„Wird eher schlimmer“: Medikamente weiter Mangelware

Das Thema Medikamentenknappheit ist längst auch in Plettenberg angekommen und beschäftigt seit Monaten Ärzte, Apotheken und Familien gleichermaßen. Nach zuletzt Fiebersäften mangelt es derzeit vor allem an Antibiotika für Kinder. Und Apothekerin Claudia Sielermann befürchtet, dass sich die Situation eher noch verschlimmern wird.
Plettenberg – Das Thema Medikamentenknappheit beschäftigt Ärzte, Apotheker und Familien seit Monaten. Inzwischen haben sich die Engpässe zu den Antibiotika verschoben, berichtet die Plettenberger Apothekerin Claudia Sielermann. Mit einer baldigen Besserung der Lage rechnet sie indes nicht.
Schon seit Monaten ist insbesondere für Familien mit kranken Kleinkindern der Weg zur Apotheke mit der Frage verbunden, ob sie die nötigen Medikamente dort auch bekommen. Besonders schwer erhältlich waren Fiebersäfte, was sich aber glücklicherweise etwas gebessert habe, wie die Inhaberin der Märkischen Apotheke erklärt: „Im Moment ist es beim Fiebersaft etwas entspannter; er ist wieder erhältlich.“ Trotzdem gehören Engpässe auch hier ab und an noch dazu. „Zwischendurch geben wir ohne Rezept oder ohne dass jemand glaubwürdig versichern kann, dass ein Kind 40 Grad Fieber hat, nichts raus, damit es keine Hamsterkäufe gibt“, erklärt Sielermann.
Vor allem Antibiotika für Kinder fehlen
Inzwischen ist die Knappheit bei anderen Medikamenten angekommen. Beispielsweise seien Cholesterinsenker knapp, aber da könnten die Patienten Tabletten in anderer Dosierung erhalten, die sie dann teilen können.
„Bei Anitbiotika sieht es ganz schlecht aus“, so Sielermann. Davon seien auch Erwachsene betroffen, denn bestimmte Gruppen von Anitbiotika, bei denen man nicht auf ein anderes Präparat wechseln könne, seien nicht verfügbar. Aber es sind vor allem die ganz kleinen Patienten, die von der Knappheit betroffen sind. „Für Kinder sieht es ganz mau aus.“ Denn in der Altersgruppe unter 10 Jahren würden die Antibiotika nicht als Tabletten verschrieben, sondern als Trockensäfte, bei denen das verkaufte Antibiotikum-Pulver mit Wasser vermischt und dann verabreicht wird. „Ich hatte am Samstag die letzte Packung abgegeben und war dann pleite“, beschreibt Sielermann die Situation am vorigen Wochenende. „Ich hatte kein Penicillin, kein Amoxicilin, kein Breitbandantibiotikum für Kinder mehr.“
Wegen der Schwierigkeiten würden die Apotheken auch im ständigen Austausch mit den Kinderärzten stehen, welche Medikamente, die verschrieben werden, überhaupt verfügbar seien. Die Antibiotikaengpässe beträfen im Übrigen nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa.
Daran werde sich erst einmal wohl auch nichts ändern, sagt die Apothekerin: „Ich glaube, es wird eher noch schlimmer.“ Die Absichtserklärung, die Medikamentenproduktion wieder nach Europa zurückzuholen, lindert die aktuelle Knappheit nicht. In den nächsten zwei bis drei Jahren werde sich dadurch nichts ändern.
Frustration bei Kunden und Apothekern
Verständnis für die Medikamentenknappheit würden viele Apothekenkunden schon zeigen, wenn man ihnen die Problematik erkläre, so Sielermann. Doch viele seien auch frustriert. „Es ist unschön, dass die Patienten da so zwischen den Stühlen sind zwischen Ärzten und Apotheken.“ Denn wenn ein Antibiotikum nicht vorhanden ist und abgeändert werden muss, müssen die Patienten zurück in die Praxis geschickt werden, um sich ein neues Rezept zu besorgen. Oder sie müssen eine Apotheke nach der anderen abklappern, um dort vielleicht doch noch das verschriebene Medikament zu bekommen. „Das sind Dinge, die dann die Toleranz übersteigen“, sagt Sielermann. „Wenn man selbst krank ist oder ein fieberndes Kind im Auto ist, ist das für viele auch unverständlich.“ Denn die Information, dass bei vielen Medikamenten Knappheit herrscht und davon alle Apotheken betroffen sind, sei bei vielen noch nicht angekommen.
„Wir versuchen alles, was möglich ist. Wir machen bei Großlieferanten eine Vordisposition, um den Zuschlag zu kriegen, wenn wieder etwas lieferbar ist“, so Sielermann. „Wir machen das gern für unsere Kunden.“ Doch es koste täglich mehrere Stunden Zeit, um nach Ausweichpräparaten zu suchen, Verfügbarkeiten abzuklären und Rücksprache mit Praxen zu halten. Somit ist auch in den Apotheken die Frustrationstoleranz gesunken. „Es ist eine unschöne Situation.“