Unternehmerin vor Gericht: Mitarbeiter vier Jahre lang „schwarz“ beschäftigt?

Auf das immens schnelle Wachstum schiebt eine Werdohler Unternehmerin den Umstand, Mitarbeiter über Jahre „schwarz“ beschäftigt zu haben.
Werdohl – Die Summe von 764 000 Euro, die sie laut Staatsanwalt einbehalten haben soll, sei aber zu hoch angesetzt, erklärte die Werdohlerin jetzt vor dem Amtsgericht Altena.
Denn der angebliche Schaden für die Sozialkassen ist das Ergebnis einer Hochrechnung der Finanzbehörden, die die geschätzten Lohnkosten auf der Basis der Umsätze des Unternehmens berechneten. Verteidiger Andreas Klose wies die hohe Lohnquote, die den Berechnungen zugrunde lag, zurück: „Das kann nicht sein.“ Ihm sei allerdings auch klar, „dass die Rechtsprechung eine solche Hochrechnung zulässt“.
Schaden von 746 000 Euro?
Richter Dirk Reckschmidt wies darauf hin, dass der strafrechtlich relevante Schaden nur den Arbeitnehmer-Anteil zu den Sozialabgaben betreffe: Der nicht gezahlte Arbeitgeber-Anteil sei „interessant, aber nicht strafbar“. Sollte mit dem Urteil die Einziehung des angerichteten Schadens verbunden sein, würde sich der Betrag in etwa halbieren. Doch mit der Anklage beantragte die Staatsanwaltschaft zunächst die Einziehung des auf 764 000 Euro geschätzten Schadens.
Unterschlagung und Veruntreuung
Die Angeklagte soll Dutzende von Mitarbeitern von Januar 2015 bis August 2019 „schwarz“ beschäftigt haben. Daraus ergaben sich 56 Fälle der Unterschlagung und Veruntreuung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung.
Die Angeklagte zeigte sich grundsätzlich geständig, ohne den immensen Umfang der angeblich nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge zu bestätigen. Sie erzählte die Geschichte, wie sich ihr Unternehmen von einem kleinen „Kellerbetrieb“ durch die große Nachfrage nach Sortier-, Kontroll- und Verpackungsdienstleistungen immer weiter vergrößerte und als erfolgreiches Subunternehmen schließlich mit bis zu 80 Mitarbeitern eine eigene „Riesenhalle“ bezog: „Wir waren zu gut und zu schnell.“
Die 48-Jährige berichtete von zwölf festangestellten und damit sozialversicherten Mitarbeitern und vielen Helfern, die auf 400-Euro-Basis gearbeitet hätten. Dazu seien auch Schüler als Ferienarbeiter gekommen. Es gibt also einige Hinweise, dass die der Angeklagten vorgeworfenen Schadenssummen zu hoch angesetzt sein könnten. Zur weiteren Aufklärung kann das Schöffengericht auf zahlreiche Zeugen aus der Finanzverwaltung und ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens zurückgreifen.
„Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die man befragen kann“, erklärte Richter Dirk Reckschmidt. Nach einer ersten Sondierung, was vor einem abschließenden Urteil noch zu klären sein wird, vertagte der vorsitzende Richter das Strafverfahren: „Neuer Termin von Amts wegen.“