Medizinerin befürwortet Fahrtauglichkeits-Untersuchung für Senioren

Eine Fahrtauglichkeits-Untersuchung für Senioren könnte bald kommen. Eine Medizinerin hält das für richtig – es gibt aber auch Kritik am Vorhaben.
Lennetal – Wie sie es umsetzen möchte, hat die Führerschein-Kommission der EU noch nicht mitgeteilt, doch nach ihrem neusten Gesetzesentwurf zur Reform der Laufzeiten sollen sich fahrende Senioren ab 70 Jahren alle fünf Jahre auf ihre Fahrtauglichkeit prüfen lassen. Für sie gelte die geplante 15-jährige Führerscheingültigkeit nicht.
„Richtig finde ich das nicht“, erklärt Dieter Richter, Ehrenvorsitzender der Verkehrswacht Märkischer Kreis/Lenne-Volme. Jahrzehnte lang hat er nicht nur in seiner Funktion als Verkehrswachtvorsitzender, sondern auch als Mitglied im Arbeitskreis Verkehrssicherheit des Märkischen Kreises aktive Aufklärungsarbeit geleistet. In diesem Zusammenhang hat er zahlreiche Seniorenkreise besucht und das Thema Senioren im Straßenverkehr beleuchtet. „Das sind mündige Menschen, die zugänglich und einsichtig sind. Eine Zwangsprüfung halte ich für falsch“, erklärt Richter auf Anfrage.
„Es kommt auch beim Fahren auf die persönliche Leistungsfähigkeit an“, ergänzt er. Bei zahlreichen Begegnungen mit aktiven Autofahrern im höheren Alter habe er viel Eigenverantwortung und auch Selbstreglementierung feststellen können. „Mir haben bei den Vorträgen viele Menschen gesagt, dass sie ihre Fahrten bei Dunkelheit oder schlechten Witterungsverhältnissen einschränken oder ganz sein lassen. Oder zu verkehrsarmen Zeiten ihre Erledigungen machen.“ Zudem bestehe bei vielen älteren Fahrern ein großes Interesse, mobil zu bleiben und die entsprechenden Anforderungen zu erfüllen. Dieter Richter begleitete in der Vergangenheit auch manches Verkehrssicherheitstraining für ältere Mitbürger. „Die waren alle freiwillig und gut besucht.“
Richter ist während seiner 25 Jahre andauernden Tätigkeit als Verkehrswachtsvorsitzender selbst zum Senior geworden, der gut und gerne Auto fährt. 2020 gab er 81-Jährig die Vorstandsgeschicke an den Plettenberger Fahrlehrer Martin Fellmer ab, der auch in Werdohl eine Fahrschul-Dependance betreibt.
Dr. Anja Langner-Hülsmeyer, Direktorin der Geriatrischen Station im Werdohler Krankenhaus, möchte älteren Verkehrsteilnehmern die Angst vor einer Untersuchung nehmen: „Sie hat doch nur Vorteile“, erklärt die Fachärztin für Innere Medizin und Geriatrie. Wie die Fahrtauglichkeitsprüfung aussehen könnte, ist derzeit zwar noch unbekannt, doch die Medizinerin kann aus ihrem Alltag heraus versichern, dass sie nicht wehtun wird. „Es ist doch eine gute Sache zu wissen, wie es um die Sehschärfe, das Hörvermögen und die Beweglichkeit steht. Gegen viele Risiken, die die Fahrtauglichkeit beeinflussen können, kann man ansteuern. Das betrifft ja nicht nur Menschen Ü70, sondern jeden, der ein Fahrzeug fährt.“
Die Medizinerin stellt sich allerdings die Frage, wie eine solche Prüfung – für Jüngere soll sie laut Gesetzesentwurf alle 15 Jahre stattfinden – umgesetzt werden kann in Anbetracht des Mangels an medizinischem Personal. „Die Kapazitäten sind nicht da. Wenn das Gesetz kommt, muss eine Infrastruktur für die Überprüfungen geschaffen werden.“ Dr. Anja Langner-Hülsmeyer möchte darüber hinaus noch mehr ausgebaut sehen: Den Öffentlichen Personennahverkehr, denn die Mängel in diesem Bereich seien ja ein Grund dafür, dass Senioren bis ins höchste Alter an Führerschein und kostspieliger Fahrzeugunterhaltung hängen. „Viele Sorgen müssten gar nicht sein, wenn der Bus regelmäßig vor der eigenen Haustür hielte oder öffentliche verlässliche Fahrgemeinschaften existierten.“
Das Fahren im Alter spricht die Medizinerin generell niemandem ab: „Man kann Glück haben und mit 90 noch ein topfitter Fahrer sein. Am Steuer sogar viel fitter als ein 18-Jähriger ohne viel Fahrpraxis. Wenn das Fahren aufgrund altersüblicher Erscheinungen aber immer mehr anstrengt und stresst, sollten Alternativen überdacht werden.“ Für das eigene Fahrgefühl sei das Wissen um ein gutes körperliches und geistiges Leistungsvermögen nur von Vorteil. „Wenn der Check-up gut ausgefallen ist, fährt man deutlich sicherer. Er ist zu befürworten. Für sich, die Angehörigen und alle weiteren Verkehrsteilnehmer auch.“