Keine schönen Extras: Nur das Nötigste für 63,9 Millionen Euro

Bitter gesprochen haben Corona und Krieg für den städtischen Haushalt Vorteile: 5,2 Millionen Euro können als außerordentlicher Ertrag deklariert werden, der sich aus Isolierungen der Belastungen beider Katastrophen ergibt. Kämmerin Vanessa Kunze-Haarmann machte erstmals von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch, einen globalen Minderaufwand von einem Prozent der ordentlichen Aufwendungen geltend zu machen. Jene 630 000 Euro retten die Stadt vor einem Nothaushalt.
Werdohl - Werdohl behält ein großes Stück Autonomie, wenn der Kreis Aufsichtsbehörde ist und nicht die Bezirksregierung Arnsberg. Der am Donnerstag von Vanessa Kunze-Haarmann eingebrachte Haushalt enthält wie üblich das Notwendige und keine schönen Extras. Über 500 Seiten umfasst er, gerade so, dass er unter acht Megabyte bleibt. „Das ist die magische Grenze, bei der das System sonst gesprengt würde“, beschreibt Vanessa Kunze-Haarmann – und hat ihren Humor trotzdem nicht verloren.
Warum die Listen und Tabellen schon wieder länger geworden sind, erläutert sie an einem Beispiel, das auch Bürgermeister Andreas Späinghaus in seiner Ansprache zur Einbringung des Haushalts treffend ansprach: Sage und schreibe 60 verschiedene Förderprogramme und -projekte begleitet die Förderungsmanagerin Kirstin Adomat im Rathaus. 60 von insgesamt 350, die die Bezirksregierung Arnsberg im Angebot hat. „Das ist ein undurchdringlicher Dschungel, Frau Adomat sitzt quasi im Dschungelcamp“, brachte Späinghaus es auf den Punkt.
Die unbekannte Höhe von Förderungen machen die Haushaltsplanung nicht leichter. „Hinzu kam ein hoher Krankenstand in der Verwaltung. Die Abteilungen konnten die benötigten Summen nicht liefern“, erklärt Vanessa Kunze-Haarmann, weshalb der Haushalt so spät eingebracht wurde. Jetzt wird er von der Politik beraten. „Wenn er im Mai vom Rat verabschiedet ist, müssen wir den nächsten Haushalt planen.“
Wo kann man noch sparen, wenn eh kein Geld da ist? „Im Kleinen“, erklärt die Kämmerin. „Wir haben im Haushalt die Ablöse eines Feuerwehrfahrzeugs stehen. Kaufen ist mittlerweile günstiger als Leasen.“ Energiepauschalen hatte sie großzügiger bemessen mit Beginn der Energiekrise – „das kann sich ausgezahlt haben, wenn es doch nicht so dicke kommt.“
Preise von Projektierungen, die bereits im vergangenen Jahr oder noch davor in Auftrag gegeben worden sind, können nicht gehalten werden. „Die Inflation schlägt voll zu. Und obendrein gibt es kaum Unternehmen, die Zeit haben.“
Schwer ins Kontor schlagen Brandschutzmaßnahmen, bei denen viele NRW-Kommunen davon ausgegangen waren, dass ältere Gebäude Bestandsschutz haben und teurere Investitionen vermieden werden könnten. „Dem ist nicht mehr so. Zudem sind die Auflagen enorm hoch. Wird eine Kindertagesstätte verpflichtet, alle Raume mit Rauchmeldern auszustatten, dann gehen keine Fünf-Euro-Modelle aus dem Baumarkt. Wir müssen ein hochsensibles funkgesteuertes System für 20 000 Euro kaufen“, so Vanessa Kunze-Haarmann im SV-Gespräch.
Umso mehr freuen sich Kämmerin und Bürgermeister über sichtbarere Ergebnisse wie die neuen Feuerwehrgerätehäuser, deren Planung kontinuierlich voranschreitet. Späinghaus betonte, welch ein Glücksgriff die Mitgliedschaft in der Kommunal-Agentur in diesem Zusammenhang sei. Sein Dank gilt der Kämmerin und ihren direkten Kollegen Chiara Schäfer und Ömer Aydin; einen Appell richtete er in seiner Haushaltsrede an Bundeskanzler Olaf Scholz: „Verlieren Sie bitte die Altschulden der Kommunen nicht aus dem Blick. Wir sind diejenigen, die gesetzliche Ansprüche umsetzen müssen, wir sind diejenigen, die bezahlen müssen, wenn jemand anders die Musik bestellt hat. Wir sind diejenigen, die die Grundversorgung vornehmen, wir sind diejenigen, die Flüchtlinge unterbringen.“ Späinghaus ist gewillt, das auch in der Sporthalle Eveking zu tun. „Ich hoffe, dass wir die Halle nicht brauchen, aber wir sollten vorbereitet sein. Ein Kriegsende und eine damit einhergehende wirtschaftliche Entlastung steht in den Sternen. „Was uns erwartet, ist abhängig von den jeweiligen Offensiven des Kriegsverbrechers Putin.“