ist. Oder ich mache nach der Arbeit hier einfach noch ein paar Erledigungen. Im Sommer bin ich noch Fahrrad gefahren, bevor es nach Hause ging. Ich versuche, das Beste draus zu machen. Bei allem Negativen ist auch manchmal was Gutes dabei. Aber nur manchmal. Ich will es nicht zu hoch aufhängen oder schönreden. Aber ich darf nicht nur im Negativen unterwegs sein. Das Radfahren im Bereich der Talsperren – das war schön.
Anstrengend war die letzte Zeit mit der gleichzeitigen Sperrung der B54. Da hätte ich die Bitte an die Politik und die Straßenbaugesellschaften, dass man besser informiert. Ich habe über die come-on-Internetseite etwas erfahren, aber wenn man auf der Seite von Straßen-NRW nichts über die Bauzeiten findet, ist das nicht gut. Wenn man ein zeitliches Limit kennt, ist es besser zu verstehen oder zu ertragen. Zu Spitzenzeiten und in der Rush Hour bin ich auch mal 90 Minuten gefahren, aber jetzt brauche ich, wenn es gut läuft, 55 Minuten. Ich bin auch früher freitags nie unter einer Stunde nach Hause gekommen. Nun kann es sein, dass auch mal 1:20 Stunde ist. Ich telefoniere dann ziemlich viel. Ich kann soziale Kontakte pflegen oder telefoniere beruflich, sofern das geht.
Ein Muster habe ich noch nicht erkannt, wann es voll und wann weniger voll ist. Am Anfang dachte ich, es gäbe eines: Montagmorgen ist schlimm, Freitagabend ist super. Aber dieses Muster gibt es nicht mehr. Nun muss man schauen, wann es sinnvoll ist, noch zu bleiben und vielleicht länger zu arbeiten, um dem großen Stau zu entgehen. Manchmal nehme ich mir auch ein Zimmer, das wir in der Sportklinik beziehen können, und bleibe eine Nacht da. Andere Kollegen nutzen dieses Angebot die gesamte Woche. Oder man beschäftigt sich mit ganz anderen Dingen: Im Sommer habe ich auch mal Lüdenscheid erkundet. Die Brückensperrung hat zwangsläufig dazu geführt, dass man die Stadt anders kennenlernt. Früher bin ich nie über die Heedfelder Straße gefahren. Man bekommt nun auch mit, wie wichtig diese Region mit ihren Unternehmen ist. Ich wusste es immer vom Hörensagen, aber nun sieht man es auch mehr.
Was die Sperrung für die Sportklinik Hellersen bedeutet, kann ich in meiner Funktion nicht aussagekräftig bewerten. Natürlich spricht man mit Kollegen und Patienten über die Brückensperrung, aber unter den Mitarbeitern konnte ich bisher keine Massenabwanderung feststellen. Sicherlich spielen hier auch unsere familiären Strukturen rein. Sofern es möglich ist, wird auf individuelle Bedürfnisse eingegangen. Man kann letztlich nichts an der Sperrung ändern. Man muss die Situation nehmen, wie sie ist. Es gibt keinen Schuldigen dafür. Vielleicht muss man auch bei der Infrastruktur zu neuen Denkweisen kommen, nicht immer nur nachbauen. Ich wünsche mir, was den Verkehr betrifft, generell nur eine gewisse Koordination und Transparenz bei den Baustellen. Morgens habe ich mein erstes Problem in Dortmund auf der A1 mit einer Baustelleneinrichtung, auf der ich noch nie jemanden habe arbeiten gesehen. Da verliere ich dann sieben oder acht Minuten. So summiert es sich von Baustelle zu Baustelle.
Ich versuche, die Dinge emotionslos und wertfrei zu sehen, das Beste daraus zu machen. Ich habe keine andere Wahl. Das ist eine Einstellung, mit der ich mich derzeit auch medizinisch beschäftige. Ich kann es nicht ändern, kann nur die Umstände mildern – das sind auch Faktoren in der Stressmedizin. Ich arbeite sehr gerne in der Sportklinik, deshalb muss ich diese Fahrten nun in Kauf nehmen und habe trotzdem auch das eine oder andere Schöne entdeckt. Die Wälder hier finde ich klasse! Und ich persönlich bin es gewohnt gewesen, auch mal länger zu arbeiten. Wenn ich an Zeiten gebunden wäre, Kinder abholen müsste oder Ähnliches, dann wäre das etwas ganz anderes und viel schwieriger. Das habe ich zum Glück nicht.“
Seit einem Jahr ist die Rahmede-Talbrücke der A45 in Lüdenscheid voll gesperrt. 365 Tage voller Verkehrschaos, Zukunftsängste und Wut liegen hinter einer Region, die kurz vor dem Kollaps steht. Betroffene aus Lüdenscheid haben uns ihre Geschichte erzählt. Anwohner, Unternehmer, Gastronomen, Pendler — sie alle haben eins gemeinsam: Das Brücken-Desaster bestimmt seit einem Jahr ihr Leben.
Vor allem Anwohner trifft das Brücken-Desaster hart. Petra und Hubert Gerbersmann haben das Verkehrschaos direkt vor ihrer Haustür in Lüdenscheid. Wie sie ein Jahr im Nadelöhr der Bedarfsumleitung erlebten. Für Verkehrsplanerin Nina Niggemann-Schulte gibt es seit einem Jahr auch nur noch ein Thema: die Brücke. Sie sagt: „Das hat dauerthaft alle Dimensionen gesprengt.“