Viele Hürden zu nehmen: Bürgerbusverein hatte schweren Start

Auch wenn der Bürberbusverein Werdohl schon ein wenig älter ist – in wenigen Tagen, am 22. April, feiert er ein 25-jähriges Jubiläum. Denn genau vor einem Vierteljahrhundert hat der erste Werdohler Bürgerbus seine Jungfernfahrt unternommen. Bis es aber so weit war, mussten einige Hürden genommen werden. Kämpfe unterschiedlicher Art führt der Verein bis in die Gegenwart. Dennoch berichten Beteiligte auch von schönen Momenten.
Werdohl – Die Idee, nach den erfolgreichen Pilotprojekten in Nordrhein-Westfalen auch in Werdohl einen Bürgerbus zu etablieren, brauchte etwas Zeit, um zu reifen. Werdohls damaliger Stadtdirektor und späterer Bürgermeister Manfred Wolf war eine treibende Kraft, aber auch der Einzelhandel und die Politik hatten großes Interesse daran, in der Stadt an Lenne und Verse ein Nahverkehrsangebot zu schaffen, das auch Stadtteile miteinander verbinden sollte, die von den großen Bussen der Märkischen Verkehrsgesellschaft (MVG) nicht angefahren werden.
Wilfried Art, damals Planungsamtsleiter im Rathaus, und Werdohls damalige Gleichstellungsbeauftragte Petra Hücking trieben die Planungen voran, bis es schließlich am 4. Juni 1997 im Sitzungssaal des Rathauses zur Gründung des Bürgerbusvereins Werdohl (BBV) kommen konnte. In deren Verlauf wurde die Geschäftsfrau Anna Becker zur Vorsitzenden gewählt. In den folgenden 25 Jahren sollte es nur zwei weitere Vorsitzende geben: Werner Knappe (2003 bis 2010) und Eint Meyer (seit 2011).
Der erste Bürgerbus traf im März 1998 in Werdohl ein. Der Fahrbetrieb begann am 23. April mit drei Linien. Allerdings verlief der Start nicht gerade reibungslos: Zunächst standen lediglich neun Fahrer zur Verfügung, und auch die Akzeptanz des neuen Nahverkehrsangebots in der Bevölkerung wuchs nur langsam. Anfangs stiegen durchschnittlich nur 370 Fahrgäste im Monat zu, nach knapp einem Jahr waren es aber schon rund 560.

