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300 Arbeitsplätze weg: Das plant Georg Fischer in Werdohl

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Von: Volker Heyn

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Ein Mitarbeiter von Georg Fischer im Geschäftsfeld Casting Solutions betrachtet ein Aluminium-Gussteil. Die Schweizer Aktiengesellschaft verlagert die Werdohler Produktion nach Österreich und Ungarn, für die Mitarbeiter gibt es einen Sozialplan. © Georg Fischer

Werdohl – Der Schweizer Konzern Georg Fischer schreibt Verluste im Bereich der Automobilindustrie und schließt vermutlich deshalb im Laufe des Jahre sein Werdohler Werk am Bahnhof.

Für die 300 Mitarbeiter an der Schlesingerstraße ist im vergangenen halben Jahr ein Sozialplan verhandelt worden, der aber noch nicht unterzeichnet ist. Montag steht wohl deshalb eine außerordentliche Betriebsversammlung ins Haus. 

Von der Werdohler GF-Betriebsratsvorsitzenden Bärbel Steffen ist gar nichts herauszubekommen. Sie bestätigte lediglich die Konzernmitteilung, dass über einen Sozialplan verhandelt werde. Für weitere Fragen stehe sie nicht zur Verfügung, sie gebe keinerlei Stellungnahme ab. 

IG Metall hält sich bedeckt

Auch bei der IG Metall hält man sich bedeckt. Gudrun Gerhardt, die Erste Bevollmächtigte der Industriegewerk Metall im Märkischen Kreis, weiß offensichtlich nichts über die innerbetrieblichen Vorgänge bei Georg Fischer. Es seien nur sehr wenige Mitarbeiter von GF Gewerkschaftsmitglieder, der Organisationsgrad sei sehr schlecht. Zu Betriebsversammlungen sei die IG Metall nicht eingeladen worden. Die Betriebsratsvorsitzende Steffen arbeite nicht mit der Gewerkschaft zusammen, so Gerhardt. Der GF-Betriebsrat habe sich wohl von anderer Stelle rechtliche Beratung geholt. 

Auskunftsfreudiger ist Beat Römer, Leiter der Konzernkommunikation der Georg Fischer Aktiengesellschaft mit Sitz in Schaffhausen in der Schweiz. Die beiden Werdohler Werke am Bahnhof und an der Schlacht werden im Stammhaus als ein Betrieb angesehen. Die Alu-Gießerei werde mit Ablauf des Jahres 2020 komplett aufgegeben, der Betriebsteil Bearbeitung im Werk 2 an der Schlacht bleibe bestehen. In der Gießerei seien rund 300 Mitarbeitende beschäftigt, an der Schlacht 90. Wie viele der Mitarbeiter am Bahnhof gewerblich oder angestellt seien, könne nicht gesagt werden. Dem Vernehmen nach sind auch viele Leiharbeiter darunter. 

Wann wird die Produktion eingestellt?

Vieles hänge vom Sozialplan ab, so Beat Römer – auch die Antwort auf die Frage, wann die Produktion eingestellt werde. Der Konzern möchte die Gießereiaktivitäten jedenfalls bis zum Jahresende einstellen. Maschinen sollen zum Teil verkauft, zum Teil abgebaut und zu anderen GF-Betrieben verlagert werden. Die Rede ist zum einen von der GF-Leichtmetallgießerei in Herzogenburg in Österreich. Die Stadt liegt nahe St. Pölten und etwa 80 Kilometer vor Wien. Die anderen beiden Verlagerungsstandorte sind in Rumänien: In Pitesti und Scornicesti hatte GF vor zehn Jahren zwei Werke gekauft. 

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Ein Foto aus glücklichen Tagen bei Georg Fischer am Bahnhof: Beim Tag der Ausbildung im Juli 2017 präsentierte der damalige Geschäftsführer Frank Klooß (rechts) die Bemühungen um Personalgewinnung. © Wilczek

Ob und wie viele Mitarbeiter zu den Standorten in Österreich und Rumänien wechseln, werde laut Römer der Sozialplan zeigen. Den Mitarbeitenden würde aber auch der Wechsel zu anderen GF-Standorten angeboten. Römer: „Wir setzen zum Großteil auf freiwillige Lösungen.“ Die Produktion laufe derzeit in „geordneten Bahnen“ weiter, die Mitarbeitenden befänden sich in einem „normalen Arbeitsverhältnis“. 

Ausverkauf hat schon begonnen

Der Ausverkauf des Werdohler Werkes hat offensichtlich schon begonnen: Nach mehreren raschen Wechseln in der Werdohler GF-Geschäftsführung gibt es aktuell keinen Ansprechpartner. Auch das Sekretariat ist nicht mehr besetzt. 

Der Konzern nennt im erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Geschäftsbericht für 2019 Kosten der Veränderungen. Im Jahresbericht ist nicht von einer Schließung, sondern von einer Verlagerung die Rede. Das hat wohl auch damit zu tun, dass der Umgang mit dem Werk in Werdohl als „Betriebsänderung“ behandelt wird. Das dürfte in Bezug auf den Sozialplan ungünstige Auswirkungen für die Mitarbeiter haben. Im Betriebsverfassungsgesetz ist geregelt, welche Bedingungen für solche Kündigungen gelten. 

Verlagerung hat bereits 35 Mio. Euro gekostet

Im Jahresbericht für das abgelaufene Jahr 2019 werden die Aktionäre schon über tatsächlich entstandene Kosten informiert: Die Verlagerung hat demnach allein im vergangenen Jahr 34,7 Millionen Euro gekostet. Darin enthalten sind 11,3 Millionen Euro an außerplanmäßigen Abschreibungen für Sachanlagen am Standort. Dass in den 34,7 Millionen Euro Kosten auch Rückstellungen für Personal enthalten sind, bestätigt Beat Römer. 

Über den zukünftigen Umgang mit dem Grundstück gebe das Unternehmen derzeit keine Informationen, so Beat Römer. Das komplette Gießerei-Grundstück gehöre der Aktiengesellschaft.

Den Grundstein für das heutige Unternehmen GF AG legte Johann Conrad Fischer im Jahre 1802 mit dem Erwerb einer Mühle in Schaffhausen, die er zu einer Gießerei umfunktionierte. 

Das ist Georg Fischer: Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Schaffhausen in der Schweiz und betreibt in 33 Ländern 142 Gesellschaften. Die 14 687 Mitarbeitenden haben laut Geschäftsbericht in 2019 einen Umsatz von 3,72 Milliarden Schweizer Franken (3,5 Milliarden Euro) erwirtschaftet. Die GF AG besteht aus drei Geschäftsfeldern, so genannten Divisionen: Piping Systems (Rohre), Machining Solutions (Maschinen) und Casting Solutions (Gussteile). Die Gießerei in Werdohl gehört zum Bereich Casting Solutions, vormals Automotive. GF hat 1999 den Standort Werdohl als Teil der damaligen Mössner-Gruppe erworben. Der Konzern will sich strategisch aus der Zulieferung für die Automobilbranche zurückziehen. Bis Ende 2019 wurde deshalb das Automobil-Eisengussgeschäft in Europa mit Werken in Singen und Mettmann in Deutschland und Herzogenburg in Österreich verkauft. Mit den verbleibenden Aluminiumgusswerken konzentriert sich der Konzern auf Leichtbaukomponenten in der Luftfahrt sowie im Energiesektor. In Werdohl werden Alu-Motorblöcke hergestellt. Prominent ist die Produktion für den Audi E-Tron.

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