Nach Erdbeben in der Türkei: Betroffenheit in Werdohl groß

Nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien mit mehr als 5000 Toten und fast 25 000 Verletzten sowie tausenden eingestürzten Gebäuden läuft die Hilfe von Organisationen und Institutionen auch aus Deutschland an. Auch in Werdohl sammeln die türkischen Gemeinden Spenden für die Opfer der Naturkatastrophe.
Werdohl – Die meisten türkischen oder türkischstämmigen Einwohner Werdohls haben wenig direkte Kontakte in die Erdbebenregion im Südosten der Türkei, weil sie oder ihre Familien aus der rund 700 Kilometer entfernten Gegend um Samsun am Schwarzen Meer stammen. Dennoch ist die Betroffenheit groß, ebenso wie das Bedürfnis zu helfen.
Sowohl die Ditip-Gemeinde mit ihrer Moschee an der Freiheitstraße als auch die Millî-Görüs-Gemeinde, die ihre Moschee an der Altenaer Straße hat, sammeln in erster Linie Geld, um die Hilfsmaßnahmen im Erdbebengebiet zu unterstützen. „Die Menschen dort brauchen so schnell wie möglich Essen und Zelte. Das kann am schnellsten in der Türkei selbst beschafft werden“, macht Fahrettin Alptekin von der Ditib-Gemeinde deutlich, dass es im Augenblick wenig Sinn habe, Hilfsgüter von Deutschland aus auf den Weg zu bringen. Seine Gemeinde unterstütze deshalb die Hilfskampagne der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), die bereits rund 2,5 Millionen Euro habe sammeln können, berichtete Alptekin.
Mitglieder der Werdohler Gemeinde hätten zuerst überlegt, selbst in die Türkei zu fliegen, um in den am stärksten vom Erdbeben betroffenen Provinzen Hatay, Kahramanmaras oder Adiyamanzu oder in der Metropole Gaziantep zu helfen. „Aber die brauchen dort im Moment erfahrene Helfer. Wir können da jetzt nicht viel ausrichten“, erklärte Alptekin, welche Überlegungen schließlich dazu geführt hätten, von privaten Hilfsexkursionen Abstand zu nehmen.
Ganz ähnlich sieht das Recep Esmer von der Millî-Görüs-Gemeinde Werdohl. „Wir sammeln für die Erdbebenopfer in der Türkei ‒ aber keine Kleidung oder Decken, denn der Transport wäre viel zu umständlich“, sagt er. Vielmehr unterstütze seine Gemeinde die islamische Hilfsorganisation Hasene International. Die Bewegung Millî Görüs und Hasene haben eigenen Angaben zufolge Soforthilfemaßnahmen in Form von drei Lkw und einer finanziellen Zuwendung in Höhe von einer Million Euro aus einem Notfallfond geleistet. In den Lastwagen, die von Istanbul und Usak aus starteten, sollen sich Windeln und Nahrungsmittel, Decken, Wintermäntel und -stiefel sowie andere Hilfsgüter befunden haben.
Direkte Geldspenden an Ditib und Hasene sind nach Auskunft der beiden Gemeindesprecher auf die Spendenkonten der beiden Organisationen möglich. Sowohl die Ditib- als auch die Millî-Görüs-Gemeinde wollen aber auch nach ihrem Freitagsgebet am 10. Februar Geldspenden sammeln, die dann an die Hilfsorganisationen weitergeleitet werden sollen. Man könne Briefumschläge mit Geld dann einfach in einen bereitgestellten Korb in der Moschee werfen, sagte beispielsweise Fahrettin Alptekin. An der Moschee an der Altenaer Straße solle außerdem am Samstag, 11. Februar, ab etwa 13 Uhr ein Döner-Stand geöffnet werden, dessen Verkaufserlös auch für die Erdbebenopfer bestimmt sei, kündigte Recep Esmer an.
Esmer ist einer der wenigen Werdohler, die direkte Verbindungen in die Gegend von Gaziantep haben. Kurz nach dem Erdbeben habe er am Montag mit Bekannten dort telefoniert. „Die sind wie viele Menschen dort von dem Beben im Schlaf überrascht worden“, berichtete der Gemeindevorsitzende und schob erleichtert hinterher: „Aber zum Glück geht es ihnen gut.“
SPD-Ratsherr Ali Akdeniz weiß von anderen Werdohlern, die um Familienangehörige in der Erdbebenregion bangen. Eine Familie beispielsweise habe noch kein Lebenszeichen von mehreren Verschütteten in Malatya. Indirekt betroffen ist auch Gülcan Kiraz, die bis Ende Januar noch Integrationskraft an der Werdohler Realschule war. Im Familienzweig ihrer Mutter gebe es zwei Tote zu beklagen, berichtete sie. Und es seien schlimme Erinnerungen hochgekommen: 1999 habe sie mit ihrem Ehemann Hakan das schwere Erdbeben von Gölcük miterlebt, sieben Angehörige hätten damals nur noch tot geborgen werden können.
Gülcan Kiraz erinnert sich außerdem an einen Urlaub im vergangenen Jahr im Hatay, einer sehr kosmopolitischen Provinz im Süden der Türkei. Auch Hatay ist durch das Erdbeben vom Montag schwer verwüstet worden.
Ali Akdeniz hat mit seiner Ehefrau Hatice die Katastrophenregion ebenfalls erst im November bereist, dabei sechs Städte angeschaut, die jetzt zerstört seien. „Das waren so schöne, moderne Städte, und jetzt liegt dort alles in Schutt und Asche“, kommentierte er. Jetzt, aber auch in Zukunft wollen er und seine Frau den Opfern helfen und dazu beitragen, die Städte wieder aufzubauen. Auch der Türkische Elternverband werde sich wohl beteiligen.
Helfen will auch der türkische Fußballverein TSV Werdohl. „Wir werden am Samstag und Sonntag in der Riesei-Sporthalle Benefizturniere für Kinder und Senioren veranstalten“, kündigte der Jugendleiter und 2. Vorsitzende Tamer Cetin an. Gespielt werden soll jeweils von 9 bis etwa 20 Uhr. Auch Sachspenden habe der Verein schon gesammelt.