Doch der Bürgerbusverein war kreativ. Er führte die Kindergartenlinie ein, mit der kleine Werdohler morgens an der Haustür abgeholt und zum Kindergarten gebracht sowie mittags wieder abgeholt wurden. „Die Kindergartenlinie verdient heute unser Spritgeld“, verrät Vereinskassierer Wilfried Arlt, seit zehn Jahren auch Bürgerbusfahrer. Im Jahr 2020 wurde der BBV für diese Initiative sogar mit dem Werdohler Kinder- und Jugendpreis ausgezeichnet. Auch Sonderfahrten, beispielsweise zum Sauerländer Apfelfest auf dem Dösseln, belebten das Geschäft. Und auch die Linien wurden immer wieder an Bedürfnisse der Fahrgäste angepasst. Im Jubiläumsjahr nutzen monatlich rund 1000 Fahrgäste den Bürgerbus.
Es muss niemand befürchten, dass da Scheintote am Steuer des Bürgerbusses sitzen.
Mit den Fahrgästen stieg auch die Zahl der Fahrer, obwohl der Bürgerbusverein im Laufe der 25 Jahre immer mal wieder über Fahrermangel klagte. Letztlich konnte der Fahrbetrieb immer aufrecht erhalten werden, aber es blieb – und bleibt – ein ständiger Kampf um die ehrenamtlichen Chauffeure. Im Jubiläumsjahr ist die Situation gerade einmal ein wenig entspannt. „Was die Zahl der Fahrer angeht, sind wir im Moment zufrieden“, sagt der Vorsitzende Eint Meyer mit Blick auf die 16 Fahrer und drei Fahrerinnen, die sich den Dienst am Steuer teilen. Zwei Anwärter warten gerade noch darauf, ihre Zulassung zu bekommen. „Das reicht dann für täglich zwei Schichten“, sagt Meyer, der selbst seit 2006 den Bürgerbus steuert. Damit meint er die Aufteilung der Fahrten auf eine Vormittagsschicht (montags bis samstags) und eine Nachmittagsschicht (montags und freitgs). Dienstältester Bürgerbusfahrer ist übrigens der ehemalige evangelische Pfarrer Rüdiger Schmale, der seit 25 Jahren dabei ist.
Die gute personelle Ausstattung hängt auch damit zusammen, dass die obere Altersgrenze für Bürgerbusfahrer mittlerweile gefallen ist. Wer möchte, kann auch mit 80 oder mehr Jahren noch fahren. Allerdings: Wer älter als 65 Jahre ist, muss jährlich seine Tauglichkeit medizinisch unersuchen lassen. „Es muss also niemand befürchten, dass da Scheintote am Steuer des Bürgerbusses sitzen“, versichert Eint Meyer lachend, dass Sicherheit für die Bürgerbusfahrer natürlich das oberste Gebot sei.
Einen Wunsch hat der Vorsitzende aber noch, was die Bürgerbusfahrer angeht: „Wir hätten gerne auch einmal einen Fahrer oder eine Fahrerin mit türkischem oder anderem Migrationshintergrund.“ Alle Bemühungen in diese Richtung seien bisher gescheitert.
Zuletzt hatte der Bürgerbusverein aber eher mit anderen Problemen zu kämpfen. Nachdem die Corona-Pandemie ausgebrochen war, konnte der Bürgerbus sieben Monate überhaupt nicht fahren. „Mit unseren finanziellen Rücklagen konnten wir das gerade noch auffangen, wir haben zwei Jahre lang praktisch eine schwarze Null gefahren“, blickt Kassierer Wilfried Arlt zurück. In diese Zeit fiel auch die Schließung des WK Warenhauses, die einen nachhaltigen Rückgang bei den Fahrgastzahlen nach sich gezogen habe.
Deutlich gestiegener Diesel-Preis
Einnahmeverluste musste der Verein auch durch die Einführung des 9-Euro-Tickets hinnehmen. Wer eine solche verbilligte Monatskarte für den ÖPNV hatte, konnte damit von Juni bis August 2022 auch im Bürgerbus fahren, ohne zu zusätzlich zu zahlen. Arlt: „Das Land will diese Einnahmeverluste zwar ausgleichen, aber bis jetzt ist noch kein Geld angekommen.“
Und dann kam im vergangenen Jahr noch die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise hinzu. Die Kraftstoffpreise stiegen in bisher nicht gekannte Höhen – natürlich auch für den Bürgerbusverein. „Wir haben 9600 Euro für Diesel ausgeben müssen. In normalen Jahren müssen wir dafür etwa 6000 Euro aufwenden“, berichtet Kassierer Arlt.
All diese überraschenden Belastungen konnte der Verein in seine Kalkulation nicht einfließen kann, weshalb jetzt in der Rücklage Geld fehlt für die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs, die voraussichtlich im Jahr 2025 fällig wird. So sah sich der Bürgerbusverein gezwungen, den Fahrpreis zum 1. April um 20 Cent auf nun 2,20 Euro pro Einzelfahrt anzuheben. Dennoch blickt der Vorsitzende Eint Meyer optimistisch in die Zukunft: „Von einer Auflösung des Vereins sind wir jedenfalls meilenweit entfernt“, betont er.

Und bei allen Kämpfen und Sorgen, die mit der Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs verbunden sind, sprechen die Fahrerinnen und Fahrer auch gerne von schönen Erlebnissen, die sie unterwegs haben. Nicht nur, dass der Bürgerbus eine „rollende Informationsbörse“ sei, in der die neuesten Neuigkeiten aus der Stadt ausgetauscht werden. Auch die eine oder andere Anekdote sorgt im Kreis der ehrenamtlichen Chauffeure, die sich regelmäßig zu Feiern und Ausflügen treffen, immer wieder für Erheiterung.
„Meistens macht es Spaß“, sagt beispielsweise Brigitte Alfringhaus, die nicht nur seit 2019 Fahrerin, sondern auch Pressesprecherin des Vereins ist, und erzählt von einem Jungen mit offensichtlich türkischem Migrationshintergrund, der im Bus auf der Kindergartenline oft inbrünstig das Lied „Laterne, Laterne“ singe.
Und Erwin Betten, ebenfalls seit vier Jahren auf dem Fahrersitz, erinnert sich schmunzelnd an seine Anfangszeit am Steuer des Acht-Sitzers, als er sich an die vielen inoffiziellen Bezeichnungen der Haltestellen habe gewöhnen müssen. „Da musste ich am Anfang oft erst überlegen, wenn ein Fahrgast beispielsweise am ‘rostigen Törchen’ aussteigen wollte.“