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Das „Aus“ für Traditionsveranstaltungen?

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Bald nur noch getrennt voneinander möglich? Ein Bier und eine Zigarette führen die Menschen zusammen. ▪
Bald nur noch getrennt voneinander möglich? Ein Bier und eine Zigarette führen die Menschen zusammen. ▪ © privat

WERDOHL ▪ Das Damokles-Schwert sieht Andreas Schreiber über dem Werdohler Schützenverein (WSV) schweben: Wenn Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sich durchsetzt, wird das seit 2008 bestehende Nichtraucherschutz-Gesetz in der Art novelliert, dass künftig selbst in Festzelten ein striktes Rauchverbot gilt.

„Damit geht der gesellschaftliche Teil aller Vereine den Bach runter“, befürchtet der Schützenvorsitzende Schreiber. In Hinblick auf die finanzielle Belastung, die aufgrund von Strafzahlungen für Veranstalter zukommen könnte, sagt er: „Da ist die Frage, ob öffentliche Veranstaltungen überhaupt noch durchführbar sind?“

Schreiber ist selbst Nichtraucher. Ihn störe der Rauch jedoch nur beim Essen. „Es gibt aber auch viele Menschen, die nur auf Feiern rauchen.“ Diese würden etwa von einem Schützenfest ausgeschlossen, sollte ein Rauchverbot eingeführt werden – „vor allen Dingen, wenn Raucherclubs bestehen bleiben dürften“.

Bauchschmerzen bereitet Schreiber auch Folgendes: „Eine Kontrolle eines Verbotes und eine Unterbindung des Rauchens wäre für uns unbezahlbar, wenn nicht unmöglich.“ Ein Vorteil der Schützen sei aber, „dass wir mit dem Zelt ja ohnehin draußen sind“. Eine Verbindung einer Raucherzone mit dem Außenangebot – sprich: den Bierbuden vor dem Zelt – könnte die Rettung für den WSV sein.

„Wir wollen mit unserem Fest alle Werdohler ansprechen“, betont Schreiber – „egal, was für ein Laster er hat.“ Und somit hofft er im Falle einer rigoroseren Gesetzgebung „auch für Raucher ortsnah eine Befriedigung zu schaffen“.

Weniger Aufregung sieht Manfred Kehr, Oberst der Versetaler Schützen, auf sich zukommen: „Ja sicher, es wird einige geben, die sagen werden: ‘Dann gehe ich da nicht mehr hin’, aber es werden im gleichen Maße auch mehr Nichtraucher zum Schützenfest kommen.“ Und wenn doch mal ein Raucher das Verbot vergessen würde, „machen wir halt eine Mikrofondurchsage.“

Kehr selbst raucht seit neun Jahren nicht mehr. „Ich habe aber absolut überhaupt kein Problem, wenn in meiner Gegenwart geraucht wird.“ Und beim Schützenfest könnten die Menschen mit ihrer Zigaretten auch vor das Vereinsheim gehen: „Da ist es zwar ungemütlicher, aber auch ein bisschen überdacht.“

Politiker für Toleranz und gegen Gesetze

Drastischere Auswirkungen sieht Heiner Burkhardt, ehemaliger Bürgermeisterkandidat der Christdemokraten, auf die Vereinslandschaft zukommen: „Ein Rauchverbot in Festzelten wäre meines Erachtens nach das ‘Aus’ für viele dieser Traditionsveranstaltungen.“

Der CDU-Politiker meint weiterhin: „Es wird kein Raucher gezwungen, in das Zelt zu gehen. Ein großer Teil des Werdohler Schützenfestes, wie Umzüge, Konzerte oder das Schießen finden ohnehin im Freien statt, so dass jeder die Möglichkeit hat, daran teil zu nehmen.“

Genau so sieht das auch Andreas Späinghaus, Vorsitzender der Werdohler SPD: „Wenn mich der Rauch stört, dann muss ich von solch einem Fest eben fern bleiben.“ Außerdem meint der Sozialdemokrat: „In einem Zelt mit vielen Menschen ist doch – auch wenn nicht geraucht wird – eh schlechte Luft.“

Dabei hätte „ein Fest doch viel mit Gemeinschaft zu tun“. Und in seinen Augen sei es, „ein bisschen seltsam, wenn alle draußen stehen, um zu rauchen“. Späinghaus stellt klar: „Vom Grundsatz her macht Nichtraucherschutz Sinn – etwa in Restaurants – aber ich persönlich kann mit Rauchern in Eckkneipen oder Festzelten leben.“

„Wir haben doch ganz andere Probleme“

Andererseits erklärt der Kommunalpolitiker: „Ich bin ja selbst Pfeifen- und Zigarrenraucher, aber ich rauche nur draußen, niemals im Haus.“ Zur Novellierung des Gesetzes sagt er: „Wir haben aber doch ganz andere Probleme.“

Friedhelm Hermes, Rats-Fraktionsvorsitzender der FDP kennt beide Seiten: „Ich habe vor 20, 30 Jahren aufgehört zu rauchen. Doch ich akzeptiere bis heute jeden Raucher in meiner Umgebung.“ Raucher, „die an ihre Mitmenschen denken, kommen in der modernen, aufgeschlossenen Welt doch mit jedem Nichtraucher klar“, meint der Freidemokrat.

Hermes betont jedoch: „Ich mag keine Reglementierungen. Sowas sollte doch besser auf freiwilliger Basis geklärt werden.“ Raucher sollten daran denken, „dass man auch ohne Zigaretten feiern kann.“ Hermes wirbt deshalb für Verständnis für die passiven Raucher: „Der Qualm tut in den Augen weh und am nächsten Morgen hat man dann nicht nur vom Alkohol einen Kater, sondern auch vom Nikotin.“

Um „Toleranz auf beiden Seiten“ bittet auch Christian Klepatz, WBG-Vorsitzender. Der Nichtraucher sei „kollegial“ Rauchern gegenüber. Und er weiß: „Die Schützenvereine wollen doch etwas verdienen mit ihren Festen. Das sollten wir ihnen nicht vermiesen.“

Ähnlich sieht das auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Südwestfalen. Die Geschäftsführerin Monika Brandt erklärt: „Ministerin Steffens setzt ein Stück Kultur aufs Spiel.“ Beim Feiern gehöre „das Bier und die Frikadelle genauso wie die Zigarette“ einfach dazu. Brandt rät: „Jeder im Düsseldorfer Landtag ist gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen – und damit die Kippe in der Kneipe“ – beziehungsweise im Festzelt. - Michael Koll

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