„Sehen keinen größeren Bedarf“: Kaum Interesse am Jobticket

Für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland beginnt bald eine neue Zeitrechnung. Ab dem 1. Mai gilt das neue Deutschlandticket, das für monatlich 49 Euro erhältlich sein wird. Es könnte auch die Jobticket-Regelungen in Unternehmen beflügeln, weil es eine flexiblere Lösung für die betriebliche Mitarbeitermobilität bietet. Die großen Werdohler Unternehmen sind aber noch zurückhaltend.
Werdohl – Mit dem sogenannten Deutschlandticket kann man ab Mai für 49 Euro einen Monat lang alle Nah- und Regionalverkehrsmittel nutzen. Das Deutschlandticket ist der Nachfolger des erfolgreichen 9-Euro-Tickets, das in den Sommermonaten 2022 bundesweit als Reaktion auf steigende Energiekosten angeboten wurde und sich großer Beliebtheit erfreute, denn mit einer einzigen Fahrkarte konnten Reisende den gesamten deutschen Nahverkehr nutzen und das sogar ohne Tarifgrenzen.
Jetzt wird zum 1. Mai das Deutschlandticket als dauerhafte Sozial- und Klimaschutzmaßnahme eingeführt. Es kann deutschlandweit in allen Linienbussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen, sowie Nah- und Regionalverkehrszügen genutzt werden. Damit wird es auch zu einer interessanten Alternative für viele Berufspendler: Wer mehr als vier Kilometer weit zu seinem Arbeitsplatz fahren muss, kommt mit dem Deutschlandticket schon günstiger weg – jedenfalls rein rechnerisch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Pendlerpauschale und theoretisch, wenn der ÖPNV auch die passenden Verbindungen anbietet.
Das Deutschlandticket macht darüber hinaus auch die Firmen- oder Jobtickets attraktiver, die Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als steuerfreie und kostengünstige Mobilitätsoption und als Alternative zum Dienstwagen anbieten können. Bisher war das für Unternehmen oft mit starren Mindestabnahmemengen und aufwendigen Vertragsverhandlungen mit den Verkehrsverbünden verbunden. Das Deutschlandticket vereinfacht das Verfahren nun: Arbeitgeber können ihren Beschäftigten das Deutschlandticket ganz oder teilweise bezuschussen; zahlen sie einen Zuschuss von mindestens 25 Prozent, geben die Verkehrsverbünde noch einmal 5 Prozent Rabatt obendrauf. Für Arbeitnehmer ist zusätzlich attraktiv, dass sie dieses Jobticket auch für private Fahrten nutzen können.
Werdohler Unternehmen sind aber noch zurückhaltend, was diese Option angeht. So bietet beispielsweise der Bahntechnikkonzern Vossloh seinen Beschäftigten noch kein Jobticket an. „Die Überlegungen zu einem Modell im Themenfeld Jobticket sind noch nicht abgeschlossen“, teilte Unternehmenssprecher Andreas Friedemann auf Nachfrage mit.
Auch VDM Metals, immerhin Werdohls größter Arbeitgeber, plant keine Bezuschussung von Deutschlandtickets. Das Unternehmen sehe derzeit keinen größeren Bedarf, sagte Firmensprecher Philipp Verbnik, verwies aber auf andere Angebote für eine umweltfreundliche Mobilität der Belegschaft: Das Fahrrad- beziehungsweise E-Bike-Leasing werde betriebsintern stark nachgefragt. „Seit Einführung des Angebots im Sommer 2016 haben Beschäftigte von VDM Metals schon mehr als 1200 Fahrräder und E-Bikes geleast“, teilte Verbnik mit.
Auf Jobbikes setzt auch der Pumpenhersteller Brinkmann. Dieses Angebot werde von der Belegschaft auch rege genutzt, versichert Geschäftsführer Guido Hauptmann. Dass das Unternehmen demnächst auch Jobtickets anbieten werde, will er nicht ausschließen: „Wir prüfen derzeit die steuerliche Behandlung, die uns noch nicht vollkommen klar ist“, teilte er mit. Allerdings ist Hauptmann skeptisch, ob dieses Angebot überhaupt nachgefragt wird. „Da nur wenige Mitarbeiter mit dem ÖPNV kommen, müssen wir abwägen, ob dies überhaupt erforderlich wird“, erklärte er. Grundsätzlich sei aber geplant, Mitarbeiter zu unterstützen.
Eine Jobticket-Regelung ist auch für die Kracht GmbH keine Option. „Leider haben wir eine unzureichende ÖPNV-Anbindung“, begründete Franziska Erwentraut, Marketing-Mitarbeiterin des im Gewerbegebiet Kettling angesiedelten Industrieunternehmens. Allerdings biete auch Kracht seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, E-Bikes zu leasen oder die Ladesäulen für E-Autos auf dem firmeneigenen Parkplatz zu nutzen.
Ebenfalls kein Thema ist die Bezuschussung des Deutschlandtickets für die vier Unternehmen der Lukad-Holding, zu denen in Werdohl die Firmen Stauff und Menshen gehören. „Bisher gab es hierzu keine große Nachfrage aus der Belegschaft“, begründete Personalleiter Niclas von Seidlitz, deutete aber an, dass die Unternehmen auf eine veränderte Situation auch durchaus reagieren könnten: „Wir werden den Erfolg des Deutschlandtickets abwarten und dann gegebenenfalls die Situation neu bewerten.“