Wir versuchen, jeden einzelnen unserer Leute mit großer Wertschätzung zu behandeln – wie sich das für ein Familienunternehmen gehört. Dies gilt mit Sicherheit auf Gegenseitigkeit für unsere Mitarbeiter. Jedoch stellt sich angesichts des täglichen Verkehrsinfarkts die Frage: Wie lange machen die Kollegen das noch mit?
Was mich sehr ärgert, ist die Tatsache, dass sich die Politik beim Thema Brückensperrung aus der Verantwortung zieht. Die wissen doch schon lange, dass im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Fracht über die Straße bewegt wurde, dass die Lastwagen schwerer werden und der Verkehr zunimmt. Und dass die Brücken ertüchtigt werden müssen. Das ist keine Überraschung. Das Problem ist ja nicht von heute auf morgen entstanden.
Wie die Vertreter der Politik und der Behörden mit dem Problem umgehen, das ist aus meiner Sicht an Verantwortungslosigkeit nicht mehr zu toppen. Je nach Parteibuch springen sie ihren Fürsten bei. Zur ersten Konferenz zu diesem Thema im Kulturhaus schickt der Bundesverkehrsminister jemanden aus der dritten Reihe zum sogenannten Spitzengespräch. So wird das nie was!
Was wir brauchen, ist eine Gesetzesänderung! Die kann in solchen Fällen nur vom Bund kommen. Der Transitverkehr müsste schon seit mindestens einem halben Jahr aus der Stadt raus sein. Es gibt längst technische Möglichkeiten dafür, diese müssen aber auch rechtssicher angewandt werden können. Die Entscheider müssen unbedingt dafür sorgen, dass es unvorteilhaft ist, durch Lüdenscheid zu fahren.
Ich bin auch nicht sonderlich optimistisch, was den Zeitplan rund um die Sprengung angeht. Laut mir vorliegenden Informationen sollen 85.000 Tonnen Material mit bis zu 7000 Lastwagen für das Fallbett hergebracht werden. Wenn die Brücke darauf gefallen ist, werden wir mindestens das Doppelte an Material da liegen haben. Das wird dann wahrscheinlich mit 15.000 oder 16.000 Lastwagen abtransportiert werden.
Ich kann einfach nicht verstehen, dass das Wohl der Menschen hinten angestellt wird. Die Menschen warten und warten, und das Erste, was fertig war, waren Wohntürme für Fledermäuse. Aus heutiger Sicht habe ich keinen Anlass, anzunehmen, dass die avisierten Termine Bestand haben. Dafür waren schon im ersten Jahr zu viele Verzögerungen zu erkennen. Es gibt kein funktionierendes Konzept.
Wenn unsere Werke im Rahmedetal durch die Anschüttung des Fallbettes für die Sprengung von unserem Logistikzentrum abgeschnitten sind, fangen die Schwierigkeiten erst an. Alles, was wir hier im Rahmedetal produzieren, wird zum Gielster Stück gebracht. Das sind jeden Tag rund 100 Paletten, sechs bis sieben Lkw-Fahrten pro Tag.
Angenommen, der Hemecker Weg in Richtung Rosmart wird für den Schwerlastverkehr nicht freigegeben, bedeutet das für uns: Die Laster fahren nach Altena, über Nachrodt-Wiblingwerde bis Letmathe, dann auf die A46 bis Hagen und dort auf die A45. Da stellen sich unsere Fahrer dann im Stau in Richtung Lüdenscheid hinten an, um unser Logistikzentrum zu erreichen. Statt 15 Minuten müssen wir dann rund drei Stunden für einen Transport veranschlagen. Die Speditionen schimpfen doch jetzt schon.
Entscheidend ist, dass auch vor dem Hintergrund zuvor schon bestehender Herausforderungen wie etwa Klimawandel und Energiekrise weitere Hemmnisse abgebaut werden. Krisen gehören zur Entwicklung dazu, sie müssen jedoch auch bewältigt werden.
Seit einem Jahr ist die Rahmede-Talbrücke der A45 in Lüdenscheid voll gesperrt. 365 Tage voller Verkehrschaos, Zukunftsängste und Wut liegen hinter einer Region, die kurz vor dem Kollaps steht. Betroffene aus Lüdenscheid haben uns ihre Geschichte erzählt. Anwohner, Unternehmer, Gastronomen, Pendler — sie alle haben eins gemeinsam: Das Brücken-Desaster bestimmt seit einem Jahr ihr Leben.
Vor allem Anwohner trifft das Brücken-Desaster hart. Petra und Hubert Gerbersmann haben das Verkehrschaos direkt vor ihrer Haustür in Lüdenscheid. Wie sie ein Jahr im Nadelöhr der Bedarfsumleitung erlebten. Für Verkehrsplanerin Nina Niggemann-Schulte gibt es seit einem Jahr auch nur noch ein Thema: die Brücke. Sie sagt: „Das hat dauerthaft alle Dimensionen gesprengt.“